Seit November 2021 war es ruhig geworden um den Eklat-Trainer Christian P. (Name von der Redaktion geändert. Der Trainer heißt weder Christian, noch beginnt sein Nachname mit „P“.). Doch nun hat der Übungsleiter, den Vereinsverantwortliche in ganz Westfalen unbedingt meiden wollen, sich wieder ins Schaufenster gestellt. Wir haben mit jenen gesprochen, die direkten Kontakt zu ihm hatten.
Viele von ihnen hatten schon einmal von Christian P. gelesen: in der Berichterstattung dieser Redaktion. Erstmals Ende 2020 berichteten wir von einem Trainer, der sich wieder und wieder mit einem perfiden Lügengebilde in den Amateursport schlich.
Begonnen in Norddeutschland, zog es ihn Mitte 2019 nach Nordrhein-Westfalen. Rund ein Dutzend Vereine aus dem Norden schlugen gegenüber dieser Redaktion Alarm: Mit Christian P. gebe es nur Ärger. Schnell ging es dabei um Geld.
Das habe der Trainer gerne eingesammelt. Für Busfahrten zu Auswärtsspielen, für Ausrüstung, für Mannschaftsfahren. Nur die angekündigte Gegenleistung, die soll es selten gegeben haben. Stattdessen habe Christian P. Teile des Geldes einbehalten, heißt es aus den Vereinen. Als die offenen Rechnungen ins Klub-Postfach hereinflatterten, hatten sich die Verantwortlichen oft schon von Christian P. getrennt.
Doch der Trainer, der zumeist Jugend-Fußballmannschaften anleitete, soll nicht nur beim Finanziellen gelogen haben. Herkunft, Wohnort, Arbeitsstelle – die Wahrheit hat der Coach offenbar nur selten gesagt.
Christian P. ist „ein krankhafter Lügner“
Eine Stadt, in der Christian P. geboren sein will, erklärte sogar, dass der Name in ihrem Geburtenverzeichnis überhaupt nicht auftaucht. „Es ist alles erstunken und gelogen. Ein krankhafter Lügner“, sagt ein Vorstandsmitglied eines Klubs, der ihn beschäftigte.
Selbst eine Familie soll der Trainer erfunden haben. Ein Führungszeugnis aus dem Jahr 2019, das dieser Redaktion vorliegt, ist voll mit Einträgen. Kurzum: Sportvereine wollten Christian P. nur noch meiden. Sein Klarname ist an vielen Stellen bekannt. Und doch suchte er sich einen neuen Weg in den Amateursport.
Lange habe er nichts mehr von ihm gehört, erklärt der Jugendleiter eines Stadtteilklubs. Er kennt die Vorwürfe gegen Christian P. und dessen wahre Identität längst. „Dann ploppte im September 2022 die Whatsapp-Nachricht von ihm auf“, staunt er. Er informierte direkt den Nachbarverein, nicht mit Christian P. zusammenzuarbeiten. „Ich hoffe, dass er nie wieder ein Bein an die Erde bekommt“, sagt der Jugendleiter. Doch Christian P. war wieder da.
Allerdings veränderte er sein Einzugsgebiet im Herbst 2022, als er wieder aktiv wurde und zahlreiche Klubs gleichzeitig kontaktierte, etwas. Zu oft hatten ihn Vereine zuletzt enttarnt, als er sich bei ihnen meldete. „Viele Vereine kennen seinen Pseudonym-Namen Christian P.“, so der Jugendleiter, der längst im Bilde war. P. richtete seinen Blick in Richtung Norden.
„Ich hatte sofort ein ungutes Gefühl“
Auch dort leuchteten viele Handys auf. Die Vereinsverantwortlichen bekamen die Nachricht zu sehen, die Christian P. in den vergangenen Jahren scharenweise verschickte. Nach einer kurzen Vorstellung leitet P. direkt zu seinem Anliegen über: Er suche eine neue Herausforderung und würde sich über Rückmeldungen freuen.
„Als ich die Nachricht bekommen habe, habe ich mit bei unserem Vorstand gemeldet und seinen Echtnamen gegoogelt. Da hatte ich sofort ein ungutes Gefühl“, sagt der Junioren-Abteilungsleiter eines Klubs. Ein Bauchgefühl, das viele Ansprechpartner von P. nicht hatten. Viele berichten von einem charismatischen, durchaus sympathischen Menschen.
Nicht alle Vorwürfe in unserer Berichterstattung gegen Christian P. sind durch ein entsprechendes Gerichtsurteil bestätigt. Daher schützen wir seine Identität. Da er auch im engen Bekanntenkreis nicht identifizierbar sein darf, verzichten wir auf die Nennung einiger uns bekannter Details und haben ihm ein Pseudonym gegeben, das keine Ähnlichkeit zu dem Klarnamen von Christian P. aufweist.
Als sich Christian P. erneut bei ihm meldete, sprach der Junioren-Abteilungsleiter ihn auf seine vergangenen Engagements an. P. wiegelte ab, es habe erst gut funktioniert, aber dann irgendwann nicht mehr gepasst. Den Verantwortlichen verwunderte die Breite der Aufgaben, die er bereit war, zu übernehmen.
Ob Jugend- oder Seniorenmannschaft, schien egal. „Ich habe ihm dann mitgeteilt, dass wir nicht viel Geld zahlen würden“, erklärt der Jugend-Abteilungsleiter. P. habe gesagt, dass das kein Problem für ihn sei: Er wolle sich nicht bereichern. „Es ist eigentlich ein Traum für jeden Jugendleiter. Ich verstehe, dass einige da sagen: genial!“ Von einem anderen Klub verlangte P. 75 Euro monatlich.
Führungszeugnis mal wieder ein Thema
Doch dieses Mal ging keiner der Vereine Christian P. ins Netz. Der Junioren-Abteilungsleiter, der bei P. sofort ein ungutes Gefühl hatte, informierte alle Jugendleiter in seinem Fußballkreis. „Auch wenn er mir persönlich nichts getan hat, will ich nicht, dass der jemals wieder einen Fuß auf den Boden kriegt“, sagt er.
Dass ihm das so wichtig ist, liegt auch daran, dass es dem Abteilungsleiter gelang, Einblick in das aktuelle Führungszeugnis von Christian P. zu nehmen. Schon 2020 hatte es mehrere Einträge. Nun sollen es deutlich mehr sein. Sportvereine haben sich gegen P. nach Informationen dieser Redaktion strafrechtlich noch nicht durchgesetzt.

Demnach war es wie so oft das Netzwerk des Amateursports, das sich gegen den dubiosen Trainer wehrte. Bei mindestens fünf weiteren Klubs hat sich Christian P. vorgestellt, erfuhr der Junioren-Abteilungsleiter später.
Mit einem befreundeten Sportlichen Leiter eines anderen Vereins erlaubte er sich den Versuch, Christian P. zeitgleich zum Kennenlerngespräch einzuladen. Erst wollte der Coach ein Gespräch absagen, hielt seine Zusage dann aber doch.
Klubs wollen Christian P. vorführen
Um 17.30 Uhr wollte er beim Junioren-Abteilungsleiter erscheinen. Eine Viertelstunde später hätte P. aber schon am nächsten, 20 Autominuten entfernten Fußballplatz sein müssen. Vorab hatte er den Sportlichen Leiter des zweiten Vereins auf Whatsapp immer wieder ungeduldig mit Nachrichten, die dieser Redaktion vorliegen, bedrängt und schnell mal Desinteresse am Klub bekundet, wenn der Verantwortliche nicht zeitnah antwortete.
Ein anderer Verein beendete die Zusammenarbeit mit Christian P., bevor sie überhaupt begonnen hatte. P. sollte die B2-Jugend übernehmen. „Unser Gefühl war: Das könnte was werden. Er zeigte Interesse, redete kein dummes Zeug“, sagt der Jugendfußballobmann des Klubs, der sich selbst „ein relativ gutes Menschengefühl“ attestiert.
Social Media verrät Christian P.
P. wollte in der laufenden Saison einsteigen. „Bis dahin war alles gut“, sagt der Jugendfußballobmann. Dann wurde ihm allerdings ein Social Media-Profil von Christian P. zugespielt. Dort zu finden: Videos, in denen sich der Trainer über sexuelle Handlungen lustig macht.
Für den Verein Grund genug, um sofort die Reißleine zu ziehen. „Aufgrund der Tatsache kann ich dich im Jugendfußball nicht einsetzen. Unsere Zusammenarbeit ist hiermit sofort beendet“, habe der Jugendfußballobmann Christian P. verdeutlicht.
Doch der ließ sich nicht so leicht abwimmeln. Nun begann der Terror mit Whatsapp-Nachrichten, von dem schon in der Vergangenheit Vereine berichtet hatten. Nachdem der Obmann P. darum gebeten hatte, keinen Kontakt mehr zu ihm aufzunehmen, drehte der Coach auf.
„Anzeigen folgen heute noch gegen dich und den Verein“, feuerte P. plötzlich. Sein Anwalt und die Polizei würden sich bei Verein und Obmann melden. „Ich lasse mir sowas nicht unterstellen. Das wird teuer für dich und euch“, schrieb Christian P. in Nachrichten, die dieser Redaktion vorliegen.

„Zugebombt“ habe Christian P. ihn mit Nachrichten, fasst es der Jugendfußballobmann zusammen. Der Trainer schrieb sich beinahe in einen Rausch. Drei Anzeigen und zwei Klagen will er initiiert haben, dazu Veröffentlichungen in der Presse. Später kam noch eine angebliche Unterlassungsklage dazu.
Christian P. hantiert zwischen seinen Nachrichten mit Summen zwischen 500 und 5000 Euro – offenbar soll es sich dabei um Schmerzensgeld handeln. Der Jugendfußballobmann verbreite „Scheiße und Lügen über meine Person“, polterte P.
Angeblicher Anwalt verschickt Mails
Zwischendurch nahm der Trainer Bezug auf E-Mails seines angeblichen Rechtsbeistandes. Der hatte dem Verein eine E-Mail geschickt, die dieser Redaktion vorliegt. Im bundesweiten Amtlichen Anwaltsverzeichnis gibt es keine Person mit dem angegebenen Namen.
Ohnehin: Es ist eine E-Mail, die völlig unseriös wirkt. Im zweiten Wort nach der Anrede befindet sich der erste von mehreren Rechtschreibfehler, die in einer für ein offizielles Anwaltsschreiben ungewöhnlich hohen Dichte vorkommen.
Im November 2020 haben wir erstmals über Christian P. berichtet. Damals deckten wir sein perfides Lügengebilde exklusiv auf. Seitdem tauchte der dubiose Trainer immer mal wieder in Westfalen auf. Die große Übersicht führt die durch die vergangenen Jahre.
Der Rechtsbeistand schreibt Sätze wie: „Wir verbieten Ihnen dieses oder ähnliche Themen zu verbreiten bzw zu veröffentlichen“ oder „Wir bieten Ihnen jedoch eine außergerichtliche Einigung, was die Klage auf Schadensersatz gilt“.
Diese Redaktion hat keine Korrekturen der Original-Nachrichten vorgenommen. Christian P. hakte später per Whatsapp-Nachricht beim Verein nach. Sein Rechtsberater habe ja „ein Angebot unterbreitet“.
„Der hat alle wuschig gemacht“
Der Jugendfußballobmann informierte daraufhin andere Vereine. „Mit so einem Typen will ich nichts zu tun haben. Der hat alle wuschig gemacht“, sagt er. Das gilt auch in der Region, die sich Christian P. neu „erschloss“, für einige Verantwortliche.
Denn: Zwar suchte der zweifelhafte Trainer noch immer mit einer ähnlichen Vita – zugezogen aus einer norddeutschen Großstadt, nun wohnhaft in einer westfälischen Mittelstadt – nach „einer neuen Herausforderung“. Doch ebenfalls noch immer gelang es ihm, die Menschenkenntnis mancher Entscheidungsträger zu täuschen.
Verein wäre in die Falle getappt
„Für mich ist es schockierend, dass wir da erst drauf reingefallen sind. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass jemand so etwas ausnutzt und sich an einem Sportverein bereichern will“, sagt der Sportliche Leiter, der das zeitgleiche Doppel-Gespräch initiieren wollte. Ohne Hinweis aus einem anderen Verein wäre er Christian P. vielleicht in die Falle getappt.
Er warnt: „Er drängt sich nicht auf oder fordert. So einen Eindruck hat er nicht hinterlassen. Ich habe Menschenkenntnisse, wäre aber nie darauf gekommen, dass das so ein krummer Vogel ist.“ Der krumme Vogel kreist nach Informationen dieser Redaktion derzeit nicht über Fußball-Westfalen. Von einer tatsächlich begonnen Trainertätigkeit ist seit Frühjahr 2020 nichts bekannt.
Unbekannt ist ebenfalls, was Christian P. zu alledem sagt. Mehrere Anfragen dieser Redaktion ließ er unbeantwortet. Nur einmal, im Sommer 2021, hat P. sich bislang zu den Vorwürfen geäußert.