Eigentlich wollte Martin Westhoven kürzlich nur seine Katzen aus dem Garten ins Haus lassen. Als er allerdings die Haustür öffnete, sah er gerade noch einen Einbrecher von seinem Grundstück flüchten.
Später stellte sich heraus: Insgesamt drei Täter hatten sich Zugang zum Garten und dem Schuppen der Familie verschafft. Aufgezeichnet wurden die drei von der Kamera, die Martin Westhoven vor seiner Haustür installiert hat.
Video zeigt Einbrecher mit Kettensäge
„Kurz nach unserem Einzug sind wir zwei Wochen in den Urlaub gefahren, deshalb habe ich die Kamera damals direkt angebracht“, so Westhoven. Auch eine Alarmanlage besitzt die Familie. Über die hat der Fröndenberger dann auch die Notrufzentrale benachrichtigt. Ungefähr 20 Minuten später war die Polizei vor Ort und suchte die Umgebung ab.
„Auf dem Video ist auch zu sehen, dass einer der Täter unsere Kettensäge geklaut hat“, sagt Martin Westhoven. Diese konnte in der Nähe von der Polizei sichergestellt, die Täter aber bisher nicht ermittelt werden.

Das Video der Überwachungskamera hat seine Frau Lea Westhoven auf Facebook gepostet, um andere Fröndenberger zu sensibilisieren. Ähnlich war Arkadiusz Lejmel Anfang November vorgegangen: Auf seinen Videoaufnahmen war ein verhinderter Einbrecher sogar sehr gut zu erkennen.
Den Facebook-Post löschte der Fröndenberger kurz darauf wieder. Es hatte ihn jemand gewarnt: Mit Fotos und Videos, auf denen Personen erkennbar sind, könne es bei Veröffentlichung rechtliche Probleme geben – selbst wenn ein Krimineller auf den Aufnahmen abgebildet ist.
Sind private Videos vor Gericht verwertbar?
Sind die Bilder womöglich gar nicht verwertbar bei der Ermittlung von Straftätern? Wer den Hollywood-Streifen „Ein Richter sieht rot“ kennt, hat sich wegen des strengen US-amerikanischen Rechts vielleicht schon einmal ungläubig in seinem Fernsehsessel festgekrallt.
„Die Früchte des verbotenen Baumes“ nennen US-Juristen Beweise, die auf nicht rechtmäßige Weise in die Hände der Polizei gelangt sind. So durfte Film-Richter Michael Douglas einen ansonsten zweifelsfrei überführten Kriminellen nicht verurteilen, weil ein Beweisstück von der Polizei aus dessen Mülltonne entnommen worden war – ohne Durchsuchungsbeschluss für diesen höchstpersönlichen Bereich des Täters.
Um höchstpersönliche Rechte geht es tatsächlich auch bei den Fotos oder Videos, die von Personen ohne deren Einwilligung angefertigt worden sind.
Das sagt das Kunsturhebergesetz von 1907
„Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden“, wird dort in einem Paragrafen heute etwas antiquiert wirkend formuliert. Die Aussage ist aber im Jahr 2023 noch genau so gültig wie im Kaiserreich.
Das Gesetz stellt klar, dass jeder Mensch ein Recht am eigenen Bild hat. Niemand muss sich gefallen lassen, im Internet, in der Zeitung oder auf sonstigen Druckwerken erkennbar oder zumindest identifizierbar abgebildet zu werden.
Es gibt Ausnahmen. Personen der Zeitgeschichte dürfen prinzipiell fotografiert und gefilmt werden – soweit es ein öffentliches Interesse gibt. Daher muss den Bundeskanzler niemand vorher fragen, wenn er ihn im Bundestag aufnimmt.
Auch wenn Personen nur sogenanntes „Beiwerk“, also nebensächlich, auf einem Landschaftsbild sind, müssen sie vor einem Foto nicht eigens um Erlaubnis gebeten werden. Dasselbe gilt für Teilnehmer von Versammlungen, Aufzügen und sonstigen Gruppen, die in der Öffentlichkeit auftreten.
Eine Ausnahme für Menschen bei ihrem kriminellen Tun wird dort nicht gemacht.
Das sagt der Datenschutzbeauftragte des Landes NRW
Unsere Redaktion hat den Landesdatenschutzbeauftragten gefragt, ob es erlaubt sein kann, auf privatem Grund aufgenommene Fotos oder Videos zur Ermittlung eines Tatverdächtigen in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen, wenn die Person auf dem Filmmaterial erkennbar ist.
Pressesprecher Daniel Strunk übermittelt eine differenzierte Antwort: Jede Art von Öffentlichkeitsfahndung stelle „einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Verdächtigen dar“ und dürfe daher ausschließlich von Polizei oder Staatsanwaltschaft nach der Strafprozessordnung erfolgen.

Bilder und Videos von privaten Überwachungskameras dürften aber an Polizei und Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung weitergegeben werden. „Die Veröffentlichung ,Privater Steckbriefe‘, etwa im Internet, ist jedoch unzulässig“, stellt Daniel Strunk klar.
Die Datenschutz-Aufsichtsbehörden hätten insofern verschiedene Untersuchungs- und Abhilfebefugnisse aus der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO). Daniel Strunk: „Sie können beispielweise anordnen, die Daten zu löschen oder eine Veröffentlichung in Zukunft zu unterlassen. Verstöße können auch mit Geldbußen sanktionieren werden.“
Die Datenschutzbehörde werde auch von Amts wegen tätig, wenn ihr solche Veröffentlichungen bekannt werden. Ein Fröndenberger hatte Arkadiusz Lejmel tatsächlich darauf hingewiesen, dass er nach seiner Veröffentlichung von Fotos eines Einbrechers auf Facebook „Post aus Düsseldorf mit der Androhung eines hohen Bußgeldes“ erhalten habe.
Das sagt die Kreispolizeibehörde Unna
Im Fall des versuchten Einbruchs bei Familie Lejmel in Westick hat die Polizei ein Standbild des Videos aus der Überwachungskamera abfotografiert, auf dem der Täter deutlich erkennbar ist.
„Das wird Bestandteil der Ermittlungsakte“, bestätigt Bernd Pentrop. Dies sei das übliche Beweissicherungsverfahren bei der Polizei, erläutert der Pressesprecher der Kreispolizeibehörde.

Mittlerweile komme es sogar sehr häufig vor, dass die Polizei an privates Foto- und Filmmaterial von Tatverdächtigen gelange. Wo vor einigen Jahren noch Sicherheitsunternehmen eine Kameraüberwachung im heimischen Garten installieren mussten, „kann das heute jeder selber machen“.
Er empfehle aber weiterhin auch die kriminalpolizeiliche Beratungsstelle, wenn es um die Sicherung der eigenen vier Wände geht, so Bernd Pentrop. Hinsichtlich des abgebrochenen Einbruchs bei Lejmels ermittle die Polizei nur wegen Hausfriedensbruch, weil der Täter noch nicht zum Einbruch ins Haus angesetzt hatte. Für ein solches minderschweres Delikt werde ein Richter aber das Foto nicht für eine Öffentlichkeitsfahndung zulassen.
Das sagt die Staatsanwaltschaft Dortmund
„Auch rechtswidrig erlangte Videoaufnahmen sind im Strafverfahren verwertbar“, erläutert Tobias Wendt, Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Dortmund, die für Fröndenberg zuständig ist.
Der BGH habe zuletzt 2021 geurteilt, dass selbst bei einem Verstoß gegen die DS-GVO das Foto- oder Filmmaterial für die Justiz nicht unverwertbar ist. Im Einzelfall müsse aber differenziert werden: So könnten illegal erstellte Fotos, die Menschen in ihrer Wohnung, also in ihrer Privatsphäre zeigen, auch unverwertbar sein.
Häufig würden Aufnahmen aus Überwachungskameras in Prozessen gegen Ladendiebe oder bei Sachbeschädigungen genutzt. Auch bei Gewaltdelikten auf Bahnsteigen oder Aufbrüchen von EC-Automaten spielten Videos eine große Rolle bei der Ermittlung der Täter. Auch Staatsanwalt Tobias Wendt stellt aber klar, was ein Tabu für Privataufnahmen sei: ein Fahndungsaufruf mit ihnen auf Facebook.