Becketts „Warten auf Godot“ in Bochum. Da war doch was? Vor nunmehr 22 Jahren geriet die Inszenierung von Matthias Hartmann mit der stellaren Besetzung der Rollen durch Michael Maertens, Ernst Stötzner, Fritz Schediwy und (der Coup!) Harald Schmidt zu einem der größten Erfolge des Schauspielhauses.
Das Stück über das Drama der Existenz, über Hoffnungslosigkeit und Vergeblichkeit geriet in den Händen großer Komödianten zum Schwank. Nicht abwegig, hatte doch auch Beckett bei den Hauptrollen einst an Laurel und Hardy gedacht.

An diesem Freitagabend in Bochum wird in der nicht ganz ausverkauften Premiere nicht gelacht. Die Handlung: Die Landstreicher Wladimir und Estragon warten auf Godot. Vergeblich. In zwei Szenen treffen der Machtmensch Pozzo und sein Diener Lucky auf die beiden Wartenden.
Ulrich Rasche, geborener Bochumer, Jahrgang 1969, als Aufwachsender an der Königsallee sozialisiert, wurde mit dem exzessiven Einsatz von Drehbühnen zum vielfach prämierten Regiestar. Auch hier steht wieder eine rotierende Scheibe im Zentrum, die Darsteller schreiten, schleppen sich voran, taumeln, fallen.
Spiel im Nebel
Es herrscht zudem Dauernebel, über dem Geschehen schwebt ein Leuchtobjekt, ein Zylinder, rotierend, mal Mond, mal einfach blutrote Scheibe. Theater wird hier Kunstin-stallation (Bühne: Rasche und Franz Dittrich). Minimalistisch und gleichzeitig gewaltig. Auf Requisiten wird verzichtet, selbst das sprichwörtliche Beckett-Bäumchen ist so abwesend wie Godot.
Guy Clemens und Steven Scharf spielen Estragon und Wladimir. Sie tragen abgerissene, schmutzige Anzüge (Kostüme: Annika Lu) und schaffen es erstaunlicherweise, sich darstellerische Präsenz zu erarbeiten. Das, trotz dieser überwältigenden Theatermaschinerie, diesem dauerrotierenden Mahlwerk, das mit ebenso andauernder, mal düster basslastig wummernden, mal ekstatisch mit Posaune auftrumpfender Live-Musik beschallt wird.
Vier Stunden Exerzitium
Dominik Dos-Reis ist ein junger Pozzo, feingliedrig und -sinnig wirkend zunächst, was den folgenden ihm eingeschriebenen Horror des Herrenmenschen noch gespenstischer macht. Yannik Stöbener, Gast im Ensemble, eine athletische geknechtete Kreatur, gespenstisch stotternd auf Befehl „Denken“, deklamierend zwischen kaputtem Android und Frankensteins Monster.
Vier Stunden Exerzitium
Mit einer langen Pause dauert die Inszenierung schließlich vier Stunden, ein Exerzitium, eine Zumutung, eine Erfahrung. Nicht wenige, vielleicht mit Lachsalven der Vergangenheit im Hinterkopf, nutzen die Pause zum Abgang. Die gut 75 Vorstellungen, die der historische „Godot“ an der Königsallee hinlegte, sind für diese Inszenierung nicht in Reichweite. Dennoch hat sie sehr viel Kraft. Und wird bleiben.
Weitere Aufführungen
Termine: 5. / 6. / 26. / 27. 10. 2024; Karten: Tel. (0234) 33 33 55 55. www.schauspielhausbochum.de
Aliens in Theben: Das Mülheimer Theater an der Ruhr startet mit „Ödipus“ in die Spielzeit
Viel Lärm um Nichts: Theater Oberhausen zeigt „Ich zittere (1 und 2)“ von Joel Pommerat
Jelinek-Uraufführung in Bochum: Wir leben, wir leben, Hauptsache, wir leben