Seit die neue Regierung im Amt ist, gibt es Pläne zur Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat den neuen Gesetzentwurf zur Cannabis-Legalisierung präsentiert. Dies soll dazu führen, dass es weniger Anzeigen und Strafverfahren gegen Konsumenten gibt, da der Besitz der Droge bis zu 25 Gramm erlaubt wird. Außerdem wird der Eigenanbau mit maximal drei Pflanzen erlaubt. Doch wie sehr werden die Gerichte dadurch wirklich entlastet?
Martin Vervoort ist der Direktor des Amtsgericht Kamen. Aus eigener Erfahrung berichtet er, dass die meisten Verfahren gegen Konsumenten noch zusätzliche Gründe haben. „Entweder die Drogen sind ein Zusatzpunkt in der Anklage, zum Beispiel bei einer Körperverletzung oder die Menge des bei sich geführten Cannabis ist sehr hoch", erzählt er. Die Anzeigen, die nur den Besitz von Cannabis behandeln, werden von der Staatsanwaltschaft schon vorher ausgesiebt. „Wir bekommen in der Regel solche Fälle, die auch mit der neuen Regelung strafbar wären“, sagt Vervoort.
Viele der Anzeigen wegen Cannabisbesitzes in kleinen Mengen werden schon vorher von der Staatsanwaltschaft fallen gelassen und landen erst gar nicht vor Gericht. „Insbesondere dann, wenn es sich um etwas Geringfügiges handelt. Zum Beispiel bei Ersttätern ohne Vorstrafen, die nur eine kleine Menge Cannabis bei sich führen", erklärt Vervoort. Da das Gericht keine Statistik darüber führt, kann Vervoort nicht sagen, wie viele Verfahren es am Gericht in Kamen im Zusammenhang mit Cannabis gibt.

Komplette Legalisierung heißt nicht gleich Entlastung
Ein Argument in der Debatte rund um die Legalisierung ist, dass es keine oder weniger Strafanzeigen geben würde, wenn Cannabis legal ist. Das würde die Justiz entlasten. Da ist Martin Vervoort etwas anderer Meinung. Statt einer Entlastung sieht er eher eine Umverteilung der Fälle. „Wir haben ja mehrere Bereiche, in denen wir tätig sind. Während das den Bereich des Strafrechts entlastet, kann es auf andere Bereiche ausstrahlen", so Vervoort. Ein Beispiel dafür wäre die Bußgeldstelle.
Sollte Cannabis legal werden, müsste auch eine Regelung für Cannabis am Steuer gefunden werden, so wie beim Alkohol. „Dann ist aber die Frage: Ist Cannabis am Steuer erlaubt? Und wenn ja, ab welchem THC-Wert ist es wieder strafbar, ab wann ist man nicht mehr fahrtüchtig? Das ist dann eine Ordnungswidrigkeit, die wieder verfolgt werden muss", so Vervoort. Sollten bei einer Anzeige gegen diese Ordnungswidrigkeit Einspruch eingelegt werden, muss dann ein Bußgeldrichter über den Fall entscheiden.
Sucht könnte zu mehr Fällen vor Gericht führen
Da Cannabis zu gesundheitlichen Schäden und zur Sucht führen kann, könnte dies auch zur Belastung für manche Bereiche der Gerichte führen, beispielsweise bei Entscheidungen zu Betreuungsfällen. „Wenn jemand krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, sind das oft Leute aus dem Suchtbereich", erklärt Vervoort. Er sieht die Gefahr, dass bei einer Legalisierung die Anzahl dieser Fälle durch Cannabis steigen könnte. Für diese Menschen muss erst entschieden werden, ob sie einen Betreuer gestellt bekommen. Wenn ja, muss zusätzlich ein Rechtspfleger bestimmt und angestellt werden, der den Betreuer kontrolliert.
Auch bei Familienangelegenheiten vor Gericht, wenn Eltern nicht mehr erziehungsfähig sind, könnte dann ein potenzieller Anstieg der Sucht eine Rolle spielen. „Bei Alkohol haben wir diesen Fall schon und das könnte auch mit Cannabis passieren", sagt Vervoort. Dieser mögliche Anstieg an Sorgerechtsstreitfällen könnte dann das Familiengericht mehr belasten.
Deutscher Richterbund kritisiert aktuellen Gesetzentwurf
Eine klare Bewertung des aktuellen Gesetzentwurfs möchte Vervoort aufgrund seiner Position als Gerichtsdirektor nicht äußern. Der Jurist verweist auf die Stellungnahme von Dieter Killmer, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Richterbunds. In dieser wird der Gesetzentwurf stark kritisiert.