Bundesregierung beschließt Nationale Sicherheitsstrategie Wie sich Deutschland schützen will

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Die Bundesregierung hat nach monatelangen Verhandlungen erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland beschlossen. Das Kabinett verabschiedete das gut 40 Seiten starke Papier in seiner Sitzung am Mittwoch in Berlin.

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und einer immer aggressiver auftretenden chinesischen Regierung ist die Grundidee der Strategie, erstmals alle inneren und äußeren Bedrohungen für die Sicherheit Deutschlands zu berücksichtigen.

Neben militärischen Bedrohungen fallen darunter auch Cyber-Attacken, oder möglichen Anschlägen auf kritische Infrastruktur und der Klimawandel.

Nationale Sicherheitsstrategie: Was steht drin?

Laut einer von der Bundesregierung erstellten Übersicht besteht die Grundidee der Sicherheitsstrategie darin, erstmals alle inneren und äußeren Bedrohungen für die Sicherheit der Bundesrepublik in einem Gesamtkonzept zu bündeln. Dazu gehören folgende Themenfelder:

  • Landes- und Bündnisverteidigung
  • Zivilverteidigung und Bevölkerungsschutz
  • internationales Krisenmanagement und Entwicklungspolitik
  • Schütz vor fremder Einflussname und Spionage
  • Schutz von Technologie und kritischen Infrastrukturen
  • Cyber- und Weltraumsicherheit
  • Rohstoff- und Energiesicherheit
  • Umgang mit der Klimakrise und Pandemien
  • Ernährungssicherheit

Die Sicherheitsstrategie sieht dabei vor, dass sich verschiedene staatliche Ebenen untereinander vernetzen. Die „oberste Aufgabe unserer Sicherheitspolitik“ bestehe allerdings weiterhin in der Sicherstellung von Frieden in Deutschland. Die Landesverteidigung bleibt dabei weiterhin der Kernauftrag der Bundeswehr.

Maßnahmen der Nationalen Sicherheitsstrategie

Die Nationale Sicherheitsstrategie soll mit einer Politik der Integrierten Sicherheit dafür sorgen, dass Deutschland „wehrhaft und resilient ist und nachhaltig handelt“, heißt es in dem Grundsatzpapier. Was sich hinter den drei Begriffen verbirgt.

Wehrhaft: „Oberste Aufgabe deutscher Sicherheitspolitik ist es sicherzustellen, dass wir in unserem Land auch künftig in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben können.“ In dem Zusammenhang werden die Bündnisse NATO und EU betont. Um die Bundeswehr innerhalb der Bündnisse zu stärken, soll das 2-Prozent-Ziel der NATO eingehalten werden.

Zugleich werden die Investitionen in den Schutz Kritischer Infrastrukturen, Cyberfähigkeiten, eine handlungsfähige Diplomatie, den Bevölkerungsschutz, die Stabilisierung der deutschen Partner sowie eine engagierte humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit gestärkt.

Die Nationale Sicherheitsstrategie sieht auch vor, dass die EU gestärkt wird, um Frieden und Freiheit in Europa zu gewährleisten. Deshalb will sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Union um die Ukraine, die Republik Moldau und Georgien erweitert wird.

Resilient: Die freiheitliche demokratische Ordnung in Deutschland soll vor Einflussnahme von außen, vor Desinformation und jede Form von Extremismus geschützt werden. Dabei steht der Schutz der kritischen Infrastruktur im Zentrum.

Bereiche wie Krankenhäuser, Strom- und Wasserversorgung und der Verkehr sollen besser vor Katastrophen und Cyberangriffen geschützt werden. Außerdem soll das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) um „nationale Reserven“ für Nahrung, Energie und Medikamente ausgebaut werden.

Nachhaltig: In der Nationalen Sicherheitsstrategie bekennt sich die Bundesregierung erneut zum Klimaschutz und zu drastischen Reduktionen der globalen Emissionen. Außerdem will die Bundesregierung die globale Ernährungssicherheit durch eine Transformation hin zu nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystemen stärken. Auch die Prävention und Reaktion auf Pandemien soll gestärkt werden.

Insgesamt soll die nationale Resilienz durch die langfristige Absicherung der medizinischen Versorgung und Lieferketten, die Ausbildung spezialisierter Expertinnen und Experten, die Verbesserung der Früherkennung von Pandemiegefahren sowie Investitionen in sicherheitsrelevante Forschung und Entwicklung gestärkt werden.

Wird es einen nationalen Sicherheitsrat geben?

Eine zentrale Stelle für Sicherheitsfragen, wie beispielsweise einen nationalen Sicherheitsrat, wird es nicht geben. Bereits beim letzten Bundestagswahlkampf hatte CDU-Kandidat Armin Laschet einen solchen gefordert. Jetzt wollte die FDP einen Sicherheitsrat gründen.

So sagte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, ihre Partei wolle „nun mit Nachdruck daran arbeiten, dass solch ein dringend notwendiger Sicherheitsrat Eingang in die Nationale Sicherheitsstrategie findet“.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat die Entscheidung verteidigt, anders als von der FDP ursprünglich gefordert keinen gesonderten Nationalen Sicherheitsrat einzuführen. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 habe die Bundesregierung im Sicherheitskabinett getagt, sagte Baerbock am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des vom Kabinett beschlossenen Grundsatzdokuments.

Manche hätten Vorurteile gehabt und gedacht, man werde lange streiten, sagte Baerbock. Stattdessen habe sich gezeigt, dass man in kritischen Momenten vertrauensvoll zusammenzukommen und entscheiden könne. Dies werde auch in Zukunft fortgeführt - und eben nicht nur in Verteidigungsfragen, sondern etwa auch bei der Cybersicherheit oder in Fragen des Katastrophenschutzes, sagte Baerbock.

Länder fühlen sich überrumpelt

Dass die Länder - anders als ursprünglich erwartet - nicht in die Beratungen einbezogen wurden, sorgt auf deren Seite für Kritik. „Wenn die Bundesregierung ein ernsthaftes Interesse daran hätte, eine zukunftsweisende Sicherheitsstrategie zu entwickeln, so hätte sie die Länder in geeigneter Form über die fachlichen Arbeitskreise der Innenministerkonferenz beteiligen müssen“, sagt Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU), Sprecher der unionsgeführten Innenministerien. Dies sei trotz mehrmaliger Aufforderung über die Innenministerkonferenz bis zuletzt nicht erfolgt.

mit dpa