Erdogan redet zumindest indirekt an NRW-Schulen mit Zwei Antisemiten und ihr Einfluss auf Lehrpläne und Lehrer

Erdogan redet zumindest indirekt an NRW-Schulen mit: Zwei Antisemiten und ihr Einfluss auf Lehrpläne und Lehrer
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Ulrich Breulmann

In normalen Zeiten wäre dieses Thema etwa so spannend wie eine Vorlesestunde aus dem Telefonbuch. Religionsunterricht genießt an den Schulen nun mal nicht dieselbe Priorität wie Deutsch, Mathe oder Englisch. Das mag man bedauern oder nicht, Fakt ist: Religion gilt eher als Fach der Kategorie „Ach, das gibt’s ja auch noch“, eben als „Nebenfach“.

Dabei steckt aktuell ausgerechnet im Fach Religion gesellschaftlicher Sprengstoff erster Güte. Das hat mit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober, Antisemitismus und der Frage zu tun, wer mitbestimmen darf, wer in unseren Schulen was unterrichten darf.

Seit elf Jahren gibt es in Nordrhein-Westfalen einen staatlich organisierten islamischen Religionsunterricht. Das ist sicherlich angemessen bei rund 1,5 Millionen hier lebenden Muslimen.

Beim katholischen und evangelischen Religionsunterricht haben die Kirchen ein doppeltes Mitspracherecht: Zum einen, wenn es um die Inhalte des Unterrichts, Lehrpläne und Schulbücher geht. Zum anderen darf Religionsunterricht nur erteilen, wer eine kirchliche Lehrerlaubnis hat.

So soll es im Prinzip auch beim Umgang mit dem Islam sein. Das Problem: In den christlichen Kirchen hat der Staat feste Ansprechpartner. Im Islam aber gibt es keine vergleichbare Struktur. Hier kommen eine Vielzahl von Verbänden und Organisationen als Gesprächspartner für den Staat infrage.

Die Kommission zum islamischen Religionsunterricht und ihr Probem

In NRW wurde daher im Mai 2021 eine Kommission gegründet. Das Land schloss dazu mit sechs islamischen Verbänden einen Staatsvertrag. Mit ihnen zusammen gestaltet das Land den islamischen Religionsunterricht analog zu den mit den christlichen Kirchen getroffenen Regelungen. Und an diesem Punkt wird es brisant.

Eine dieser sechs Organisationen ist nämlich die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (Ditib). Ditib ist die mit Abstand größte islamische Organisation in Deutschland. Sie vertritt fast 1.000 Moscheevereine in Deutschland und damit rund 70 Prozent der hier lebenden mehr als 5 Millionen Muslime.

Ist doch sinnvoll, dass die Ditib als größter Islam-Verband in dieser Religionsunterricht-Kommission vertreten ist, könnte man meinen. Grundsätzlich stimme ich zu, aber: Die Ditib ist mitnichten ein unabhängiger Verband. Sie steht vielmehr unter Kontrolle der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die wiederum dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan unterstellt ist.

Antisemitische Hetze des obersten Chefs der türkischen Religionsbehörde

Dieser Zusammenhang ist nicht neu und Kritik daran gibt es schon seit langem. Aber nach dem, was seit dem 7. Oktober geschehen ist, hat das eine völlig neue Relevanz.

Ali Erbas, der Präsident der Diyanet, verbreitete jetzt, wie die Tagesschau berichtet, über X (früher Twitter) folgende Worte: „Jerusalem gehört den Muslimen. Palästina und Gaza sind Heimatländer der Muslime und werden es bis ans Ende der Zeit bleiben. Das zionistische Israel begeht in Gaza einen Völkermord mit seinen Angriffen, die auf einem schmutzigen und perversen Glauben basieren.“

Das ist übelster Antisemitismus. Gestärkt wird Erbas dabei von Erdogan, seinem Chef, der Israel als „Kriegsverbrecher“ bezeichnet, die Terrororganisation Hamas dagegen als „Gruppe von Befreiern“.

Die Ditib-Imame werden aus Ankara bezahlt

Die mehr als 1.000 Imame der Ditib in Deutschland werden allesamt von der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara bezahlt. Dass damit eine Erdogan unterstellte Behörde entscheidet, wer was freitags in den deutschen Ditib-Moscheen predigen darf, ist schlimm genug.

Dass aber mit Erdogan und seinem Religions-Abteilungsleiter Erbas zwei hetzende Antisemiten direkten Einfluss darauf haben, wer an staatlichen Schulen in NRW Islamunterricht erteilen darf, welche Religionsbücher dort gelesen werden und was in den Lehrplänen steht, das ist unerträglich.

Die Reaktion aus dem NRW-Schulministerium

Das NRW-Schulministerium sieht das durchaus gelassener, wie die Antwort auf unsere Anfrage zeigt: „In Nordrhein-Westfalens Schulen ist kein Platz für Antisemitismus, nicht in den Klassen, nicht auf den Schulhöfen und auch nicht in den unterrichteten Fächern“, wird da zunächst das betont, was selbstverständlich sein sollte. Das gelte auch für den islamischen Religionsunterricht.

Das Ministerium verweist dann darauf, dass in der Kommission die Ditib NRW vertreten sei, nicht der religiöse Beirat der Ditib und nicht der Bundesverband. Vielmehr habe die Ditib NRW eine eigene Einheit gegründet, der „weder Amtsträger eines Staates noch Angestellte der Ditib angehören dürfen“, erläutert das Schulministerium. Was sagt das schon, wenn kein von der Türkei bezahlter Verwaltungsmitarbeiter und keiner, der seinen Lohn von der Ditib bezieht, in dieser Einheit sitzt? Es können trotzdem treue Gefolgsleute der Diyanet und glühende Anhänger des Antisemiten Erdogan sein.

„Sollte im Rahmen der Zusammenarbeit in der Kommission gegen die Satzung verstoßen werden und es Einflussnahmen seitens des türkischen Staates, der Diyanet, des Ditib-Bundesverbandes oder des Religiösen Beirates (…) geben, würde dies die Grundlage der vertraglichen Zusammenarbeit verletzen“, schreibt das Schulministerium weiter. Im Übrigen prüfe man die „Positionierung des Verbandes im aktuellen Konflikt“.

Das alles klingt ebenso theoretisch wie wenig überzeugend. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Ditib NRW dem Ditib-Bundesverband und der religiösen Aufsichtsbehörde, der Diyanet und Erdogan die Stirn bietet? Eher blühen Rosen auf dem Mond als dass das geschieht. Deshalb darf die Ditib an keiner Stelle mehr mitreden, wenn es um Unterricht an unseren Schulen geht. An keiner, auch nicht in der Kommission des Landes zum islamischen Religionsunterricht.

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