Dummköpfe, Märchenerzähler und Demagogen Wie die AfD die Meinungshoheit übernommen hat

Dummköpfe, Märchenerzähler und Demagogen: Wie die AfD die Meinungshoheit übernommen hat
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Ulrich Breulmann

Was sind die wichtigsten Probleme, die eine neue Regierung angehen muss? Als die ARD für den Deutschland-Trend jetzt diese Frage stellte, nannten 37 Prozent Zuwanderung an erster Stelle, gefolgt von der Wirtschaft (34 Prozent).

Alles andere landete abgeschlagen dahinter: „Krieg und Frieden“ 14, „Umwelt und Klima“ 13 Prozent. Was sagt uns das? Vier Überlegungen dazu.

1. Die AfD hat die Meinungshoheit übernommen. Woher sonst kommt das von der AfD geschürte Gefühl, dass Flüchtlinge die größte Bedrohung sind? Die Lage ist komplex. Zum einen braucht Deutschland Zuwanderung, zum anderen muss die Migration begrenzt werden. Viele Städte und Gemeinden fühlen sich überfordert. Das muss sich ändern.

Darin sind sich alle einig. Vieles ist schon geändert worden, weiteres wird folgen. Und das wirkt. 2024 ist die Zahl der Asylanträge gegenüber 2023 um 29 Prozent auf 250.945 gesunken. Von Horrorszenarien, wie sie die AfD wider besseres Wissen ausmalt, sind wir weit entfernt. Die Situation entspannt sich, wenn auch langsam.

Sozialleistungen fließen vor allem ins Ausland?

Wo wir schon dabei sind, können wir gleich mit einem weiteren, von der AfD geschürten Narrativ aufräumen. Sie behauptet, dass Asylbewerber Sozialleistungen im großen Stil zweckentfremden, um Geld in ihr Heimatland zu schicken. Auch FDP-Chef Lindner blies schon in dieses Horn: Überweisungen ins Ausland könnten „eine Finanzierungsquelle für Schlepper“ sein.

Die Fakten sehen anders aus. Tatsächlich überweisen nur sieben Prozent der Geflüchteten Geld in ihre Heimat, Tendenz sinkend. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Ist also wirklich Migration das wichtigste Problem? Oder wirkt hier die Hetze der AfD?

2. Wäre die Wirtschaft (34 Prozent, Platz 2) im Deutschland-Trend als wichtigste Aufgabe genannt worden, wäre das nachvollziehbar. Hier gibt es große Struktur-Probleme mit dringendem Handlungsbedarf. Das ist unstrittig.

Fachkräftemangel, demografischer Wandel, marode Infrastruktur, Bürokratie-Wahnsinn, zu hohe Steuern und Abgaben. Alles bekannt. Alle Parteien geloben seit langem Besserung. Es wird Zeit, dass Taten folgen.

Frage von Krieg und Frieden dramatisch unterschätzt

3. Was ist mit „Krieg und Frieden“? Vor unserer Haustür tobt ein Krieg. Nie seit Ende des Kalten Krieges war die Gefahr größer, dass auch wir in einen Krieg hineingezogen werden. Dass Putin zu allem fähig ist, hat er längst bewiesen.

Der Krieg belastet uns schon jetzt stark. Nicht nur durch die über eine Million Menschen aus der Ukraine, die bei uns Schutz gefunden haben. Auch unsere Militärhilfe für das Land von über 15 Milliarden Euro ist eine schwere Hypothek.

Wir haben unsere Rüstungsausgaben bereits drastisch erhöht, um - wie Verteidigungsminister Pistorius sagt - „kriegstüchtig“ zu werden. Aber wenn es nach Trump geht, müssen wir unsere Militärausgaben auf 5 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen.

Das wären über 40 Prozent des Bundeshaushalts. Der Staat wäre quasi pleite. Das ist illusorisch, aber: Krieg und Aufrüstung kommen uns teuer zu stehen. Das schränkt die Spielräume für alles andere ein, denn das Geld des Staates hat nur eine einzige Quelle - unsere Steuern. Und dann halten die Frage von Krieg und Frieden nur 14 Prozent für besonders wichtig?

„Im Vergleich zum Mars ist ein Gefrierschrank eine Sauna“

4. Das Thema „Umwelt und Klima“ landet mit 13 Prozent noch weiter unten. Vielen ist noch immer nicht bewusst, wie wichtig das Thema für das Überleben der Menschheit ist. Wir haben nur eine Erde.

Selbst wenn Elon Musk es schaffen sollte, zum Mars zu fliegen, einen Umzug der ganzen Menschheit dorthin wird es nicht geben. Was sollten wir auch dort? Durchschnittstemperatur minus 68 Grad und praktisch kein Sauerstoff. Dagegen ist jeder Gefrierschrank eine Sauna.

Die Erderwärmung schreitet rasend voran. 2024 war das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen 1881. Im Vergleich zur vorindustriellen Zeit war es 2024 um 1,6 Grad wärmer. Das ist mehr als der international verabredete maximale Zielwert von 1,5 Grad.

Wer nicht völlig ahnungslos ist, erkennt heute problemlos die Folgen des Klimawandels: Waldbrände und Überschwemmungen, Dürre und Starkregen, Stürme und Hitzewellen... all das erleben wir bereits. Und das ist erst der Anfang.

Schon jetzt zahlen wir für die Folgen. Die deutschen Versicherer gaben 2023 5,6 Milliarden Euro aus, um die durch Naturereignisse verursachten Schäden zu begleichen. Die Preise für Versicherungen sind gestiegen und werden weiter steigen.

Windräder abreißen und Gas aus Rußland kaufen

Und dann sind da die Ignoranten der AfD. Sie wollen alle Windräder abreißen und wieder Gas aus Russland kaufen. Wie naiv und dumm ist das denn?

Im AfD-Wahlprogramm steht: „Klimawandel gab es zu allen Zeiten. (...) Die Frage nach dem Anteil des Menschen an diesem ist wissenschaftlich ungeklärt.“ Das ist definitiv falsch, da ist sich die Wissenschaft einig. Fazit: Meine Stimme bekommen weder Dummköpfe noch Märchenerzähler und Demagogen.