So hat der Tempel von Karnak vielleicht vor 4000 Jahren ausgesehen. Feuerschalen brennen in der Nacht. Die gigantischen Säulen sind bunt bemalt. Über eine Treppe nähern sich die Gläubigen einer Götterstatue. Das ist nur einer der vielen Gänsehaut-Momente im neuen Programm des Phoenix des Lumières, der digitalen Kunsthalle in Dortmund. „Im Reich der Pharaonen – Eine immersive Reise ins Alte Ägypten“ ist ab diesem Freitag (24.1.25) zu sehen.

Kooperation mit Firma Ubisoft
Aber wer hat die Szene so gut erfunden? Die Computerspiel-Schmiede Ubisoft aus Paris war´s. Der Tempel kommt in einem ihrer „Assassin´s-Creed-Spiele (übersetzt „Credo des Assassinen“) vor. „Wir nutzen eine pädagogische Version ohne die Gaming-Elemente“, erklärt Virginie Martin, künstlerische Leiterin der neuen Show. „Natürlich haben wir die Helikopterflüge weggelassen“, fügt Gregoire Monnier, Direktor der Mutterfirma Culturespaces Studio, hinzu. Insgesamt sind es zwei detaillierte Szenen, die in Kooperation mit Ubisoft entstanden sind. In der zweiten sieht man die Pyramiden und die Sphinx.
Sehnsucht nach Ägypten
Doch eines muss man klar sagen: Solche Kamerafahrten sind in der Minderheit. „Im Reich der Pharaonen“ ist ein wunderbar buntes und lehrreiches, aber eben archäologisches Programm in 40 Minuten. So emotional wie in der „Wunderwelt Ozean“ wird es trotz raffiniert bewegter, immersiver (also den Betrachter umgebenden) Video-Projektionen nicht.
Ägypten ist ein Sehnsuchtsziel. Seine einstige Hochkultur zwischen 3000 v. Chr. und 400 n. Chr. mit einer reichen Götterwelt fasziniert bis heute. Geblieben sind uns Architektur, Geschichte, Kultur und Kunst – auf Papyrus, als Statuen, in den Malereien der Pharaonengräber oder in den kostbaren Grabbeigaben.
In zehn Kapitel gegliedert, widmet sich die „kraftvolle Erzählung“ (Zitat Martin) in Dortmund dem Leben der Menschen am Nilufer oder dem Bau der Pyramiden. Wunderbar, wie sich im Abschnitt über die Macht der Pharaonen das Grab des Tutanchamun öffnet.
Musik aus „Dune“ verwendet
Seine Goldmaske und das Falken-Pektoral (eine Art Brustschmuck) glänzen in den Projektionen. Die Büste der Nofretete, in Berlin zuhause, kennt jeder. Dass sie und ihre Gatte Echnaton eine monotheistische Religion begründeten und zum Sonnengott Aton beteten, erfährt man aus einem Alabasterrelief. Überhaupt tauchen die Schätze der Pharaonen effektvoll aus Strömen fließenden Goldes auf. Zu Led Zeppelins „Stairway to Heaven“ fallen zum Schluss goldene Sterne zu Boden – toll. Die bombastische Filmmusik aus „Lawrence von Arabien“ oder „Dune“ weckt Ehrfurcht vor dieser Vergangenheit.
Sagenhaft gut gemacht, aber inhaltlich problematisch ist der zweite Teil des Programms (15 Minuten) unter dem dem Titel „Die französischen Orientalisten: Ingres, Delacroix, Gérôme“. Diese Maler des 19. Jahrhunderts zeigten einen Orient, den es niemals gab. In tausendundeiner Nacht biegen sich die Bauchtänzerinnen, zeigen die „Frauen von Algier“ ihr Dekolleté. Die „Große Odaliske“ (das bedeutet Haremsdienerin), ein berühmter Rückenakt von Ingres, schmilzt dahin. So erotisch aufgeladene Motive spiegelten doch wohl die vermeintliche Verfügbarkeit von Frauen in den französischen Kolonien wider – auch wenn in Dortmund noch so viele Nebelschwaden über die Gemälde ziehen. Die Musik steuert immerhin dagegen. „Wir sehen uns als Raum der Diskussion“, sagt der Dortmunder Phoenix-Chef Andreas Richter dazu.
Fünf Minuten Videokunst
Das moderne Programm „Foreign Nature“ von Julius Horsthuis beschließt den Reigen. Das ist Videokunst wie von einem fernen Planeten, die stark an die zusammenklappenden Panoramen des Films „Inception“ erinnert.
- Phoenix des Lumières in Dortmund: Phoenixplatz 4, Mo-Do 10-17, Fr/Sa 10-21, So 10-18 Uhr, Eintritt 16 Euro.
- Der Phoenix hatte 2024 erneut rund 500.000 Gäste - wie schon im Anfangsjahr 2023.
