Michael Melchisedech ist Dattelns erste männliche Hebamme „Freude über neues Leben unbezahlbar“

Michael Melchisedech ist Hebamme: „Hingabe und Liebe sind unbezahlbar“
Lesezeit

Wenn man mit Michael Melchisedech über seinen Beruf spricht, merkt man eines sofort: Er brennt dafür. „Ja, ich habe meinen Traumberuf gefunden“, sagt der 39-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Dabei ist der Job, den der gebürtige Kölner ausübt, mehr als außergewöhnlich - für einen Mann. Er ist die erste männliche Hebamme in der Geburtshilfe des Dattelner Vincenz-Krankenhauses. Und er fühlt sich im Kreise seiner 23 Kolleginnen, die wie er als freiberufliche Dienst-Beleghebammen arbeiten, pudelwohl. Ein bisschen ist das für ihn wie der berühmte Hahn im Korb. „Das ist schon schön“, lacht der 39-Jährige.

Den Job machen bundesweit rund 30 Männer

Dabei braucht er lange, um sich für diesen Beruf zu entscheiden, den in Deutschland seines Wissens nach nur rund 30 Männer ausüben. „Ich wollte nach dem Abitur gerne im medizinischen Bereich arbeiten, vielleicht als Krankenpfleger. Aber meine Eltern meinten, ich sollte was Kaufmännisches machen“, blickt Michael Melchisedech zurück. Also lernte er Reiseverkehrskaufmann, arbeitete 15 Jahre lang im Reisebüro in Köln. Dann wechselte er in die gastronomische Selbstständigkeit und betrieb in Köln ein Café. „Ich wusste aber immer, das mit dem Reisebüro oder der Gastronomie, das ist nicht meine Endstation.“

„Ich habe mich sofort in das Haus verliebt“

So sattelt er um, beginnt in Bochum mit der Ausbildung zur Hebamme. Im zweiten Ausbildungsjahr kann er sich für ein Zweithaus entscheiden, wählt das St. Vincenz in Datteln. „Ich hatte gehört, dass hier die Hebammen freiberuflich arbeiten und dass die Geburtshilfe mit ihren vielen zusätzlichen Angeboten hier einen besonderen Stellenwert hat. Ich habe mich sofort in das Haus verliebt“, erzählt der 39-Jährige. Auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen im St. Vincenz, Hebammen, Pflegepersonal und Ärzteschaft, ist für Michael Melchisedech ein echter Pluspunkt. „Hier begegnen sich alle auf Augenhöhe.“

Dass er sich nach vielen Berufsjahren dazu entscheidet, Hebamme zu werden, das verdankt er langen und intensiven Gesprächen in seinem Café in Köln mit einer Kundin. Sie ist Hausgeburts-Hebamme in Köln und sagte zu ihm: „Michael, ich glaube, das wäre was für dich.“ Und bot ihm ein Praktikum an. „Das hat bei mir das Feuer entfacht“, beschreibt er seine damalige Gefühlswelt. Er erlebt seine erste Geburt live mit. „Bis dahin wusste ich nur theoretisch, wie das abläuft. Ich war fasziniert von der Hingabe und der Liebe, die bei einer Geburt im Spiel sind, wie sich eine Frau unter der Geburt verändert. Die Freude über neues Leben und natürlich der erste Schrei des Kindes nach der Geburt, das alles ist einfach unbezahlbar“, erzählt Michael Melchisedech. Das galt damals und gilt auch heute für ihn. Rund 350 Geburten hat er als männliche Hebamme in Datteln schon geleitet.

Es gab auch kritische Stimmen

Als er seine Ausbildung in Bochum beginnt, ist das nicht nur für ihn Neuland. Es habe schon kritische Stimmen gegeben - ein Mann als Hebamme? „Aber das war wie so oft eher die Sorge vor etwas Unbekanntem, etwas Neuem“, erzählt Michael Melchisedech. Aber das sei in Datteln komplett anders gewesen, er wurde sofort herzlich aufgenommen. Von Ablehnung keine Spur.

Und wie reagieren Frauen, wenn ihnen ein Mann bei der Geburt des Kindes hilft? „Fünf Mal habe ich es erlebt, dass ich nicht erwünscht war.“ Aber es seien weniger die Frauen gewesen, die einfach nur glücklich sind, dass eine Hebamme sie bei der Geburt begleitet und unterstützt. Es seien eher die Männer gewesen, die ablehnend reagiert haben. Aber damit hat Michael Melchisedech kein Problem. Es wurde dann eine Kollegin gerufen, die weitergemacht hat.

Michael Melchisedech sitzt mit seinen Kolleginnen im Kreißsaal des St.-Vincenz-Krankenhauses in Datteln.
Hahn im Korb: Michael Melchisedech fühlt sich im Kreißsaal-Team pudelwohl. Links neben der männlichen Hebamme steht die Chefärztin der Geburtshilfe, Dr. Maike Manz. © Uwe Wallkötter

Der 39-Jährige ist erklärter Freund einer natürlichen Geburt. Der Großteil der Frauen bringt im St. Vincenz so auch die Kinder zur Welt. Aber für Michael Melchisedech ist es ein gutes Gefühl, zu wissen, dass er in einem Level-1-Perinatalzentrum arbeitet, Tür an Tür mit den Experten, wenn Komplikationen auftauchen.

Viel Freude, aber auch Schattenseiten

Eine Geburt ist ihm in Datteln in besonderer Erinnerung geblieben. Er war damals noch in der Ausbildung. „Es war ein Paar aus Waltrop. Wir haben uns super verstanden. Und als sie ihr zweites Kind bekamen, haben sie mich gefragt, ob ich als Hebamme auch ihr zweites Baby auf die Welt holen möchte.“ Solche Gesten sind für den 39-Jährigen auch Bestätigung für seine Arbeit, das geht ihm ans Herz. Aber es gibt auch die Schattenseiten in seinem Beruf: wenn Kinder tot zur Welt kommen. Sternenkinder. „Das gehört in meinem Beruf dazu. Das ist schon eine besondere Herausforderung, mit den Eltern zu leiden und zu trauern.“ Aber die Freude in seinem Beruf überwiegt. „Das will ich bis zum Ende machen.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 25. Juni 2024.