Nach Lina Beckmann in „Laios“ war am Samstag ein weiterer Soloabend bei den Mülheimer Theatertagen zu sehen: In „The Silence“ spielt Dimitrij Schaad Falk Richter, Autor und Regisseur des autofiktionalen Textes. UBeide Produktionen waren nicht nur zum „Stücke“-Festival in Mülheim, sondern auch zum Berliner Theatertreffen eingeladen.
„Ich bin der Dimi“, stellt sich Dimitrij Schaad vor und erläutert dem Mülheimer Publikum die Bedeutung der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz: ein Leutturm der Darstellerkunst – sozusagen der FC Bayern unter den Theatern. Dafür erntet er im Ruhrgebiet Buh-Rufe, auf die Schaad spontan mit „Euer Hass macht uns nur stärker“ reagiert. Mit ironischer Distanz hat der virtuose Mime seine Rolle angelegt: „Ich werde in beeindruckender Art und Weise Autor Falk Richter veredeln.“ Und das macht er dann auch gut 100 Minuten lang.

„The Silence“ ist zwar ein autofiktionaler Text, doch er zeichnet ein Gesellschaftsporträt von westdeutschen Nachkriegsfamilien, in denen es angestrengt normal und gefühlskalt zu ging. Totgeschwiegen, verdrängt wurde alles, was die Familienidylle stören könnte. Eine Erfahrung, die sicherlich viele teilen. Mit seinem Stück versucht Richter, diese Schweigemauer aufzubrechen, die Doppelmoral und Lebenslügen zu entlarven, seinen Verletzungen nachzuspüren.
Richters Kindheit und Jugend in Buchholz in der Nordheide müssen schrecklich gewesen sein. Als Kind wurde er zur Strafe in einen Schrank gesperrt. Nachdem Richter als Jugendlicher wegen seiner Homosexualität zusammengeschlagen worden war, ihm half auf der Straße niemand, reagiert sein vom Krieg verrohter Vater emotionslos: „Das ist nicht so schlimm, im Krieg ist sowas jeden Tag passiert.“ Seine Post, Tagebücher werden kontrolliert, einen seiner Liebhaber will der Vater anzeigen ...
Videos mit Richters Mutter
Zwischen Schaads Spiel sind Videos von Richter und seiner Mutter zu sehen. Kritisch befragt er aber nicht nur sie, sondern auch sich selbst. Sind Erinnerungen vielleicht schon Fiktion? Es geht nicht um Selbstmitleid, sondern um die Aufarbeitung von Traumata. Und die Therapeutin wertet es als Erfolg, dass sich Mutter und Sohn nicht umgebracht haben.
Berührendes und toll gespieltes Theater, das nächstes Wochenende auch bei den Ruhrfestspielen zu Gast ist.
Termine bei Ruhrfestspielen und Stücke
„The Silence“ gastiert vom 29. bis 31. Mai 2024 bei den Ruhrfestspielen; Karten: Tel. (02361) 921 80. www.ruhrfestspiele.de
Nächste Termine bei „Stücke“: 22.5.2024 „forecast:ödipus“ von Thomas Köck, Schauspiel Stuttgart, 25. 5.2024 „Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert“ von Sivan Ben Yishai, Schauspiel Hannover, anschließend Jurydebatte Mülheimer Theaterpreis; Karten: Tel. (0208) 96 09 60. www.stuecke.de
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