Der Barbier als Dämon Halloween-Schocker „Sweeny Todd“ im Dortmunder Opernhaus

Der Barbier als Dämon
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Bislang waren „Wicked“ oder „Frankenstein“ die Musicals, die der perfekte Bühnengrusel für Halloween waren. Dortmund hat seit Samstag ein Horror-Musical, das auch Totgesagte lebendig macht und in dem wie am Fließband gemordet wird: „Sweeny Todd“. Riesenjubel im ausverkauften Haus für den Musical-Thriller von Stephen Sondheim aus dem Jahr 1979, der drei Jahre nach dem Tod des Komponisten Kult in den Theatern geworden ist.

Was würde Dortmund wohl ohne Gil Mehmert machen, den Regisseur aller Musicals im Opernhaus in den vergangenen Jahren, der jede Produktion zum Ereignis macht? Seine Inszenierung der Geschichte vom teuflischen Barbier aus der Fleet Street übertrifft die Verfilmung von 2007 bei Weitem.

Sweeny Todd an der Seite von Mrs. Lovett
Morgan Moody ist Sweeny Todd an der Seite von Mrs. Lovett. Ein teuflischer Barbier auf Rachefeldzug. © Hickmann

In Rückblenden erzählt das Musical zu Beginn die Geschichte des Barbiers Benjamin Barker, dem der Richter (Andreas Laurenz Maier) die Frau ausgespannt, die gemeinsame Tochter (Musical-Engelsstimme: Harriet Jones) aufgenommen und den Barbier nach Australien verbannt hat. 15 Jahre später kehrt Benjamin als Sweeny Todd zurück und geht auf einen blutigen Rachefeldzug. Dabei macht er gemeinsame Sache mit Pastetenbäckerin Mrs. Lovett. Sie dreht alle, die Sweeny mit dem Rasiermesser absticht, durch den Fleischwolf.

Mehmert inszeniert wieder in einem schnell verwandelbaren Kasten, der rauf und runter fährt. Unten links ist die Wohnung des Richters, daneben Mrs. Lovetts Pasteten-Geschäft, wahlweise auch der Backofen mit Riesentür. Und auf dem Dach Sweenys Barbiersalon – mit Fallklappe für die Ermordeten. Durch die schnellen Wechsel der Bühne (Jens Kilian) bekommt der Dreistünder viel Tempo. Bei den Kostümen (Falk Bauer) vermittelt in Dortmund in dieser Saison (wie schon in „La Traviata“) Schwarz, Weiß, Rot die Atmosphäre des 19. Jahrhunderts.

Fantastische Hauptdarsteller

Und was hat Dortmund für fantastische Hauptdarsteller. Morgan Moody ist als Sweeny ein Dämon – eiskalt, aber auch verschmitzt. Dieser Barbier ist offenbar die Rolle seines Lebens; der Kammersänger hat in Dortmund schon viel gesungen, aber dieser Sweeny ist überragend.

Bettina Mönch ist eine ebenso großartige Mrs. Lovett: sehr agil, mit viel schwarzem britischem Humor ausgestattet. Und Jonas Hein ist ein hervorragender lyrischer junger Seemann, der um Johanna wirbt. Die kleinen skurrilen Nebenrollen des Pirelli und Mr. Fogg sind mit Fritz Steinbacher wunderbar besetzt.

Zirpen wie in „Psycho“

Sondheims Musical ist durchkomponiert, enthält kaum gesprochene Texte, und mit „Johanna“ nur einen richtigen Ohrwurm. Aber es ist eine zündende Musik, die die tragische Geschichte mit viel Humor würzt; so sprüht das Duett zwischen Sweeny und Mrs. Lovett, in dem beide kulinarische Fantasien verhandeln, nur so vor Witz und Fantasie. Und die Bettlerin (ganz stark: Nina Janke) ist eine wunderbar skurrile Figur, die an eine „Wicked“-Hexe erinnert und am Schluss ganz wichtig wird.

Die Dortmunder Philharmoniker stellen unter Leitung von Koji Ishizaka auch Anklänge aus Horrorfilmen („Psycho“) heraus. Aber Stephen Sondheim ist nicht nur ein brillanter Komponist, sondern auch ein begnadeter Texter (der Amerikaner hat auch die Texte zu Bernsteins „West Side Story“ geschrieben). Gesungen wird zwar auf Deutsch; zuweilen wären Übertitel schön gewesen. Dieser „Sweeny“ wird ganz sicher Kult: schaurig schön, unbedingt anschauen.

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Weitere Aufführungen

Termine: 18. / 27. 10., 2. / 10. / 15. / 30. 11., 6. / 27. / 30. 12. 2024, 5. / 11. / 25. 1., 15. 2., 14. / 20. / 30. 3., 3. / 13. / 21. 4. 2025; Karten: Tel. (0231) 502 72 22 oder www.theaterdo.de

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