Als Andreas Brandt die Schallschutztür öffnet, schlägt ihm ein ohrenbetäubendes Brüllen und Stampfen entgegen. Der 59-jährige Bergbau-Ingenieur nähert sich nur mit Ohrenschutz dem riesigen Motor, der den großen Überseecontainer in voller Länge einnimmt. „16 Zylinder in V-Anordnung, als Schiffsdiesel konzipiert und zum Gasmotor umgebaut“, sagt der Heeren-Werver, der bei der Minegas GmbH, einer Tochter des Energiekonzerns Steag, als Geschäftsführer die Grubengas-Förderung leitet.
Die ehemalige Zeche Monopol mit ihrer Schachtanlage Grillo ist einer von 40 Standorten für Grubengaskraftwerke in Nordrhein-Westfalen. Zwei dieser bulligen Motoren wandeln das aus dem Schacht Grillo geförderte Grubengas um in elektrische und thermische Energie. „Wir erzeugen am Standort Kamen jährlich 17 Millionen Kilowattstunden Strom“, sagt Brandt. Das bedeutet umgerechnet: Mit dieser Leistung können etwa 6000 Haushalte versorgt werden. In Zeiten der Energiekrise ist diese Form der Selbstversorgung Gold wert.

Weniger Methan durch steigenden Grundwasserspiegel
Von dem Lärm ist vor der Anlage, die fast direkt unter Kamens prägendem Förderturm im Technopark steht, nichts zu hören. Die Halle, in der Verdichterstation, Gasmotoren und Generatoren untergebracht sind, ist gut abgekapselt.
Seit Sommer 2015 fördert die Steag-Gesellschaft Erdgas aus den alten Flözen des sich über viele Kilometer unter Kamen und Bergkamen erstreckenden Schachtgewirrs. Schächte, die eigentlich bis in 1300 Meter Tiefe angelegt sind. Die noch offenen Grubenräume füllen sich stetig mit dem Gas, das aus der verbliebenen Restkohle austritt. Allerdings: „Seitdem im vorigen Jahr die Pumpen abgestellt worden sind, ist der Wasserspiegel bereits auf 800 Meter Tiefe angestiegen“, sagt Brandt. „Die unteren Schächte stehen jetzt unter Wasser. Und die Menge an Methan, das aus dem Erdreich abgesetzt wird, wird somit immer kleiner.“

Das kleine Kraftwerk produziert nicht nur Strom
Doch noch ist die Menge mehr als ausreichend, um die beiden großen Motoren weiter anzutreiben. 8.000 Stunden laufen sie im Jahr – also nahezu durchgehend, wenn man einmal von den Wartungszeiträumen absieht. Das kleine Kraftwerk produziert nicht nur Strom, sondern versorgt auch die nahe gelegenen Gartenstadt Sesekeaue mit Fernwärme – und auch einige Gewerbestandorte im Technopark. Dafür wird die Abwärme der Motoren genutzt, die durch den Kühlkreislauf freigesetzt wird. „So produzieren wir nachhaltige Energie – denn das Methan aus dem Bergwerk würde sonst in die Atmosphäre gehen und die Umwelt schädigen“, so Brandt. Pro Jahr werden an den 40 Standorte durch Grubengasverwertung ca. 3,1 Millionen Tonnen an klimaschädlichem CO2 vermieden.

Nur noch einige Jahre: Das Gas aus der Tiefe ist endlich
Ob die Motoren auch künftig so durchzugskräftig laufen werden, daran hegt Brandt durchaus Zweifel. Nicht nur, weil das Wasser allmählich steigt. Sondern auch, weil die Schächte nach und nach in sich zusammen sinken. „Das Gebirge verfestigt sich, die Wege werden enger“, so Brandt. In 15 bis 20 Jahren würde vermutlich kein Erdgas mehr aus dem Schacht strömen. Das Grubenkraftwerk, das aus mobilen Modulen aufgebaut ist, könnte dann woanders aufgebaut werden. „Diese Anlage stand zuvor in Castrop-Rauxel.“
Das unsichtbare Grubengold
Und so kommt das Erdgas in das kleine Kraftwerk: Die Saugrohrleitung, aus der das Erdgas in die Höhe strömt, reicht bis in etwa 300 Meter Tiefe hinunter. Auf einer in den Schacht gebauten Bühne endet dort der bei der Verfüllung des Schachtes einst hineingegossene Beton-Pfropfen. Dort kann das Methangas, das in dem Hunderte Kilometer langen Netz aus Gängen und Streben lagert, mit leichtem Unterdruck eingesaugt werden.
Es fließt durch die Entgasungsrohrleitung bis zur Oberfläche, wo einige Rohre installiert sind. Diese enden an einer Verdichterstation, wo das Erdgas in die großen Motoren gepresst wird.
Das Grubengold der Gegenwart ist nicht schwarz und schmutzig. Es ist unsichtbar – und eine vergleichsweise saubere Sache.
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