Ein gesprengter Geldautomat pro Tag Wie das Bargeld vor kriminellen Banden geschützt werden soll

Ein gesprengter Geldautomat pro Tag: Wie das Bargeld vor kriminellen Banden geschützt werden soll
Lesezeit

Mitte Mai konnte Nancy Faeser einen Erfolg verkünden. „Ich gratuliere allen beteiligten Behörden zu dem heutigen wichtigen Ermittlungserfolg“, sagte die Bundesinnenministerin (SPD) zu der Festnahme von fünf mutmaßlichen Geldautomatensprengern in den Niederlanden.

Durch eine gute Zusammenarbeit der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft, des Bundeskriminalamtes (BKA) und der niederländischen Polizei sei es gelungen, eine Bande zu stellen, die für insgesamt 22 Attacken auf Geldautomaten in Deutschland verantwortlich sein und dabei rund eine Million Euro erbeutet haben soll. „Wer Geldautomaten sprengt, riskiert das Leben von unbeteiligten Menschen. Der starke Anstieg der Fallzahlen von Geldautomatensprengungen und die häufige Nutzung hochgefährlicher Sprengstoffe kann unbeteiligte Dritte in Lebensgefahr bringen“, betonte die Innenministerin.

Durchschnittlich jeden Tag wird mindestens ein Geldautomat in Deutschland mit Sprengstoff attackiert. Mit fast 500 Sprengungen wurde im vergangenen Jahr sogar ein neuer Höchstwert erreicht. Das geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervor.

Bei den Angreifern besonders beliebt: Nordrhein-Westfalen. Dort können die Täter, oftmals aus Frankreich oder den Niederlanden kommend, schnell über die Landesgrenzen hinweg fliehen. „Die enge internationale polizeiliche Zusammenarbeit ist essenziell, um hochprofessionellen, international agierenden und gefährlichen Tätern das Handwerk zu legen“, betont Faeser.

Geldautomaten in Deutschland: pro 1500 Einwohner ein Gerät

Mit etwa 55.000 Geldautomaten ist Deutschland in Bezug auf die Bargeldversorgung flächendeckend breit aufgestellt. Auf 1500 Einwohner kommt hierzulande ein Geldautomat. Zum Vergleich: In den Niederlanden gibt es nur noch circa 800 Stück, also nur ein Gerät auf mehr als 20.000 Einwohner. Den Deutschen ist das Bargeld immer noch heilig, ein Segen für kriminelle Banden. Alleine 2021 erbeuteten sie fast 20 Millionen Euro. Kreditinstitute und das Bundesinnenministerium arbeiten unterdessen an Lösungen, um die Sprengstoffattacken zu stoppen.

So setzen Banken und Sparkassen bereits Sicherungssysteme ein, um die Geldscheine im Falle einer Sprengung nicht in die Hände der Diebe gelangen zu lassen. Dazu zählen aktuell zum Beispiel Vernebelungs- und Einfärbesysteme, welche bei Attacken auf das Gerät eine Nebelschwade ausstoßen oder die Geldscheine mit Farbe versehen, damit diese für die Angreifer unbrauchbar sind.

„Es ist seit Jahren das Ziel, durch geeignete präventive Maßnahmen Angriffen vorzubeugen und die Fallzahlen durch Sprengungen nachhaltig zu reduzieren“, sagt Cornelia Schulz von der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), der Interessenvertretung der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände. Im November des vergangenen Jahres haben haben die DK und das Innenministerium eine Zusammenarbeit vereinbart, um die Sicherheit der Bargeldversorgung zu stärken.

„Mit der gemeinsamen Erklärung signalisieren die Unterzeichner eine bundesweite Kräftebündelung bei der Bekämpfung dieses Kriminalitätsphänomens“, erklärt Schulz. Und diese sei dringend notwendig. Eine gesetzliche Verpflichtung an die Betreiber der Geldautomaten zum Einbau weiterer Sicherheitsmaßnahmen, zuletzt von Vertretern von Bund und Ländern gefordert, kritisieren die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft als unzureichend. „Ausschließlich an die Geldautomatenbetreiber gerichtete gesetzliche Verpflichtungen werden diese Form der Hochkriminalität nicht alleine bekämpfen können“, sagt die Sprecherin der DK.

Bundeskriminalamt: Zunehmende Detonationsstärke bereitet Sorge

Die Sicherung eines Geldautomaten sei ein höchst individueller Vorgang. „So macht es einen großen Unterschied, ob sich ein Geldautomat im Ankunftsterminal eines Flughafens, auf einem Parkplatz in einem Industriegebiet nahe der Autobahn oder in einem Wohnhaus befindet“, berichtet Cornelia Schulz. Jeder Standort berge unterschiedliche Risiken.

Die zunehmende Detonationsstärke bereitet auch dem BKA Sorge. „Im Jahr 2022 wurde der überwiegende Anteil der Taten mit Explosivsprengstoffen ausgeführt und ist so hoch wie nie zuvor. Damit geht eine größere Gefährdung für Anwohner, Passanten und unbeteiligte Dritte einher“, sagt ein Sprecher des BKA. Eine Option für die künftige Sicherung der Bargeldautomaten könnten Verklebesysteme sein. Aktuell gebe es in Deutschland jedoch keine zertifizierten Anlagen.

Die Betreiber lassen sich einiges einfallen, um der Automatensprengung vorzubeugen. In Mülheim an der Ruhr beispielsweise hat die Sparkasse einen neuen 22,5 Tonnen schweren Kasten aus Stahlbeton auf einem Supermarktparkplatz im Stadtteil Dümpten aufgestellt. Dabei handelt es sich um ein Gerät der neuesten Generation mit dem sechsfachen Gewicht des Vorgängermodells, das im März 2020 gesprengt wurde. „Das ist ein Bunker“, betont die Herstellerfirma. Selbst im Falle einer Sprengung halte die Hülle des Stahlkolosses der Detonation stand. Zwei weitere Kästen dieser Art seien bereits in Planung.

RND

Gesprengte Geldautomaten und andere Verbrechen: Die einzige Lösung: Das Bargeld muss weg

Hitzige Debatte um Bargeld-Aus : „Das könnt ihr versuchen, wenn die Alten verstorben sind“

Nachts vielerorts kein Zugang mehr zu Geldautomaten: Einschränkung für viele Kunden