Hansi Flick saß nach seiner schwersten Niederlage als Trainer fassungslos und genervt auf dem Podium im weißen Medienzelt neben dem Chalifa-Stadion. Die Szenerie erinnerte fatal an seinen Vorgänger Joachim Löw nach dem Auftakt-Schock gegen Mexiko beim historischen WM-Vorrundenaus der Fußball-Nationalmannschaft 2018 in Russland. Nach einem frustrierenden und selbst verschuldeten 1:2 (1:0) gegen Japan könnte auch das umstrittene Katar-Turnier für die selbst ernannten deutschen Titeljäger ganz schnell vorbei sein. Das zweite Gruppenspiel am Sonntag gegen Angstgegner Spanien hat bereits Endspielcharakter. Unvergessen ist das 0:6 unter Löw in der Nations League Ende 2020.
Bundestrainer Flick stellt die Charakterfrage
„Es war ein undenkbar schlechter Start von uns, eine brutale Enttäuschung“, sagte Flick, der trotzig anmerkte: „Ich war 2018 nicht dabei. Das interessiert mich nicht. Ich blicke nach vorne. Wir müssen gegen Spanien unsere Chancen nutzen, um in die Playoffs zu kommen. Wir haben die Qualität dazu.“ Der 57-Jährige stellte am Mittwochabend die Charakterfrage in den Raum: „Wir stehen unter Druck. Das haben wir uns selbst eingebrockt. Wir müssen Charakter zeigen.“ Kapitän Manuel Neuer sprach von einer „Katastrophe“, Thomas Müller als anderer deutscher WM-Veteran von einem „Horror-Szenario“.
Fast 70 Minuten lang ging Flicks Plan zum Turniereinstieg auf, bis nach einem fahrlässigen Chancenwucher zwei Joker-Tore der Japaner durch den Freiburger Ritsu Doan (75. Minute) und den Bochumer Takuma Asano (83.) zum Untergang führten. Das Elfmetertor von Ilkay Gündogan (33.) war zu wenig. Und nach dem Schock-Spiel folgten Selbstanklagen. „Ich bin frustriert und verärgert. Für mich ist es schwer zu verstehen, wie wir das aus der Hand gegeben haben“, sagte Neuer, der am Ende in der deutschen Defensivauflösung als Torwart alleine den abschließenden Japanern ausgeliefert war. „Es ist aberwitzig, dass wir hier mit einer Niederlage dastehen. Wir müssen uns die mangelnde Effizienz ganz klar vorwerfen“, meinte Müller. Joshua Kimmich sprach an, was ganz schnell besser werden muss: „Wir müssen abgezockter werden, dann fahren wir die drei Punkte locker ein. Wir kassieren aus drei Chancen zwei Tore.“
Gündogan übt deutliche Kritik
Torschütze Gündogan, der selbst bei einem Pfostenschuss das 2:0 verpasst hatte, klagte aber auch Teamkollegen an, ohne Namen zu nennen. Er bemängelte zu viele lange Bälle und unterstellte, dass einige Spieler den Ball nicht mehr hätten haben wollen. Vor allem das zweite Gegentor, bei dem Nico Schlotterbeck Torschütze Asano nach einem Freistoß der Japaner aus der eigenen Hälfte machtlos hinterherrannte, erzürnte den beim Stand von 1:0 ausgewechselten Routinier: „Ich weiß nicht, ob jemals bei einer WM ein einfacheres Tor erzielt wurde.“ Flick gestand Gündogan als Führungsspieler die harsche Kritik in der Pressekonferenz zu. Die individuellen Fehler gelte es umgehend „abzustellen“.
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