Eklat im Totschlag-Prozess am Landgericht Bielefeld: Der syrische Hauptangeklagte (19) und sein Marler Verteidiger Burkhard Benecken werfen den Ermittlern „Einseitigkeit“ vor. Staatsanwalt Christoph Mackel weist das empört zurück und fordert eine Richtigstellung.
Wie berichtet, stehen drei Männer vor Gericht. Nach einer Abiturfeier im Juni 2024 sollen sie und sechs weitere Menschen im Kurpark Bad Oeynhausen auf das spätere Opfer, den 20-jährigen Philippos, und zwei seiner Freunde gestoßen sein. Gekannt hatten sich die Männer nicht. Aus nichtigem Anlass kam es zum Streit, dann zu brutalen Schlägen. Als Philippos auf den Boden fiel, hat der Hauptangeklagte nach Überzeugung des Staatsanwalts gegen seinen Kopf getreten und seinen Tod in Kauf genommen. Die mitangeklagten Deutschen hätten zum Teil ebenfalls geprügelt. Zwei Tage später starb Philippos im Krankenhaus mit schweren Hirnverletzungen.

Im Prozess las Burkhard Benecken eine einstündige Erklärung seines Mandanten vor. Darin bestreitet er, für Philippos‘ Tod verantwortlich zu sein. Es müsse einen oder mehrere andere Täter geben. Aber es sei nicht weiter ermittelt worden, man habe ihn als Syrer früh vorverurteilt. Staatsanwalt Christoph Mackel sprach von einer Unverschämtheit: „Das ist schwer erträglich, was hier verlesen wurde. Das sind haltlose Vorwürfe, juristisch ehrabschneidend.“ Auch der Vorsitzende Richter Carsten Clashörster rügte den Anwalt.
Burkhard Benecken stellt im Gespräch mit unserer Redaktion klar, dass sich die Kritik nicht auf den Staatsanwalt, sondern auf die Ermittler und einzelne Medien bezog. Er verteidigt den jungen Syrer gemeinsam mit seinem Vater Siegmund Benecken: „Was den Totschlag angeht, ist unser Mandant aus unserer Sicht absolut unschuldig.“
Zeuge jetzt mitangeklagt
Aus Chats und Browserverläufen in den Akten der Ermittler gehe hervor, dass ein Mitangeklagter ein spezielles Täterwissen habe, meint der Anwalt: „Er hat unseren Mandanten in die Pfanne gehauen, schiebt ihm alles in die Schuhe“, sagt Burkhard Benecken. „Ich kann nicht begreifen, dass diese Person bis zum Schluss als Zeuge geführt wurde und nie in Verdacht geriet, vielleicht selbst Totschläger zu sein.“ Erst im Prozess sei dieser 19-Jährige mitangeklagt - wegen gefährlicher Körperverletzung.
Burkhard Beneckens Mandant gestand in seiner Erklärung nur einen Streit mit dem späteren Opfer ein. Vor Gericht gab er zu, Philippos als erster geschlagen zu haben. Das tue ihm leid. Er sei betrunken gewesen, habe Gras geraucht. Wer die tödlichen Tritte ausgeteilt habe, wisse er nicht. Nach seiner Wahrnehmung sei Philippos weggerannt und mit dem Hinterkopf auf den Boden gestürzt.
Fortsetzung am Mittwoch
Der Anwalt und sein Mandant kritisieren eine diskriminierende Berichterstattung einzelner Medien: Der Fall löste die bundesweite Debatte über Zuwanderung und die Abschiebung ausländischer Straftäter aus - bevor er aufgeklärt ist. Die beiden Mitangeklagten stehen wegen gefährlicher Körperverletzung und Hehlerei vor Gericht. Einer der beiden sagte am Freitag ebenfalls aus. Er will von Philippos‘ schweren Verletzungen ebenfalls nichts mitbekommen haben.
Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Dann sollen die Eltern des Getöteten gehört werden. (mit dpa)