
© Roland Baege
Das Studio 54 glitzert im U-Turm
Nachtclub im U
Eine sensationelle Multimedia-Ausstellung in Dortmund erinnert an den legendären New Yorker Nachtclub. Dessen Wiederauferstehung mit Musik, Licht und Mode muss man einfach erleben.
Der Besucher kommt in die sechste Etage des Dortmunder U-Turms – und ist überwältigt. Die Discomusik pulsiert, die Wände glitzern, Schaufensterpuppen tragen extravagante Kleider und Anzüge. Reitet gleich Bianca Jagger auf ihrem Schimmel ins Studio 54 hinein? Nein, leider nicht. Aber ein Foto erzählt davon, und wer möchte, kann gleich nebenan ein Selfie von der Szene machen.
Licht aus und Spot an
Licht aus, Spot an. Die Ausstellung „Studio 54: Night Magic“ ist ab Samstag (26.6.) im Dortmunder U zu sehen. Ein rauschhaftes Erlebnis. Szenografie nennt man die Kunst, Exponate in Szene zu setzen. Diese Kunst beherrschen Matthew Yokobosky, Kurator des Brooklyn-Museums in New York, und die Kuratorin des Dortmunder U-Turms, Christina Danick, perfekt.

Matthew Yokobosky hat das Disco-Feeling. © Roland Baege
Beide haben die Räume mit Video-, Musik- und Lichtinstallationen überzogen. Alles wirkt wild und kreativ, einige Wände wurden mit Glitzer-Farbe gestrichen. So feiert der legendäre Nachtclub an der 54. Straße in Manhattan, der nur 33 Monate zwischen 1977 und 1980 von sich reden machte, eine lustvolle Wiederauferstehung. Das Disco-Feeling der 1970er Jahre ist hier wie neu.

Die vielleicht berühmteste Szene: Bianca Jagger ritt 1977 anlässlich ihres Geburtstages auf einem Pferd in den Nachtclub. © Rose Hartman
Dafür hatte Yokobosky 100 Menschen interviewt. Er ergatterte in zwei Jahren 450 Exponate wie schwarzes Konfetti oder spektakuläre Glitzer-Kleider des Designern Halston, dem Netflix gerade eine Serie widmet. Auf Fotos ist zu erkennen, wie Liza Minnelli eines der Modelle mit Dekolletee bis zur Taille trägt. Ein Hingucker ist auch ein goldener Muschel-BH, den Calliope Nicholas ausgeliehen hat.
Oben und unten ohne
Im Hintergrund mixt ein Barmann die Drinks, er ist oben ohne. Aber auch „unten ohne“ war ein Weg, durch die streng bewachte Tür ins hedonistische Paradies zu gelangen. Andy Warhol sagte über das Studio 54: „Es ist eine Diktatur an der Tür und eine Demokratie auf der Tanzfläche.“ Das ist an der Ausstellung so beeindruckend und aktuell: Der Club feierte die freie Liebe. Das Geschlecht spielt hier keine Rolle, nur die Fantasie.

Grace Jones und Andy Warhol waren Stammgäste im Studio 54. © Ron Galella
Auf Gästelisten stehen Namen wie Calvin Klein, Cher, Diana Ross, Kenzo, Ives Saint Laurent. Elizabeth Taylor hatte ihre beste Zeit hinter sich, feierte aber im Studio 54 Geburtstag. In einem Film ist Michael Jackson zu sehen, der sich damals noch nicht hatte operieren lassen.
Mode-Fans werden die futuristischen Stoffe lieben, etwa die transparenten Jeans. Die tollsten Klamotten sind die von Richard Gallo – ein rot-blauer Anzug wurde nachgeschneidert –, der die Tanzfläche mit seinem Performances belebte. Eine Ecke zum Thema Drogen gibt es auch.

Richard Gallo (1946-2017) war ein Performance-Künstler, dessen spektakulärer Look für die Schau nachgeschneidert worden ist. © Jäger
Die Videos der sich ekstatisch bewegenden Menge und die drei Tanzflächen im U-Turm sind das Tüpfelchen auf dem i. Mittanzen ist erlaubt. 1980 gaben die Clubgründer Steve Rubell und Ian Schrager den legendären Kult-Laden auf.
Eine Million Euro teuer
Eine Million Euro kostet die Gast-Ausstellung aus den USA. Ein finanzielles Desaster wie bei der Pink-Floyd-Schau 2018 sei diesmal nicht zu erwarten, versprach Kulturdezernent Jörg Stüdemann („Ich habe selbst eine Karriere als Türsteher“). Man erwarte rund 10.000 Menschen wie bei einer normalen Ausstellung – und das auch nur, falls die Pandemie mitspielt.
Kultur ist eine Reise ins Abenteuer, und ich verstehe mich als Ihr Reiseführer. Welche Ausstellung in der Region ist super? Vor welchem Theaterstück muss ich warnen? Da nützt ein Magisterabschluss in Germanistik und Kunstgeschichte von der Ruhr-Uni Bochum nur bedingt. Mir hilft mehr, dass ich seit 1990 Journalistin und ein 1963 in Essen geborener Ruhrgebiets-Fan bin. Mein Ziel: Dass Sie mit unseren Tipps ihre Freizeit gut gestalten.
