
© Christian Schwerdtfeger
Deutsche stürmen „Böllerladen“ in Belgien
Silvester
Wegen des Verkaufsverbotes von Pyrotechnik fahren Deutsche aus dem ganzen Bundesgebiet nach Belgien, um Silvesterfeuerwerk zu kaufen. Ein Besuch in einem Geschäft kurz hinter der Grenze.
Als Albert Tychon am frühen Dienstagmorgen sein Geschäft im belgischen Kelmis aufschließt, stehen bereits 25 Personen vor der Tür. Es sind Deutsche, die gekommen sind, um Raketen und Böller für Silvester zu kaufen. „Der Andrang ist unglaublich. So etwas habe ich in meinen 30 Jahren, in denen ich im Geschäft bin, nicht erlebt“, sagt er.
Der Parkplatz vor seinem Laden und die anliegenden Straßen sind voller Autos mit deutschen Kennzeichen; sie kommen aus der ganzen Bundesrepublik. Man sieht Kennzeichen aus Offenbach, Dachau und viele aus NRW. „Sie kommen aus Hannover und Dresden – von überall her. Sie rufen mich während der Fahrt an und sagen, dass sie unterwegs zu mir sind und in drei, fünf oder sechs Stunden da sein werden“, berichtet Tychon: „Sie bitten mich dann, genügend Pyrotechnik für sie zurückzuhalten.“
Das bundesweite Verkaufsverbot für Pyrotechnik in Deutschland, das am Dienstag vom Verwaltungsgericht Berlin bestätigt worden ist, sorgt dafür, dass viele ihr Feuerwerk in Belgien kaufen. Dort ist es nach wie vor frei verkäuflich. Ein Großteil der Käufer fährt dafür nach Kelmis, eine 11.000-Einwohner-Gemeinde in der belgischen Provinz Lüttich, elf Kilometer vom Grenzübergang Lichtenbroich gelegen. „Man kann sagen, dass wir das Geschäft unseres Lebens machen“, sagt einer von Tychons Mitarbeitern.
Online-Verkauf wegen hoher Nachfrage gestoppt
Die Nachfrage ist so groß, dass Tychon den Online-Verkauf stoppen musste. „Das war nicht mehr machbar. Seit Tagen hatten wir darüber täglich Hunderte Bestellungen“, sagt Verkäufer Kevi n Bindels. Gefragt seien in diesem Jahr vor allem Batterien mit 150 bis 200 Schuss, sagt er. „Die Deutschen wollen zu den Batterien auch immer Raketen haben. Das ist typisch deutsch. Wir Belgier sind nicht so für die Raketen, weil das Anzünden zu mühsam ist.“
Im Geschäft stehen die Kunden den ganzen Tag über in langen Warteschlangen vor den Verkaufsschaltern. Sven ist aus Dortmund gekommen und steht am Dienstagmittag schon seit 30 Minuten an – und mindestens so lange muss er noch warten, bis er an der Reihe ist: „Ich habe im Internet gelesen, dass man hier Knaller kaufen kann. Darum bin ich hier. Ich will aufs Feuerwerk nicht verzichten.“
Viele sind aus Aachen, dem Ruhrgebiet, Köln und Düsseldorf gekommen. Maik ist aus Gelsenkirchen angereist. Er steht mit vollgepackten Tüten vor dem Geschäft und wünscht jedem viel Glück und Durchhaltevermögen, der an ihm vorbeigeht. „Das Warten ist schon nervig. Das habe ich auch noch nie so erlebt“, sagt der Gelsenkirchener. „Aber es hat sich ja gelohnt“, sagt er mit Blick in seine große Tüte.
Alle Kunden scheinen Zeit mitgebracht zu haben. Niemand drängelt, alle warten geduldig, bis sie dran sind. Währenddessen können sie in einer Liste, die sie später dem Verkäufer geben, ankreuzen, welche Raketen und Böller sie haben wollen. Für 100 Euro gibt es zum Beispiel den „Donnerschlag“, für 45 Euro eine „Enigma“ und für 120 Euro den „Kraftblitz“; insgesamt umfasst die Liste 130 Feuerwerksartikel. „Wir haben einen guten Lieferanten, der täglich mehrfach Nachschub bringt“, sagt Tychon. Einige Kunden würden viel Geld ausgeben: „Manche zahlen 1000 Euro für die Sachen, die sie haben wollen.“
Belgische Pyrotechnik darf in Deutschland gezündet werden
Die in Belgien gekaufte Pyrotechnik darf in Deutschland gezündet werden; auch wer noch Reste von 2020 hat, darf diese abbrennen – aber nicht überall. An belebten Straßen und Plätzen ist dies untersagt; in einigen Städten wie Düsseldorf gibt es entsprechende Verbotszonen.
Der Zoll stellt in den Tagen und Wochen vor Silvester bei Einreisenden immer wieder illegale Pytrotechnik sicher. Im Sprengstoffrecht werden pyrotechnische Artikel ihrer Gefährlichkeit nach in Kategorien eingeteilt. Für Feuerwerkskörper gelten in Deutschland die Kategorien F1 (Kleinstfeuerwerke) bis F4 (Großfeuerwerke). Unter F2 (Kleinfeuerwerke) fallen in der Regel die Raketen, Batterien und Böller, die die Deutschen jetzt in Belgien kaufen. Laut Zoll dürfen Privatpersonen ab 18 Jahren sie nach Deutschland einführen.
Schon seit Tagen kommen die Deutschen massenhaft in Tychons Geschäft. „Ich habe deswegen auch jeden Tag so zwei Stunden länger geöffnet. Ich kann erst schließen, wenn die Warteschlange abgearbeitet ist“, sagt er.