Oliver Kaczmarek (SPD) holt zum fünften Mal das Direktmandat CDU bei Zweitstimmen vorne

Von Stina Drechsel/Matthias Langrock
Oliver Kaczmarek holt zum fünften Mal das Direktmandat im Wahlkreis
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Ein Murmeln geht durch den Saal, es werden letzte Spekulationen ausgetauscht. Dann richten sich die Augenpaare gespannt auf die Leinwand, auf der im Kreishaus Unna die Wahlergebnisse der Bundestagswahl 2025 präsentiert werden.

Als um Punkt 18 Uhr die ersten Prognosen auf dem Bildschirm erscheinen, ist es still im Saal. Doch schon bald geht ein Raunen durch die Menge.

Denn schnell wird klar: An diesem Wahlabend könnte der CDU die große Überraschung gelingen, könnte sie sich zum ersten Mal seit 60 Jahren den Wahlkreis Unna I von der SPD holen. Und noch etwas zeigen die ersten Zahlen, die im Kreishaus eintrudeln: Die AfD wird nicht nur mit weitem Abstand drittstärkste Kraft; teilweise hat sie sogar die Chance auf mehr.

Am Ende reicht es für die CDU nur bei den Zweitstimmen. Aus einem Rückstand von knapp 15 Prozentpunkten bei der Wahl 2021 macht die CDU einen Vorsprung von mehr als 2,5 Punkten. Sie gewinnt mit 27,4 Prozent der Stimmen; die SPD landet nur bei 24,7, Die AfD wird am Ende zwar mit deutlichem Abstand auf die beiden „Großen“ drittstärkste Kraft, distanziert aber ihrerseits die Grünen deutlich.

Bei den Erststimmen gelingt es der SPD, eine noch schlimmere Schlappe zu vermeiden: Nach langem Kopf-an-Kopf-Rennen setzt sich ihr Kandidat Oliver Kaczmarek zum fünften Mal hintereinander durch. Dem erstmals angetretenen Dr. Tilman Rademacher (CDU) bleibt nur Rang 2. Die Reihenfolge auf den folgenden Plätzen entspricht der bei den Zweitstimmen: Friederike Hagelstein von der AfD landet auf dem Bronzerang, vor Michael Sacher von den Grünen, der am Wahlabend wie bereits 2021 um seinen Einzug in den Bundestag zittern muss. Am Ende könnte es davon abhängen, ob das BSW den Einzug in den Bundestag schafft.



Reaktionen auf das Wahlergebnis

Tilman Rademacher gratulierte seinem Konkurrenten zum Direktmandat und zeigte sich trotz Niederlage optimistisch für die Zukunft: „Ich gehe fest davon aus, dass wir bei den Kommunalwahlen deutlich mehr CDU-Rathäuser sehen werden als bisher.“

Marco Morten Pufke, Kreisvorsitzender der CDU, zeigte sich enttäuscht über die Niederlage von Tilman Rademacher. Eine Erklärung hat er aber dafür: „Rademacher ist zum ersten Mal angetreten, während Oliver Kaczmarek seit Jahren im Bundestag sitzt und man ihn im Kreis Unna bereits gut kennt.“

Trotz seines Sieges spricht Oliver Kaczmarek im Wahlstudio unserer Redaktion von einem „bitteren Abend“ für die SPD. Besonders betrübt zeigte sich der Bundestagsabgeordnete über den großen Zuspruch der AfD. „Es macht mich traurig, dass eine rechtsextreme Partei so viele Sitze im Bundestag bekommen hat.“

Schwieriger Wahlkampf für die Grünen

Michael Sacher von den Grünen schaute am Abend halbwegs optimistisch auf die Ergebnisse seiner Partei: „Wenn wir die Zahlen mit denen der [beiden Ampel-Koalitionsparteien] SPD und FDP vergleichen, konnten wir unsere Verluste noch im Rahmen halten“, sagt er.

Das schwache Wahlergebnis der Grünen führt er auf zwei Faktoren zurück: „Dadurch, dass Merz Stimmen der AfD in Kauf genommen hat, gab es eine starke Polarisierung nach Links und Rechts. Das hat zum Beispiel der Linken etwas gebracht, aber uns Wählerstimmen weggenommen“.

Außerdem seien einige Themen der Grünen im Wahlkampf unter den Tisch gefallen. „Da der Fokus vor allem auf Migration lag, konnten andere wichtige Sachthemen wie Klima- oder Wirtschaftspolitik nicht so zur Geltung kommen, wie ich mir das gewünscht hätte.“


Geht es um die Frage nach einer möglichen Koalition, sind sich die meisten Politiker einig: Sie wünschen sich eine Zweier-Konstellation. „Weil eine sachgerechte Bearbeitung von Themen zu dritt hochgradig schwierig ist“, sagt Kamens Bürgermeisterin Elke Kappen.

Dem stimmt auch der CDU-Kreisvorsitzende Marco Morten Pufke (CDU) zu: „Es ist deutlich schwieriger zu dritt.“ Ob der Wunsch in Erfüllung geht, war bis zum späten Wahlabend nicht klar. Alles hing davon ab, ob das BSW in den Bundestag einzieht oder nicht.

Dr. Tilman Rademacher im Kreise seiner Anhänger bei der Wahlparty der CDU im Rathaus Unna.
Dr. Tilman Rademacher verfolgte den größten Teil des Wahlabends im Unnaer Rathaus. © REHMEDIA Ray Heese