Ein Haus, das unter Denkmalschutz steht - für manche junge Familie, die eigene vier Wände sucht, ist das kein Weg. Zu teuer im Unterhalt, zu viele Auflagen, zu viel Bürokratie, nein danke, heißt es dann. Und es stimmt schon: „Wer ein solches Haus erwirbt, auf den kommt einiges zu“, sagt Rainer Schwarma. Dennoch: „Denkmalschutz ist Herzenssache“, schwärmt der 68-jährige Marler, der sein Heim in der Bereitschaftssiedlung gegen kein anderes eintauschen möchte.
Schwachstellen müssen bekannt sein
Im Jahr 2002 hatte der Industriemeister, der 1970 bei den Chemischen Werken Hüls anfing und dem Werk fast 50 Jahre lang die Treue hielt, das Reihenendhaus erworben. Für ihn konnte die Immobilie aus dem Jahr 1938 keine bösen Überraschungen mehr bereithalten. „Ich hatte mit Frau und drei Kindern hier schon viele Jahre als Mieter gewohnt, ich kannte alle Schwachstellen und wusste genau, was auf mich zukommt.“
Eigenleistung ist ein wichtiger Faktor
„Wer ein altes Haus kauft und aufs Geld achten muss, sollte keine zwei linken Hände haben“, sagt Rainer Schwarma, der als Eigentümer teils in Eigenleistung das Dach erneuern ließ, die alten Wasserleitungen ersetzte, die Heizung modernisierte, die alten Elektroleitungen komplett herausriss, neue Fenster und neue Bäder einbaute sowie die historischen Holzfußböden abschliff und wachste.

Worauf bezieht sich der Denkmalschutz?
2002 wurde die Bereitschaftssiedlung unter Denkmalschutz gestellt. So sollte zumindest äußerlich der einheitliche Charakter der Häuser erhalten werden, die ursprünglich ausschließlich als Wohnraum für die Arbeiter und Angestellten der Chemischen Werke Hüls dienten. Der Denkmalschutz hier bezieht sich also nur auf Vorgartengestaltung, Dach und Fassade. Das vereinfacht die Sache etwas.
Kontakt zur Denkmalbehörde wichtig
Was Denkmalschutz für den Eigentümer bedeutet, erläutert Rainer Schwarma an drei Beispielen. „Weil ich das Dach neue decken und besser isolieren wollte, habe ich mir von der Denkmalbehörde der Stadt zunächst erklären lassen, was geht und was nicht“, so Schwarma: „Dann habe ich bei Handwerksbetrieben Kostenvoranschläge eingeholt und dem Amt vorgelegt. Schließlich kam ein Mitarbeiter des Amtes heraus und machte Fotos. Dann begann das Warten.“

Dacherneuerung wird teuer
Nach einem halben Jahr kam die Genehmigung. Wesentliche Vorgabe: Das Dach muss wieder mit Biberschwanzziegeln gedeckt werden. „20.000 Euro habe ich damals bezahlt, das war viel Geld, einfache Pfannen wären nicht einmal halb so teuer gewesen“, erinnert sich Schwarma: Immerhin: Beglaubigt das Denkmalamt die Aufwendungen, kann man sie steuerlich geltend machen.
Behörde blockt Ideen ab
Zweites Beispiel Fenster: Die Erneuerung war ein echter Kampf“, so der Marler Rentner: „Original wären Sprossenfenster gewesen, wie es sie in vielen Bauten der Bereitschaftssiedlung noch gibt, aber in unserem Reihenhausblock befanden sich schon normale Fenster aus der Zeit vor dem Denkmalschutz. Das Amt forderte ein einheitliches Bild, also konnte ich mich trotz aller Mühen mit meinen Sprossen nicht durchsetzen.“

Bewilligungsprozess dauert 18 Monate
Drittes Beispiel: Die Außenfarbe. „Für den Fassadenanstrich müssen Farben verwendet werden, die der Originalfarbe möglichst nahekommen“, so Schwarma: „Ich habe einen entsprechenden Antrag gestellt, erste Vorschläge wurden vom Amt abgelehnt, Schreiben gingen hin und her, schließlich kam ein Denkmalschützer aus Münster und entnahm sogar Putzproben bei mir. Insgesamt hat der Bewilligungsprozess für den Außenanstrich 18 Monate gedauert.“
Ein altes Haus - ideal für die junge Familie
Denkmalschutz setzt die Bereitschaft der Eigentümer voraus, zu investieren. „Gerade neue Nachbarn stecken viel Herzblut in ihre Immobilien“, weiß Rainer Schwarma: „Junge Familien genießen den Zusammenhalt in dieser historischen Siedlung. Die vielen Zimmer, die großen Gärten sind für Kinder ideal, es gibt Nachbarschaftsfeste, so entsteht Heimat.“ Auch Rainer Schwarmas Lebensgefährtin Heike Augst genießt das Leben in der Bereitschaftssiedlung: „Das ist hier wie ein Dorf, jeder kennt jeden und der Denkmalschutz verleiht der Siedlung einen ganz besonderen Charme.“

Die Häuser sind begehrt
Auch finanziell bereut Schwarma den Kauf nicht: „Ich habe damals 118.000 Euro für das Haus bezahlt und 90.000 Euro in die Renovierung gesteckt, aber heute würde ich mein Heim sicher nicht unter 250.000 Euro verkaufen.“ Und: „Die Häuser, die hier in der Siedlung zum Verkauf stehen, sind begehrt, die gehen meist unter der Hand weg und erscheinen in keinem Immobilienportal.“

Offene Fragen bei Wärmepumpe und Solaranlage
Allerdings gibt es für die Zukunft viele offene Fragen. „Wir heizen hier mit Fernwärme, für die im Chemiepark Kohle und Gas verbrannt werden“, sagt Schwarma: Das Haus ist gut isoliert, wir haben es warm, aber ob wir auf eine klimaneutrale Wärmepumpe umstellen könnten, müsste ein Antrag beim Denkmalamt klären.“ Klar ist: Auf der Straßenseite darf das Außengerät sicher nicht stehen. Unklar ist, unter welchen Umständen eine Photovoltaikanlage auf der effektiven Südwestseite des Biberschwanzziegeldachs genehmigt werden könnte.
Gutachter sollte vor Kauf das Objekt besichtigen
Rainer Schwarma rät deshalb besonders jungen Familien, die sich für ein denkmalgeschütztes Haus interessieren, zur Umsicht. „Bei der Hausbesichtigung sollte unbedingt ein professioneller Gutachter dabei sein, der die Tücken im Objekt sieht, auch ein Bankberater vor Ort kann den verlangten Kaufpreis dann sicher besser einschätzen als der Käufer selbst.“
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