Der Fußball-Kaiser zu Besuch in Kaiserau Als Franz Beckenbauer ein Straßenschild enthüllte

Als der „Kaiser“ in Kaiserau ein Straßenschild enthüllte
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Vielleicht kommt ja jemand auf die Idee, in Kaiserau eine Straße nach dem jüngst verstorbenen Franz Beckenbauer zu benennen. Das hätte eine gewisse Logik. Denn 1974 hat der „Kaiser“ an der damaligen Sportschule, dem heutigen Sportcentrum, ein Straßenschild enthüllt. Und er hat kurz vorher Fußball-Geschichte geschrieben.

Beides spielte sich während der Fußball-WM 1974 in Deutschland ab. Die bundesdeutsche Nationalmannschaft um ihren Kapitän Franz Beckenbauer nahm damals Quartier in der Sportschule Kaiserau – die verfügte seinerzeit noch nicht über ein modernes Sporthotel, sondern strahlte eher den Charme einer Jugendherberge aus.

WM-Quartier an der Straße „Am Sportheim“

Die Adresse lautete: „Am Sportheim“. Bis zum 28. Juni jedenfalls. An jenem Tag setzte die Stadt Kamen den Beschluss um, die Straße nach Jakob Koenen zu benennen, der im Januar des selben Jahres verstorben war. Koenen war nicht nur lange Zeit Bundestagsabgeordneter und Bürgermeister von Lippstadt, sondern auch Vorsitzender des Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen (FLVW). Dem gehört die Sportschule und er hat auch heute noch seinen Sitz an der Jakob-Koenen-Straße.

So berichtete der Hellweger Anzeiger am 29. Juni 1974 über den Aufenthalt der Nationalmannschaft.
So berichtete der Hellweger Anzeiger am 29. Juni 1974 über den Aufenthalt der Nationalmannschaft. © Archiv

Die Idee, Franz Beckenbauer das Straßenschild enthüllen zu lassen, kam dem damaligen Kamener Bürgermeister Friedhelm Ketteler wohl relativ spontan. Laut einem zeitgenössischem Bericht des Hellweger Anzeigers fragte der Nationalmannschaftskapitän: „Wie macht man denn das?“ Ketteler antwortete: „Ich habe so etwas auch noch nicht gemacht. Auf diesem Gebiet sind wir also beide Amateure.“ Offenbar gelang es dem Politiker und dem Profi-Fußballer dennoch unfallfrei, das Straßenschild zu enthüllen.

Revolte gegen den Bundestrainer

Augenzeuge der Aktion waren Beckenbauers Mitspieler sowie der damalige Bundestrainer Helmut Schön (1915 bis 1996). Der allerdings hatte zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr allzu viel zu sagen. Das lag an der Revolte gegen ihn, die Beckenbauer anführte.

Grund dafür war der mäßige Start, den der Gastgeber und WM-Favorit hingelegt hatte. Den Tiefpunkt markierte dabei das letzte Vorrunden-Spiel am 22. Juni in Hamburg: Dort unterlag die DFB-Elf mit 0:1 gegen die DDR. Die hatte sich damals zum ersten und letzten Mal für ein internationales Fußball-Turnier qualifiziert. Nach dem Spiel ergriff Beckenbauer die Initiative und übernahm die Führung der Mannschaft – die wurde bekanntlich durch einen 2:1-Finalsieg gegen die Niederlande Weltmeister.

Der damalige Bundestrainer Helmut Schön (M) und damalige Kapitän Franz Beckenbauer (l) im Gespräch mit einem Journalisten im WM-Trainingslager der deutschen Fußballnationalmannschaft in der Sportschule bei Kamen.
Franz Beckenbauer und Helmut Schön (M.) führen in Kaiserau ein Gespräch mit Journalisten. Der Bundestrainer hatte damals schon nicht mehr allzu viel zu sagen. © picture alliance/dpa

Diese Aufstand spielte sich zwar im schleswig-holsteinischen Quartier der Nationalmannschaft ab und ist als „Nacht von Malente“ in die Historie eingegangen. Da die Mannschaft danach in Düsseldorf gegen Jugoslawien und gegen Schweden antreten musste, wechselte sie nach Kaiserau. Vor dem als „Wasserschlacht von Frankfurt“ legendär gewordenen Spiel gegen Polen ging es dann nach München-Grünwald.

Ein Bericht über Beckenbauers Fahrt mit der "grünen Minna"
Ein Bericht über Beckenbauers Fahrt mit der "grünen Minna" © Archiv

Nach außen hin war von der „Beckenbauer-Revolution“ an der neuen Jakob-Koenen-Straße nichts zu spüren: „Damit nichts eindringt von der Außenwelt voller Respektlosigkeit in das Mannschafts-Quartier Kaiserau, hängen sichtbehindernde Sacktücher an den Toren und Zäunen der polizeilich abgeriegelten Sportschule“, schrieb der „Spiegel“ in seiner Ausgabe vom 30. Juni.

Die Öffentlichkeit nahm aber sehr wohl Kenntnis von dem „Kaiser“ und seinen Kollegen. Als Beckenbauer und Helmut Schön vor dem Spiel gegen Jugoslawien eine Pressekonferenz im „Haus der Jugend“ (dem heutigen Bürgerhaus Methler) gaben, gingen sie zu Fuß dorthin. Zurück fuhren sie „mit der ,grünen Minna‘ der Kamener Polizei“, wie der Hellweger Anzeiger berichtete: „Die Zahl der Autogrammjäger war nämlich inzwischen so angeschwollen, dass die Fußball-Prominenz wohl Stunden für den kurzen Weg gebraucht hätte.“

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