
© Marcus Land
Kinderpornos an ,Netter Lehrer‘: Schlimme Details sorgen für großes Schweigen
Strafprozess gegen Polizisten
Kinderpornographie beschäftigte das Schöffengericht in Menden am Dienstag einen kompletten Verhandlungstag. Der angeklagte Polizist schwieg. Doch davon abgesehen taten sich Abgründe auf.
Das Landeskriminalamt Berlin hatte einen Berufskollegen in den finstersten Chaträumen des Internets ausfindig gemacht. Vor Gericht sagte der Mittfünfziger zu schweren Vorwürfen nichts, nur sein Schluchzen war zwischenzeitlich zu vernehmen.
Dort wo Fotos mit sexuell missbrauchten Kindern getauscht werden, wo sich junge und alte Männer gegenseitig verbal aufgeilen mit Sätzen wie „Die Kleine mal ficken – oh ja, das wär‘s“ – dort soll sich auch ein Bundespolizist mehrere Monate lang getummelt und unzählige kinderpornographische Dateien empfangen haben.
Die Ermittler in der Hauptstadt hatten gegen Mitglieder eines Gruppenchats bei Skype ermittelt und waren über eine E-Mail-Adresse auf den Angeklagten gestoßen, der eifrig mitgemacht haben soll beim verbotenen Bildertausch.
Schlimmster Missbrauch an Minderjährigen
Das Verfahren vor dem Schöffengericht in Menden – es wird also eine Strafe von mindestens zwei Jahren erwartet – steht ab dem frühen Dienstagmorgen im Zeichen kleinteiliger Aufklärungsarbeit: Dem Angeklagten, der zwei erwachsene Kinder hat, muss nachgewiesen werden, dass er es selbst war, der auf seinem Laptop und auf seinem Notebook 75 Fotos abgespeichert hatte, die teilweise offenbar schlimmsten Missbrauch an Minderjährigen zeigen.

Viel Beratungsbedarf gab es für das Schöffengericht in dem Verfahren um Kinderpornographie. Das Schöffengericht besteht aus einer Berufsrichterin und zwei Schöffinnen, also Laienrichterinnen. © Marcus Land
Am Richtertisch müssen zwei Schöffinnen und die Staatsanwältin die auf Papier ausgedruckten Fotos zum ersten Mal betrachten. Die Zuschauer im Gerichtssaal bekommen sie nicht zu sehen. Sie können nur ahnen, was sie zeigen.
„Die abgebildeten Kinder sind sehr jung“, hatte ein ermittelnder Kriminalbeamter protokolliert. Die Staatsanwältin spricht in ihrer Anklageschrift von oralem, vaginalem und analem Missbrauch der Kinder, die alle unter 14 Jahre alt sind.
Die Inaugenscheinnahme der Fotos, wie es so förmlich heißt, dauert einige Minuten. Für Momente beherrscht allein das Geräusch des Umblätterns unzähliger Seiten den Raum. Zu sehen sind nur schwarze Roben und schweigende Gesichter.
Sachverständiger rekonstruiert Empfang der Kinderpornos
Die Vorsitzende muss an diesem Tag die Verhandlung mehrmals unterbrechen, weil der Verteidiger gegen die Verwertung von Aktenmaterial Widerspruch erhebt. Dem Einspruch wird jedes Mal stattgegeben, wohl auch um den Prozess nicht zu gefährden.
In einem nichtöffentlichen Rechtsgespräch wird nach mehr als zwei Stunden Prozessdauer ausgelotet, ob der Angeklagte ein Geständnis ablegen würde, wenn er mit einem bestimmten Strafrahmen rechnen könnte – er lehnt ab.
Dem Gericht bleibt nichts anderes übrig, als dem Angeklagten im wahrsten Sinne des Wortes auf die Spur zu kommen. Diesen Part übernimmt ein Sachverständiger für IT-Forensik, der eigens aus München angereist ist.
Der Gutachter ist spezialisiert darauf, Dateien und das, was nach ihrer Löschung von ihnen noch übrig ist, auf Computern zu finden – und vor allem ihren Weg auf die Speichermedien zu rekonstruieren.
Ein Knackpunkt des Prozesses, den auch der Verteidiger sieht: Könnte Schadsoftware ohne Wissen seines Mandanten Dateien aus dem Internet heruntergeladen haben? Gibt es einen Skype-Virus, der die Chatverläufe manipuliert haben könnte? War der Router des Angeklagten schlecht gesichert, sodass sich Fremde in sein W-LAN einwählen konnten? Der Sachverständige entkräftet diese Entlastungsmöglichkeiten größtenteils.
Vergewaltigungsfantasien in Skype-Gruppe „Shy Teens“
Belastend sind dagegen eindeutige Dialoge, die gesichert werden konnten, in der Skype-Gruppe „Shy Teens“, wo Teilnehmer Aliasnamen wie „Netter Lehrer“, „Pumuckl502“ oder „Pälzer Bub“ tragen. Sie beabsichtigten, sich tabulos an Kindern zu vergehen, heißt es da in einem Chat, den der Angeklagte geführt haben soll.
Der Angeklagte verdeckte seine Augen bei diesen Zitaten mit seinen Händen; ein leises Schluchzen war zu vernehmen. Weil sein Verteidiger eventuell noch Zeugen vorladen lassen will, vertagte sich das Gericht auf den 12. Mai.
Geboren 1972 in Schwerte. Leidenschaftlicher Ruhrtaler. Mag die bodenständigen Westfalen. Jurist mit vielen Interessen. Seit mehr als 25 Jahren begeistert an lokalen Themen.
