Der große Entlastungscheck So viel Geld bekommen Sie 2023 vom Staat

Der große Entlastungscheck: So viel Geld bekommen Sie 2023 vom Staat
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Es war ein teures Versprechen, das Olaf Scholz im Juli gegeben hatte. Niemand werde in der Energiekrise alleingelassen, verkündete der aus dem Allgäu-Urlaub zurückgeeilte Kanzler bei einer hastig einberufenen Pressekonferenz in Berlin. „You`ll never walk alone.“

Dass das einzig Konkrete, das Scholz seinerzeit mitgebracht hatte, eine zusätzliche Belastung in Form einer Umlage auf den Gaspreis war, die obendrein nach quälenden Debatten wieder kassiert wurde, gehört zu den Dingen, an die der Kanzler nicht so gerne erinnert wird. Lieber spricht Scholz über die 200 Milliarden Euro, die er zwei Monate später zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger auf den Tisch gelegt hat: seinen „Doppelwumms“.

Nicht nur die Summe ist rekordverdächtig, auch das Tempo, in dem Entlastungspaket geschnürt werden musste, war enorm. Den Sommer hatte die Regierung ungenutzt verstreichen lassen, im Herbst dann musste alles ganz schnell gehen. Nächtelang wurde gerechnet und gestritten.

Nun sind die gewaltigen Unterstützungsprogramme weitgehend fertig. Das viele Hin und Her hat aber dazu geführt, dass kaum noch ein Bürger sagen kann, wer, wann, wieviel Unterstützung bekommt und vor allem: woher. Im großen Entlastungscheck gibt das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) einen Überblick:

Strom- und Gaspreisbremse

Wann: Vom 1. Januar 2023 bis zum 30. April 2024

Wie viel: Das ist stark vom individuellen Gas- und Stromverbrauch sowie dem Preis abhängig, den Verbraucherinnen und Verbraucher für Energie bezahlen. Laut Vergleichsportal Verivox wird ein Singlehaushalt, der derzeit 20 Cent je Kilowattstunde Gas bezahlt, um 320 Euro pro Jahr entlastet. Eine vierköpfige Familie im Reihenhaus darf mit 1280 Euro Rabatt rechnen. Legt man einen Marktpreis von 25 Cent zu Grunde, steigt die Entlastung für einen Singlehaushalt auf 520 Euro und für eine vierköpfige Familie auf 2080 Euro pro Jahr.

Beim Strom gibt Verivox die Entlastungswirkung auf Grundlage eines Marktpreises von 50 Cent je Kilowattstunde mit 120 Euro pro Jahr für Singlehaushalte und 320 Euro für vierköpfigen Familie an. Bei einem Marktpreis von 60 Cent je Kilowattstunde steigt die Entlastung auf 240 Euro für Singles und 640 Euro für die Familie.

Wie: Von den Preisbremsen auf Gas und Strom profitieren alle Privatkunden, aber auch kleine und mittlere Unternehmen. Die Versorger geben den Rabatt weiter und rechnen ihrerseits mit dem Staat ab. Jeweils 80 Prozent des erwarteten Verbrauchs bekommen Verbraucherinnen und Verbraucher rabattiert – beim Gas auf 12 Cent, beim Strom auf 40 Cent, bei Fernwärme auf 9,5 Cent je Kilowattstunde.

Beim Gas wird der Verbrauch des Vorjahres zugrunde gelegt, beim Strom der Jahresverbrauch, den der Versorger im September 2022 prognostiziert hat. Besserverdiener müssen den auf ihrer Energierechnung ausgewiesenen Rabatt versteuern. Maßgeblich ist Einkommensgrenze, ab der die Pflicht zur Entrichtung des Solidaritätszuschlags beginnt.

Kindergeld- und Kinderfreibetrag

Wann: Ab 1. Januar 2023

Wie viel: Das Kindergeld wird für die ersten drei Kinder auf jeweils 250 Euro pro Monat erhöht. Derzeit gibt es für das erste und zweite Kind jeweils 219 Euro, für das dritte Kind 225 Euro und ab dem vierten Kind 250 Euro. Zudem steigt der Kinderfreibetrag (einschließlich des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes) rückwirkend zum 1. Januar 2022 um 160 Euro auf 8548 Euro. Zum 1. Januar wird er um weitere 404 Euro auf 8952 Euro angehoben.

Wie: Wer bereits Kindergeld bekommt, muss nichts unternehmen. Ansonsten muss das Kindergeld bei der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit beantragt werden. Der Kinderfreibetrag wird bei Angabe der Kinder automatisch bei der Einkommensteuererklärung berücksichtigt. Dabei muss man Folgendes wissen: Das Kindergeld ist nichts anderes als eine Anzahlung auf den Kinderfreibetrag.

Das Finanzamt prüft bei der Bearbeitung der Steuererklärung automatisch, was für die Eltern günstiger ist: Bei geringen und mittleren Einkommen bleibt es beim Kindergeld, bei höheren Einkommen greift der Freibetrag. Er bringt eine stärkere Entlastung. Wer zum Beispiel den Spitzensteuersatz von 42 Prozent zahlt, wird um rund 313 Euro im Monat entlastet.

Lohn- und Einkommensteuer

Wann: Ab 1. Januar 2023

Wie viel: Die Tarifeckwerte des Einkommensteuertarifs werden um die Inflationsrate verschoben. Andernfalls wäre die Steuerbelastung gleich geblieben, obwohl durch die Inflation die Kaufkraft sinkt. Konkret steigt der Grundfreibetrag, auf den keine Steuern entrichtet werden müssen. um 561 Euro auf 10.908 Euro. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent greift erst bei 62.810 Euro nicht schon ab 58.597 Euro. Die „Reichensteuer“ von 45 Prozent gilt allerdings unverändert ab 277.826 Euro. Auch beim Solidaritätszuschlag, den nur noch Spitzenverdiener zahlen, gibt es eine Entlastung durch eine höhere Freigrenze.

Die genaue Wirkung der Steueränderungen hängt vom Einzelfall ab. Beispiel: Ein Single mit einem Bruttojahreslohn von 28.800 Euro wird um jährlich 196 Euro entlastet, bei einer Doppelverdienerfamilie mit zwei Kindern und einem Bruttoeinkommen von rund 56.000 Euro sind es 1130 Euro im Jahr. Der maximale Vorteil aus der Tarifsenkung beträgt pro Steuerzahler 637 Euro.

Dazu kommen weitere Entlastungen: Der Sparer-Pauschbetrag – also der Freibetrag für Kapitaleinkünfte – wird von derzeit 801 Euro auf 1000 Euro für Alleinstehende und von 1602 auf 2000 Euro für Ehegatten beziehungsweise Lebenspartner erhöht. Der Arbeitnehmerpauschbetrag („Werbungskostenpauschale“) steigt von 1200 auf 1230 Euro. Zudem können ab 2023 die Rentenbeiträge voll steuerlich abgesetzt werden – zwei Jahre früher als ursprünglich geplant.

Wie: Die Tarifsenkungen und der Großteil der Freibeträge werden bei Beschäftigten in der Regel automatisch bei der Lohnabrechnung berücksichtigt. Es empfiehlt sich aber immer, eine Steuererklärung abzugeben, damit tatsächlich alle Steuervorteile richtig verbucht werden. Unbürokratisch wurde die Erhöhung des Sparerfreibetrags geregelt: Bereits erteilte Freistellungsauträge werden automatisch um knapp 25 Prozent erhöht.

Wohngeld

Wann: Ab 1. Januar 2023

Wie viel: Das ist abhängig von Wohnverhältnissen und Verdienst, im Schnitt steigt das Wohngeld von 180 auf 370 Euro im Monat

Wie: Mit dem „Wohngeld Plus“ steigen nicht nur die monatlichen Sätze, sondern auch der Kreis der Empfänger. Statt 600.000 werden ab Januar zwei Millionen Menschen Anspruch auf den Bezug von Wohngeld haben, das künftig auch eine Heizkostenkomponente vorsieht. Das Angebot richtet sich an Menschen, die aus anderen Sozialleistungen herausfallen, deren Einkommen oder Rente aber so niedrig ist, dass sie ihre Wohnkosten nur schwer allein stemmen können – übrigens unabhängig davon, ob sie zur Miete oder im Eigenheim wohnen.

Wer den Zuschuss erhalten will, muss selbst aktiv werden und einen Antrag stellen. Zuständig dafür sind die Wohngeldstellen in den Kommunen und Landkreisen. Das Bundesbauministerium bietet auf seiner Internetseite einen Wohngeldrechner an, bei dem man feststellen kann, ob man berechtigt ist und mit welcher Summe zu rechnen ist. Die genaue Prüfung folgt dann in den Ämtern.

Allerdings ist fraglich, ob der Start zum 1. Januar ruckelfrei funktioniert. Bundesbauministerin Klara Geywitz warnte wegen der Verdreifachung der Berechtigten bereits vor einer längeren Bearbeitungszeit. Die Auszahlungen könnten sich also verzögern. Der Anspruch gilt allerdings ab dem Monat der Antragsstellung. Es lohnt sich also, schnell zu sein.

49-Euro-Ticket

Wann: Das ist noch unklar, mittlerweile werden April oder Mai 2023 für die Einführung gehandelt.

Wie viel: Die Differenz zwischen dem jeweiligen aktuellen Preis für ein Monatsticket und 49 Euro.

Wie: Über einen Nachfolger des im Sommer eingeführten 9-Euro-Tickets wurde lange diskutiert. Im Herbst dann kam der Durchbruch: Bund und Länder machten den Weg für ein 49-Euro-Ticket frei. So viel soll die ÖPNV-Fahrkarte, die unabhängig vom Verkehrsverbund in ganz Deutschland gültig sein soll, künftig kosten.

Allerdings steht ein offizieller Termin für das Startdatum noch aus. Zwar wurde zunächst der Jahreswechsel angestrebt, doch das Ticket lässt auf sich warten. Noch wird über die Finanzierung gestritten. Bayerns Verkehrsminister hält den Start zum 1. Januar mittlerweile für „völlig illusorisch“. Nachdem zunächst der 1. März für realistisch gehalten wurde, stand später der 1. April im Raum. Der Verband deutscher Verkehrsunternehmen spricht mittlerweile von Anfang Mai.

Wer sich das 49-Euro-Ticket dann holen will, kann digital ein monatlich kündbares Abonnement abschließen. Noch ist offen, ob es auch in Papierform an den Automaten zu kaufen sein wird.

Bürgergeld

Wann: Ab 1. Januar 2023

Wieviel: Der Regelsatz für Alleinstehende steigt im Vergleich zur Grundsicherung von 449 Euro auf 502 Euro im Monat.

Wie: Die Einführung des Bürgergeldes ist die größte Sozialreform der letzten 20 Jahre. Einen Kulturwandel in der Arbeitsvermittlung und die Überwindung des Hartz-IV-Systems verspricht Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Ziel ist es, Langzeitarbeitslose besser zu qualifizieren und in dauerhafte Arbeitsverhältnisse zu bringen.

Kurzfristig profitieren Betroffene vor allem von den höheren Regelsätzen. Alleinstehende bekommen künftig 502 Euro im Monat, volljährige Partner 451 Euro, Kinder im Alter von 14 bis 17 Jahren 420 Euro, Sechs- bis 13-Jährige 348 Euro und bis zu Fünfjährige 318 Euro. Außerdem dürfen Empfänger mehr als bisher hinzuverdienen, ohne dass das Bürgergeld gekürzt wird.

Energiepauschale für Studierende

Wann: Das ist abhängig davon, wie schnell die für die Beantragung notwendige technische Infrastruktur bereitsteht. Laut Bundesregierung soll die Auszahlung noch im Winter erfolgen.

Wieviel: Einmalig 200 Euro

Wie: Alle, die am 1. Dezember 2022 an einer Hochschule in Deutschland immatrikuliert oder an einer Berufsfachschule angemeldet waren, haben Anspruch auf einen einmaligen Energiekostenzuschuss in Höhe von 200 Euro. Laut Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) profitieren knapp drei Millionen Studierende und 450.000 Schülerinnen und Schüler in Fachschulklassen und Berufsfachschulklassen davon.

Da weder Bund noch Länder über die Kontodaten der Anspruchsberechtigten verfügen, muss für den Zuschuss ein Antrag gestellt werden. Bund und Länder entwickeln dafür gerade eine digitale Antragsplattform. Auch wer neben dem Studium arbeitet und die Energiekostenpauschale für Arbeitnehmer kassiert hat, bekommt die 200 Euro. Versteuert werden muss der Zuschuss nicht.

RND

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