Nach Missbrauchsvorwürfen gegen den 1991 gestorbenen Kardinal Franz Hengsbach berät das Essener Domkapitel in einer Sondersitzung über die Zukunft des Hengsbach-Denkmals vor dem Dom. Bei der Sitzung an diesem Freitag seien unter anderem rechtliche Fragen zu klären, sagte ein Bistumssprecher.
Betroffenenvertreter und die Reforminitiative Maria 2.0 hatten die Entfernung der überlebensgroßen Statue des Geistlichen gefordert. Missbrauchsopfer hatten am Vortag bei einer Mahnwache der Hengsbach-Skulptur demonstrativ die Augen mit einem Schal zugebunden. Die Statue der Bildhauerin Silke Rehberg war im Herbst 2011 enthüllt worden.
Die Bistümer Essen und Paderborn hatten am Dienstag mitgeteilt, dass "gravierende" Missbrauchsvorwürfe gegen Hengsbach vorlägen. Er soll unter anderem in seiner Zeit als Weihbischof in Paderborn eine damals 16-Jährige missbraucht haben. Außerdem wird er eines weiteren Übergriffs auf eine Frau 1967 in Essen beschuldigt. Das Domkapitel ist ein Priestergremium an einer Bischofskirche und rechtlich Eigentümer der Kirche und des Grundstücks.
Nach Angaben des Bistumssprechers vom Vorabend haben beide möglicherweise betroffene Frauen Anträge auf Anerkennung des Leids gestellt, die positiv beschieden wurden. In der Folge seien Zahlungen geleistet worden. Über die Höhe machte er keine Angaben. Mit einer Anerkennungszahlung ist kein juristischer Schuldnachweis verbunden, wie ein Sprecher der unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) betonte. Die Kommission entscheide nach Plausibilität und im Zweifel betroffenenfreundlich.
Bischof Overbeck wusste schon bei Enthüllung von Missbrauchsvorwürfen
Nach einem Bericht der "Welt" (Donnerstag) hat der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck bei der Enthüllung des Hengsbach-Denkmals im Oktober 2011 bereits von Missbrauchsvorwürfen gegen den Kardinal gewusst. "Bischof Overbeck hat Anfang August 2011 erfahren, dass es im Erzbistum Paderborn einen Missbrauchsverdacht gegen Kardinal Hengsbach gibt, der geprüft werde", zitiert die Zeitung einen Bistumssprecher. Auch über eine zweite Verdachtsmeldung gegen Hengsbach, die im Bistum Essen einging, sei Overbeck ebenfalls im August 2011 persönlich informiert worden.
Die Information aus Paderborn über Missbrauchsvorwürfe gegen Hengsbach - es war der Fall der 16-Jährigen - sei im August 2011 eingegangen, es habe sich damals aber um einen nicht verifizierten Vorwurf gehandelt. Zum Zeitpunkt der Denkmalenthüllung sei die Untersuchung in Paderborn noch nicht abgeschlossen gewesen, sagte der Bistumssprecher. "Das war ein laufender Prozess."
Von der zweiten Verdachtsmeldung gegen Hengsbach in Essen habe das Bistum indirekt über eine Behörde wegen einer Versorgungsangelegenheit erfahren. Versuche, mit dem Menschen Kontakt aufzunehmen, seien gescheitert. Erst drei Jahre später habe es ein Gespräch mit der Person gegeben, 2014 habe sie ihre Vorwürfe von sich aus zurückgenommen.
Dem Bischof habe vor der Denkmaleröffnung unter dem Strich ein Vorwurf in Prüfung und ein Hinweis völlig ohne Kontakt mit dem möglicherweise Betroffenen vorgelegen, sagte der Sprecher. Das habe aus damaliger Sicht nicht ausgereicht, die lange geplante Denkmaleröffnung abzusagen. Man habe abgewartet, bis man mehr weiß. "Aus heutiger Sicht hätte man es vielleicht anders beurteilt", sagte der Sprecher.
dpa
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