Keine Corona-Regeln in NRW mehr Die Lehren aus knapp drei Jahren Pandemie

Keine Corona-Regeln in NRW mehr: Die Lehren aus knapp drei Jahren Pandemie
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An diesem Mittwoch sind die Corona-Schutzverordnungen in Nordrhein-Westfalen Geschichte. Zum Ende der 114. und letzten Fassung zog Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstag Bilanz und warf einen Blick nach vorn. Haben die Bürger nach Karneval eine neue Infektionswelle zu befürchten? Wie lange reichen die Schutzimpfungen? Und was war der schlimmste Fehler, an den sich der NRW-Gesundheitsminister erinnert? Am Dienstag stand Laumann in Düsseldorf Rede und Antwort.

Die Karnevalswelle: In den Karnevalsregionen von NRW, Rheinland-Pfalz oder auch dem Saarland seien die Infektionszahlen nach oben gegangen, berichtete Laumann aus der Corona-Schalte der Länder. Gleichzeitig gab er Entwarnung: „Es wird immer Wellen geben.“ Damit könnten die Bürger nun nach dreijähriger Pandemie-Erfahrung umgehen - ebenso wie mit Grippe-Wellen. Angesichts der inzwischen - auch bei Älteren - meist wesentlich flacheren Krankheitsverläufe im Vergleich zu den ersten Pandemie-Jahren sowie der guten ambulanten und stationären Versorgungsinfrastruktur sieht der Minister keinen Grund für Alarm. Wenn die Gesellschaft vernünftig mit dem weiterhin vorhandenen Virus umgehe, könne sie wieder ein Leben führen wie vor der Pandemie.

Impfen: Viele Bürger haben nach dem ersten Booster keine weiteren Corona-Impfungen mehr wahrgenommen. Allerdings verflüchtige die Grundimmunisierung sich mit der Zeit, sagte Laumann. Er rät, weiterhin den Richtlinien des Robert Koch-Instituts zu folgen. Laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission sollten bestimmte Gruppen wie Menschen ab 60 Jahren oder Patienten mit Vorerkrankungen eine zweite Auffrischimpfung bekommen, um den Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf zu verbessern. In NRW habe es zuletzt noch 10.000 Impfungen pro Woche gegeben - in der Spitze seien es in einer Dezemberwoche 2021 rund 1,8 Millionen Impfungen gewesen. Insgesamt seien bislang mehr als 43,8 Millionen Corona-Impfungen in NRW verabreicht worden.

Corona-Bilanz von NRW: Mehr als acht Millionen Corona-Fälle

Infektionszahlen: Im bevölkerungsreichsten Bundesland wurden seit dem ersten bestätigten Fall am 25. Februar 2020 im Kreis Heinsberg mehr als acht Millionen Corona-Meldefälle registriert sowie fast 31.200 laborbestätigte Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19. Im bundesweiten Vergleich habe NRW damit im Mittelfeld gelegen, bilanzierte Laumann. Jetzt sei die Inzidenz nicht mehr erfassbar. In den vergangenen Jahren sei diese ausschließlich aus den Positiv-Ergebnissen der insgesamt rund 33,5 Millionen PCR-Tests gespeist worden. Mehr als 252 Millionen Bürger-Schnelltests seien nicht eingeflossen. Abwasser-Überwachung auf Coronaviren erweise sich bislang aber schon im Pilotstadium als gute Möglichkeit, Infektionen frühzeitig zu erkennen. „Zurzeit schlägt unser Abwasser-Screening auch an“, sagte Laumann zur Karnevalswelle.

Krankenhäuser: Verlässlich seien weiterhin die Krankenhauszahlen - und die seien zu bewältigen. Das Corona-Dashboard der Landesregierung hatte am Dienstag 4125 Covid-19-Patienten registriert, davon 318 auf Intensivstationen, von denen wiederum 109 beatmet werden mussten. Die Zahl der noch verfügbaren Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit wurde mit 292 beziffert. Hier habe die Landesregierung aufgerüstet, betonte Laumann: Während es zu Beginn der Pandemie nur 4150 Betten mit Beatmungsmöglichkeit gegeben habe, seien es nur ein Jahr später schon 5159 gewesen.

Triage: „Ich bin heilfroh, dass wir während der gesamten Pandemie in Nordrhein-Westfalen in der Lage waren, jedem Menschen, der es brauchte, eine Krankenhausbehandlung zu geben“, bilanzierte Laumann. Darüber hinaus habe NRW Covid-19-Patienten aus anderen Bundesländern, den Niederlanden und Italien aufgenommen. „Wir haben diese Pandemie deswegen ganz gut hier überstanden, weil wir einen funktionierenden Sozialstaat haben“, betonte der Minister. „In keinem einzigen Fall hing die Behandlung eines Menschen an seinem persönlichen Geldbeutel.“

Altenheime: Die Alten- und Pflegeheime dürfen keine eigenmächtigen Besuchsverbote mehr mit Bezug auf Corona-Infektionen verhängen. Das wird nun per Erlass klargestellt. „Heime haben jetzt offen zu sein in den Besuchszeiten“, verlangte der Minister. „Wer als Leiter einer Einrichtung Besuchsbeschränkungen, Besuchs- und Verlassensverbote ausspricht, kann mit einer Geldbuße von bis zu 20.000 Euro belegt werden“, warnt der Erlass. Corona-Maßnahmen wie Testpflichten für Besucher, Maskenpflichten für Bewohner sowie deren Isolation nach positivem Test entfallen ersatzlos.

Lehren: Die zeitweise hermetische Abriegelung der Alten- und Pflegeheime aus Coronaschutzgründen macht Laumann im Rückblick am meisten zu schaffen. Im Nachhinein sei festzustellen, dass sich in der Zeit „Dinge abgespielt haben, die man nicht wieder gutmachen kann“, räumte er ein. „Ich sehe das jetzt nicht so, dass ich da eine persönliche Verantwortung habe, aber man muss schon sagen, da sind Menschen gestorben, ohne dass die Angehörigen dabei sein konnten“. Dies müsse in künftigen vergleichbaren Infektionslagen anders geregelt werden.

Gesetzliche Regelungen: Zum 1. März läuft die 114. Coronaschutzverordnung in NRW aus und wird erstmals seit drei Jahren durch keine Neufassung mehr ersetzt. Dann sind nur noch wenige Schutzmaßnahmen nach dem Bundesinfektionsschutzgesetz zu beachten: eine Maskenpflicht für Besucherinnen und Besucher in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Arztpraxen und vergleichbaren Einrichtungen. Laumann sagte, er gehe davon aus, dass auch dieses Gesetz nicht verlängert, sondern am 7. April Geschichte sein werde. Er rechne vorerst auch nicht mit einer Wiederbelebung von Corona-Regelungen.

Über Long Covid noch „viel zu wenig“ bekannt

Klagen: In NRW gab es bislang 1235 Gerichtsverfahren gegen Corona-Schutzverordnungen. Das Land habe lediglich in zehn Fällen verloren, resümierte der Minister. Obwohl manche Bürger wegen der Eingriffe „richtig geladen“ gewesen seien, beweise das doch, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt worden sei. „Ich sehe keine persönlichen Fehler“, sagte Laumann. „Wir haben jede Verordnung nach bestem Wissen und Gewissen gemacht.“ Das sei auch bei den umstrittenen Einschränkungen im Kita- und Schulleben so gewesen.

Long Covid: Über Langzeitfolgen von Corona sei noch „viel zu wenig“ bekannt, räumte der Gesundheitsminister ein. Die Symptome seien sehr unterschiedlich, die Forschung noch nicht weit genug. „Es gibt keine Behandlungsrichtlinie.“ Daran müsse nun gearbeitet werden, damit die Betroffenen eine bessere und zielgenauere medizinische Versorgung erhielten.

Ämter: Eine landesweite Anweisung an die Ämter, wieder durchgängig Bürgerbesuche auch ohne festen Termin zu ermöglichen, lehnt Laumann als zu zentralistisch ab. Klar sei aber, dass Einrichtungen nicht mehr mit Verweis auf Corona-Infektionsgefahren geschlossen bleiben dürften. „Jobcenter müssen eine offene Tür haben“, betonte der Arbeitsminister. „Berufsberatung geht auch nicht nur über Abstand, sondern muss sich mit den Menschen auseinandersetzen.“

dpa

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