Polizei ignoriert Notruf zum Busunfall in Kamen: „Das ist verdammt nochmal Euer Job!“

Polizei ignoriert Notruf: „Das ist verdammt nochmal euer Job!“
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Jens Ostrowski

Sorry, liebe Polizei. Aber das stelle ich mir in einer Notsituation anders vor. Als Bürger, aber auch als Journalist. Beruflich habe ich in meinem Leben schon viele Berichterstattungen über die Arbeit von Polizei und Rettungskräften verfasst. Vieles lief gut, manches war verbesserungswürdig. Insgesamt aber habe ich großes Vertrauen in Euch.

Gestern erlebte ich zum ersten Mal, was es bedeutet, als Augenzeuge in einen schweren Unfall verwickelt zu sein. Ich bog als Fußgänger gerade um die Ecke zum Kamener Marktplatz, als mitten auf dem Bürgersteig ein riesiger Bus auf mich zu kam. Der Fahrer klemmte bewusstlos hinter seinem Lenkrad. Durch die große Frontscheibe waren auch aufgeregte Fahrgäste zu erkennen, die offenbar versuchten, den Bus irgendwie zum Stehen zu bringen, während Passanten zur Seite liefen und die schweren Reifen mehrere Fahrräder unter sich zermalmten. Zum Glück waren es keine Menschen. Schließlich stoppte der Bus kurz vor der Hauswand einer Arztpraxis.

Polizei-Notruf 110

Als Journalist gibt es den Reflex, zuerst ein Foto zu schießen. Das tat ich nicht, sondern wählte unter dem Eindruck des Erlebten und dem Wissen, dass zumindest der Busfahrer schnelle Hilfe benötigt, den Notruf. Ich habe schon häufig darüber geschrieben, wie man sich in einer solchen Situation verhalten soll und welche Notrufnummern es gibt. Die 110 ist für die Polizei. Hier geht es um Kriminalität. Die 112 ist für Feuerwehr und Notarzt, hier geht es um Notfälle wie diesen. Im Notfall ist das alles vergessen. Zumindest bei mir.

Ich wählte die 110, eine andere Nummer kam mir gar nicht in den Sinn. Klar, nicht ideal. Helfen sollte es dennoch, meint man. Weit gefehlt. Den Beamten am anderen Ende der Leitung interessierte nicht im Geringsten, was passiert ist. Als er hörte, es braucht einen Krankenwagen, unterbrach er mich abrupt und gab mir zu verstehen, dass er mir nicht helfen könne und ich die 112 anrufen soll. Protest half nicht. Dann noch der freundliche Tipp: Wenn es schnell gehen solle, müsse es eben die 112 sein. Danke auch. Bestimmt hatten andere Passanten zu diesem Zeitpunkt bereits den Notarzt erreicht. In anderen Fällen könnten jedoch genau diese Minuten entscheidend sein.

Polizei untersucht den Fall

Polizeihauptkommissar und Chef der Pressestelle der Polizei in Unna, Bernd Pentrop, versteht die Empörung: „Es ist selbstverständlich, dass wir unter der 110 neben einem Streifenwagen einen Notarzt alarmieren, wenn das notwendig ist.“ Warum dies in diesem konkreten Fall nicht geschehen ist, will er nun intern untersuchen. Er vermutet jedoch, dass dies aufgrund der Sicherheitsgefährdung an einer Schule in Unna geschah, die gleichzeitig einen großen Polizeieinsatz erforderte.

Liebe Polizei, Ihr habt keinen leichten Job. Das weiß ich. Aber Ihr seid in Gefahrensituationen routinierter als jeder Augenzeuge. Da erwarte ich, dass Ihr euch unter der Notrufnummer zumindest anhört, was geschehen ist. Auch, wenn es gerade stressig ist. Das ist verdammt nochmal Euer Job.

Hinweis der Redaktion: Dieser Kommentar erschien ursprünglich am 1. November 2023.

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