Josephine und Alois betrachten eine Mathe-Aufgabe, die über das Programm „Showbie“ auf Josephines i-Pad geladen wurde.

© Ulrich Breulmann

Corona-Unterricht in Dortmund und im englischen Internat: Ein Vergleich

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Ein Privatinternat in England sowie das Privatgymnasium Stadtkrone und das Max-Planck-Gymnasium in Dortmund. Drei Schulen, ein Problem: Unterricht in Zeiten von Corona. Wie die Schulen das gelöst haben, erzählen Schülerinnen und Schüler aus ihrer Sicht.

Dortmund

, 25.06.2020, 17:05 Uhr / Lesedauer: 8 min

Mitte März war Schluss mit Unterricht, wie es ihn seit vielen Jahrzehnten gab. Das Coronavirus forderte seinen Tribut. Die Schulen geschlossen, die Klassen verwaist, Schüler und Lehrer gefangen zu Hause. Ab jetzt war „Homeschooling“ angesagt – ein Wort, das es jetzt neu zu lernen galt. Eine Situation, die niemand vorausgeahnt hatte und die alle Beteiligten vor komplett neue Aufgaben stellte.

Wir haben mit jungen Dortmunderinnen und Dortmundern gesprochen, die drei verschiedene Schulen besuchen: ein privates Internat im Norden Englands, das Privatgymnasium Stadtkrone in Dortmund und das Max-Planck-Gymnasium in Dortmund.

Nicht ganz fair, könnte man meinen, zwei private und eine staatliche Schule miteinander zu vergleichen. Deshalb sei an dieser Stelle gesagt: Ganz sicher sind private Schulen vielfach finanziell und damit auch personell besser ausgestattet als staatliche Schulen und haben dadurch oft andere Möglichkeiten. Das muss man grundsätzlich berücksichtigen.

Zudem geht es an dieser Stelle überhaupt nicht darum, irgendjemanden an den Pranger zu stellen. Es geht einfach um einen Blick von außen auf drei unterschiedliche Schultypen und die Frage, ob und gegebenenfalls was der eine vom anderen noch lernen kann. Nicht alles ist nämlich eine Frage des Geldes und der Ausstattung.

Das Internat in Nordengland

Josephine (15) kommt aus Dortmund. Seit September besucht sie das Ampleforth College in der Nähe von York in Nordengland. Sie hat dort gerade die 10. Klasse absolviert, was der 9. Klasse im deutschen Schulsystem entspricht. Es ist ein international ausgerichtetes Internat, in dem Schülerinnen und Schüler aus der ganzen Welt miteinander lernen.

Die stattliche Anlage mit ihren alt-ehrwürdigen Häusern und einer eigenen Kirche erinnert an die Zauberschule „Hogwarts“ von Harry Potter. Ein wenig altertümlich mag das Ambiente wirken, das Lernen hinter diesen Mauern ist allerdings alles andere als altbacken. Das wird schnell klar, als Josephine erzählt, wie ihre Schule auf das Coronavirus reagiert hat.

Mitte März seien in England die Schulen geschlossen worden, auch das Ampleforth College. Mit einer der letzten Verbindungen vor dem Stopp aller Flüge sei sie nach Dortmund zurückgekommen. Das Lernen aber sei sofort weitergegangen. „Alle Schülerinnen und Schüler bei uns sind mit einem i-Pad der Schule ausgestattet. Darauf haben wir unter anderem eine App, die heißt Showbie. Mit der haben wir auch in England schon gearbeitet“, erzählt Josephine.

Das digitale Klassenzimmer

„Showbie“ ist so etwas wie ein digitales Klassenzimmer. Da können Gruppen für die einzelnen Fächer und Kurse gebildet werden. Lehrer können Aufgaben einstellen, Schüler können Hausaufgaben hochladen, Arbeitsblätter ausfüllen und Fragen stellen, auf die Lehrer dann wiederum antworten können.

„Über Showbie haben wir bis zu den Osterferien Aufgaben in den einzelnen Fächern zugeteilt bekommen“, sagt Josephine. „Direkt nach Ostern begannen dann auch die live lessons.“ Live lessons – das sind ganz normale Schulstunden in der Art einer Videokonferenz. „Wir nutzen dazu Microsoft Teams“, sagt Josephine.

„Etwa jede dritte Stunde war so eine Teams-Stunde, in der der Lehrer einen ganz normalen Unterricht machte, in dem man auch Fragen stellen konnte. Diese Stunden wurden auf Video aufgenommen, da wegen der Zeitverschiebung einige unserer Klassenkameraden etwa in China oder den USA nicht an den Live-Sitzungen teilnehmen konnten. Fragen konnten die dann im Nachgang stellen, die der Lehrer auch schnell beantwortet hat.“

Der ganz normale Stundenplan

Trotz Corona sei der ganz normale Stundenplan weitergelaufen. Das heißt: In der Regel begann der Tag morgens um 9 Uhr und endete meist gegen 16, 17 Uhr, an Dienstagen erst gegen 18 Uhr, dafür samstags schon gegen Mittag. „Entweder gab es für die einzelnen Stunden über Showbie Aufgaben, oder es gab halt live lessons“, sagt Josephine.

Dabei sei es sehr ratsam gewesen, die Arbeitsaufträge in den dafür vorgesehenen Stundenplan-Stunden zu erledigen. „Sonst gerät man in Rückstand“. Und wenn man die Aufgaben nicht erledigt habe, hätten die Lehrer nachgehakt und gecheckt, was los sei: „Woran lag es? Hast du etwas nicht verstanden? Gab es Probleme? Oder hattest du einfach keine Lust?“ Die Kontrolle sei schon dagewesen.

Selbst Sportunterricht sei nicht ausgefallen. „Teilweise gab es Theorie-Unterricht, teilweise auch praktische Übungen, die unser Lehrer per Video vormachte und die wir dann nachmachen sollten“, sagt Josephine. Und damit die Schüler auch zuhause im Fach Kunst weiterarbeiten konnten, trudelte bereits zu Ostern Post aus England ein: „Jeder Schüler bekam ein Paket mit Farben, Tinte, Kohlestiften, Bleistiften, Kreide, einem Zeichenbuch und solchen Dingen. Dazu Anleitungen, was damit zu machen war.“

Auch samstags Unterricht und Klausuren

Bei alledem wurde auch zu Corona-Zeiten, wie im Internat üblich, an Samstagen unterrichtet. „Nach den ersten paar Wochen wurde das aber geändert. Dann gab es samstags keine live lessons mehr, sondern nur noch Arbeitsaufträge über Showbie. Die Hausarbeiten konnte man dann auch vorher erledigen.“

Das sei auf Wunsch einiger Eltern geändert worden, damit die Familie an den Samstagen flexibler sein konnte. Auch an Feiertagen wie Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag und Fronleichnam gab es normalen Unterricht: „Das ist schon hart, wenn alle anderen frei haben und man selbst Schule hat“, sagt Josephine.

Ausgefallen seien durch Corona praktisch keine Stunden, sagt sie. Auch die Klassenarbeiten, „exams“, musste Josephine im letzten Juni-Drittel schreiben, ebenfalls via Internet. Dazu habe es einen eigenen Prüfungsplan gegeben. Unterm Strich, sagt sie, „haben wir vom Stoff her fast gar nichts verpasst.“

Es sei halt nur so, dass man bestimmte Dinge nicht habe machen können: „Experimente in Chemie oder Physik, das ging ja nicht“, sagt sie. Trotz alledem freut sie sich schon, wenn sie nach den Sommerferien zurück nach England kann, sofern die Coronalage das zulässt: „Es macht eben doch viel mehr Spaß, als nur zu Hause zu lernen.“

Das Privatgymnasium Stadtkrone in Dortmund

Alois (13) ist der jüngere Bruder von Josephine. Wenn alles gut geht, wird er im Herbst ebenfalls das Ampleforth College besuchen. Das Corona-Halbjahr hat er in der 7. Klasse des Privatgymnasiums Stadtkrone erlebt. Diese Schule gehört zum Verbund der „Semper Schulen“. Und das sollte sich, wie Alois berichtet, als Vorteil erweisen, denn diese Schulen haben ein eigenes Schülerportal. „Das haben wir auch vor Corona schon genutzt“, erzählt Alois.

Vergleichbar mit der Showbie-Plattform seiner älteren Schwester können auch hier Aufgaben hochgeladen und bearbeitet, Fragen gestellt und beantwortet werden. Möglich ist das, weil auch an diesem Dortmunder Privatgymnasium alle Schüler bis zur 8. Klasse mit i-Pads und ab der 9. Klasse mit Laptops ausgestattet sind.

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Weil alle mit dem Semper-Portal schon vertraut gewesen seien, habe es nur wenige Tage gebraucht, bis man nach der Schließung der Schulen umgeschaltet habe, sagt Alois. „Seither gibt es Wochenpläne. Am Sonntagabend wurden in jedem Fach die Aufgaben für die ganze Woche hochgeladen. Die Hausarbeiten musste man dann bis Freitag um 14 Uhr auf dem Semper-Portal hochladen“, sagt Alois.

Anders als bei seiner Schwester gab es keinen festen Stundenplan mehr: „Man konnte sich die Zeit also ganz frei einteilen.“ Was ein Vorteil sein kann, allerdings auch ein großes Maß an Disziplin erforderte: „Ich habe mir eigentlich für jeden Tag zwei Fächer vorgenommen, dann war ich pünktlich fertig“, sagt Alois.

Weniger starke Kontrolle

Die Kontrolle sei nicht so stark gewesen wie bei seiner Schwester: „Die Lehrer fanden es nicht so schlimm, wenn man mal etwas nicht verstanden und daher nichts abgegeben hat. Dann konnte man in Extrastunden reingehen, um es zu verstehen.“ Für Letzteres sei das Portal „Zoom“ eingesetzt worden. „Nach einigen Wochen wurde in den Hauptfächern mit Zoom unterrichtet, wo wir uns dann auch alle sehen konnten. Dafür gab es einen eigenen Zoom-Stundenplan“, sagt Alois.

Die Zahl der Zoom-Stunden sei zwar genauso hoch gewesen wie zu normalen Zeiten, allerdings hätten die einzelnen Stunden nicht 45, sondern nur 30 Minuten gedauert. In den Nebenfächern habe es keinen Zoom-Unterricht, sondern nur Arbeitsaufträge gegeben.

In den letzten Wochen vor den Sommerferien, berichtet Alois, habe man in fächerübergreifenden Projekten gearbeitet. In Mentorenstunden habe man dann mit den Lehrern über den Fortschritt des Themas, Fragen und Probleme sprechen können. „Meine Gruppe hat zum Beispiel einen Film zu den vier Elementen gedreht.“

Alles in allem hätten sich die Lehrer gut um ihre Schüler gekümmert: „Man konnte ihnen immer mailen und sie haben sehr schnell geantwortet.“ Insgesamt habe er seit dem Corona-Ausbruch vier Präsenztage in der Schule gehabt, allerdings nur mit kurzen 30-Minuten-Stunden und nur in den Hauptfächern. „Da haben wir dann das gemacht, was über Zoom nicht ging, zum Beispiel in Deutsch Plakate gemalt.“

Die Noten konnte man durch Homeschooling nicht verschlechtern

Klassenarbeiten hat Alois in Corona-Zeiten nicht geschrieben. „Wir hatten in diesem Halbjahr bereits in allen Hauptfächern eine Arbeit geschrieben, deshalb brauchten wir keine mehr zu schreiben.“ Außerdem habe man sich durch das Homeschooling nicht verschlechtern, sondern nur verbessern können. „Und die Noten vom 1. Halbjahr sind auch in die jetzigen Noten eingeflossen“, sagt Alois.

„Wir haben wahrscheinlich ein wenig mehr Stoff verpasst als Josephine in ihrem Internat. Bei uns ging das aber noch. Viele Freunde von mir auf anderen Schulen haben anfangs fast nichts gemacht und dann ein wenig mehr. Die haben mehr verpasst als wir.“

Das Max-Planck-Gymnasium Dortmund

Frida, die am 30. Juni 15 wird, und Konstantin (15) besuchen beide das Max-Planck-Gymnasium, eine staatliche Schule. Sie haben gerade die 9. Klasse beendet – unter den Corona-Bedingungen. Nachdem klar war, dass die Schulen geschlossen werden, habe zunächst große Verwirrung geherrscht. „Aber relativ schnell ging es nach ein paar Tagen dann mit dem Online-Unterricht los“, erzählt Konstantin.

Die Kommunikation lief dabei ebenfalls übers Internet – im Falle des Max-Planck-Gymnasiums über „google classroom“. Mit diesem Portal, das ähnlich zu handhaben ist wie die Plattformen der beiden Privatschulen, habe man schon vorher gearbeitet. „Wir wussten, wie man damit umgeht.“

Über dieses Portal hätten die Lehrerinnen und Lehrer Aufgaben eingestellt. „Wie das lief, war von Fach zu Fach unterschiedlich“, sagen Konstantin und Frida mit den gleichen Worten. Einige Lehrer hätten jeden Tag lange Aufgaben „mit riesigem Umfang“ eingestellt oder per E-Mail verschickt, andere weniger. „In den Hauptfächern gab es meist eine große Aufgabe pro Woche“, sagt Konstantin. In den Nebenfächern sei es ähnlich gewesen, auch da habe es Arbeitsaufträge gegeben. „Aber auch nicht für alle“, ergänzt Frida.

Eine Woche Zeit zum Bearbeiten der Aufgaben

Die Aufgaben seien unter der Woche irgendwann verschickt worden, nicht nach einem festen Plan, wie es überhaupt in der ganzen Zeit keinen festen Stundenplan gegeben habe. „Manchmal kamen Aufgaben auch nachts um 2 Uhr“, sagt Konstantin. „Immer, wenn es eine neue Aufgabe gab, wurden wir über die classroom-App auf dem Smartphone informiert. Ein Smartphone habe jeder gehabt und darauf zum Teil auch die Hausaufgaben erledigt. Schuleigene i-pads oder Laptops habe man nicht gehabt.

Im Schnitt habe man eine Woche Zeit zur Beantwortung der Fragen gehabt. Aber es sei auch nicht schlimm gewesen, wenn man die Aufgaben nicht gemacht habe. „Man konnte seine Note in der Zeit des Homeschooling ja nicht verschlechtern, sondern nur verbessern“, sagt Konstantin.

Video-Unterricht mit Hindernissen

Nach rund einem Monat habe es in Mathe und Englisch auch Unterricht per Videokonferenz gegeben. „Das lief über google meet, zwei bis vier Stunden pro Woche, aber das klappte nicht so gut. Da konnten nicht alle mitmachen. Außerdem haben diese Videokonferenzen sehr früh am Tag stattgefunden – gegen den Schlafrhythmus von Schülern“, meint Konstantin. Frida sagt, sie habe einige Stunden Video-Unterricht in Mathe, Französisch und Englisch gehabt, aber nicht sehr oft.

Im Juni habe er noch eine Klassenarbeit in Englisch geschrieben, sagt Konstantin. „In dem Fach hatten wir in diesem Halbjahr noch keine geschrieben. Daher mussten wir in den zwei Wochen vorher einige Stunden in die Schule. Da wurde der Stoff, den wir vor Corona durchgenommen hatten, wiederholt und darüber dann die Arbeit geschrieben.“ Neuer Stoff aus der Coronazeit habe nicht auftauchen dürfen.

So war das auch bei Frida. Sie musste aber neben Englisch auch noch Klassenarbeiten in Mathe und Französisch schreiben und auch für diese Fächer ein paar Stunden zur Vorbereitung in die Schule. „Alles in allem war ich in der Coronazeit vielleicht sechs Mal da“, sagt Frida.

Konstantin sagt, er habe im Schnitt pro Woche etwa eine Stunde pro Fach an Lernzeit aufwenden müssen. Viel verpasst an Stoff, so glaubt er, habe er nicht. Das sieht Frida etwas anders: „Ich saß oft länger an den Aufgaben als in der Schule. Die Aufgaben waren schon okay, teilweise aber auch ein bisschen viel.“

Das Fazit dieses Rundblicks

Sie habe die Aufgaben alle gemacht, zumindest am Anfang: „Irgendwann hat es dann nachgelassen. Ich musste mich auf meine Arbeiten vorbereiten“, sagt Frida. Und: Längst nicht alle hätten so viele Aufgaben erledigt wie sie. „Von den Lehrern bei uns wurde das ja auch nicht wirklich nachgehalten. Ich glaube schon, dass wir am Ende einigen Stoff verpasst haben“, sagt sie.

Am Ende dieses Rundblicks über drei Schultypen zeigt sich: Selbst in Corona-Zeiten ist es möglich, einen nahezu vollständigen, normalen Stundenplan inklusive Klausuren anzubieten. Voraussetzung dafür ist aber zum einen gute technische Ausstattung aller Beteiligten mit Hard- und Software auf der einen Seite und zum anderen der Wille, auch im Homeschooling die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler an dieser Form des Unterrichts sehr genau nachzuhalten.

So unterschiedlich die Schulen auch sein mögen, die die vier Dortmunder Jugendlichen besuchen, eines vereint sie: Die Vorfreude auf die Sommerferien, die für Alois, Konstatin und Frida am letzten Freitag im Juni und für Josephine eine Woche später beginnen.