Noch bevor die ersten modernen Kampfpanzer aus dem Westen in der Ukraine eingetroffen sind, hat Russland mit der neuen Großoffensive gegen die Ukraine begonnen. „Die Realität ist, dass wir bereits den Beginn sehen“, sagte Stoltenberg am Montag bei einer Pressekonferenz in Brüssel. Auch der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius verwies darauf, dass eine Offensive offenbar bereits begonnen habe.
Diese Einschätzung teilt auch Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer. Im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) erklärt Reisner, dass bereits vor einigen Tagen die Vorbereitungsphase der Russen begonnen habe. Es gebe klare Indikatoren dafür, dass Russland seit Anfang Februar damit begonnen habe, an mehreren Abschnitten entlang der Front Druck auszuüben. „Entlang der gesamten Frontlinie haben die Russen mit kleinen Vorstößen sondiert, wo die Schwachstellen der Ukrainer sind“, sagte der Militärexperte.
Dass die Russen bisher nicht offiziell bestätigt haben, eine neue Offensive in der Ukraine begonnen zu haben, überrascht Reisner nicht. Würden die russischen Streitkräfte den Beginn einer neuen Offensive verkünden, stünden sie unter Erfolgsdruck. „Deshalb beginnen sie die Offensive im Verborgenen“, so Reisner. Erzielt die russische Armee dann einen Durchbruch, kann sie dies als Ergebnis einer neuen Offensive darstellen. Gelingt ihr jedoch kein Durchbruch, können die Russen behaupten, dass die Offensive noch gar nicht begonnen habe. „Im Moment kann man davon ausgehen, dass Russland circa 400.000 Soldaten im Einsatz hat“, sagt Reisner dem RND. Das Doppelte wie im Februar 2022.
Russland startet Offensive in der Ostukraine
Die russischen Streitkräfte versuchen laut Militärexperte Reisner vor allem an der Front in der Region Donezk vorzustoßen. Kämpfe gibt es zum Beispiel in den Städten Wuhledar und Bachmut. In der Donbass-Region Luhansk gebe es russische Vorstöße nördlich von Kreminna. „Es kommt dabei vor allem zu massiven Artillerieangriffen und Vorstößen von Kompanie- und Bataillonskampfgruppen.“
Laut der Financial Times sind die russischen Artillerieschläge mit bis zu 100 Angriffen pro Tag auf dem höchsten Stand seit letztem Sommer. Laut westlichen Geheimdiensten positioniere Russland Kampfflugzeuge, Bomber und Hubschrauber, um möglicherweise eine Landoffensive aus der Luft zu unterstützen. In Woronesch und Kursk nahe der nordöstlichen Grenze der Ukraine soll Russland neue Feldlager der Armee errichtet haben. „Wir glauben, dass diese Lager Reservisten beherbergen, und dies ist der erste Beweis, der ihren Einsatz näher an der Frontlinie bestätigt“, sagte Militärexperte Konrad Muzyka. Er rechnet damit, dass die Reservisten bald in die Ukraine verlegt werden. „Daher wird das Tempo der Angriffe zunehmen.“
Beobachter gehen davon aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin rund um den Jahrestag des Krieges am 24. Februar eine Großoffensive durchführen wird. Ziel dabei ist vor allem die vollständige Eroberung von Donezk und Luhansk. Der Kreml steht unter Zeitdruck und will möglichst viel Land vor dem Eintreffen der ersten westlichen Kampfpanzer erobern. Westliche Waffen, die wie der Leopard 2 einen Unterschied im Gefecht ausmachen können, dürften frühestens Anfang April an der Front zum Einsatz kommen. In welcher Stückzahl ist noch immer nicht klar, viele werden es aber offenbar zunächst noch nicht sein.
„Wladimir Putin versucht nun verzweifelt zu demonstrieren, dass seine Invasion wieder auf Kurs ist“, sagt Peter Dickinson vom Atlantic Council. Die Vorzeichen sind seiner Einschätzung jedoch alles andere als gut. „Tausende russische Soldaten, darunter Elitemarinesoldaten und Spezialeinheiten, sollen Ende Januar und Anfang Februar bei einem missglückten Versuch, die Stadt Wuhledar in der Ostukraine zu stürmen, getötet worden sein.“ Der britische Militärgeheimdienst sprach von der „höchsten Zahl russischer Opfer seit der ersten Woche des Kriegs“. Russland setzt nun auf viele Soldaten, die erst im vergangenen Jahr mobilisiert wurden und über keine hohe Kampfmoral verfügen. Die Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin könnte laut Dickinson eine der größten Herausforderungen für die russische Armee werden.
Oberst Reisner warnt jedoch davor, die russische Armee zu unterschätzen. „Es gibt zwar massive Defizite, wie bei der Moral der Truppe und den modernen Waffen. Aber die Russen haben immer noch die Faktoren Masse und Zeit auf ihrer Seite.“
RND
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