Mehr Informationen zur Qualität von Kliniken für alle Patientinnen und Patienten: Das soll nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums der in der vergangenen Woche online gegangene Bundes-Klinik-Atlas liefern. Als einen „übersichtlichen Wegweiser durch den Krankenhaus-Dschungel in Deutschland“ hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Plattform beim Start bezeichnet.
Gesteckte Ziel verfehlt
Aus Sicht der meisten Krankenhäuser im Kreis Borken verfehlt der Atlas hingegen das vom Minister gesteckte Ziel – und zwar deutlich. Kritik am Klinik-Atlas kommt dabei sowohl vom Klinikum Westmünsterland mit den Häusern Ahaus, Bocholt, Borken und Vreden als auch vom St. Antonius-Hospital Gronau. Die Kritik, die deren Pressesprecher Tobias Rodig (Klinikum) wie auch Ansgar Höing (St. Antonius) äußern, konzentriert sich im Wesentlichen darauf, dass zum einen alte Zahlen, aber auch teils falsche Werte zu Fällen und Patientenaufkommen in dem Klinik-Atlas auftauchten. Zudem sei die Übersicht über die Krankenhäuser und deren Angebote für Patienten schwer zu handhaben.
Angebot unzureichend und falsch
Der Atlas bilde das „Versorgungsangebot im Westmünsterland absolut unzureichend und in Teilen grob falsch ab“, schreibt Rodig in einer Pressemitteilung. Da die im Klinikatlas verwendeten Daten aus 2022 stammten, fehlten in der Übersicht die Fälle, die im mittlerweile geschlossenen Krankenhausstandort des Klinikums in Stadtlohn angefallen seien. So würden beim Suchbegriff „Akuter Herzinfarkt“ für das Ahauser Krankenhaus, das die kardiologische Versorgung aus Stadtlohn übernommen hat, zu wenig Fälle angezeigt.
Auch bei der Geburtshilfe, wo das Klinikum die ehemaligen Abteilungen in Borken und Bocholt zusammengelegt hat, würden viele Fälle nicht berücksichtigt. Nach Angaben des Ministeriums stammen die Zahlen für Fall- und Personaldaten, die für den Atlas erhoben wurden, derzeit noch aus dem Jahr 2022. In einem ersten Update des Atlas sollen in Kürze aber die Zahlen aus 2023 eingepflegt werden. Auch sollen bis Jahresende Leistungsgruppen, Zertifikate und andere Merkmale der Krankenhäuser aktualisiert werden. Dem hält das Klinikum entgegen: „Die Daten, die wir selbst anderen liefern, sind korrekt.“
Aktuellere Zahlen folgen
Dass das Ministerium neuere Zahlen „nachlegen“ will, tröstet das Klinikum jedenfalls nicht: „Eine Korrektur der Daten ist zwingend notwendig und sollte selbstverständlich sein. Man hätte, entweder die Zahlen aus Stadtlohn auf die aufnehmenden Kliniken anrechnen müssen oder – noch besser – einfach aktuelle Daten nutzen sollen“, so Rodig auf Nachfrage. Immerhin sei das Ministerium dabei, falsche Zahlen zu berichtigen. Das zeige aber auch, wie wenig valide die bisherigen Daten seien, so das Klinikum.
Falsche Ergebnisse bei Suche
Zudem funktioniere eine wesentliche Aufgabe des Klinik-Atlas noch nicht, wie das Klinikum Westmünsterland betont, nämlich jene, Patienten die Auswahl der für sie am besten geeignetsten Klinik zu erleichtern. Wer etwa bei der Suche nach einem geeigneten Krankenhaus den Begriff „Blinddarm“ eingibt, muss sich entscheiden, ob nach Behandlungen für eine „akute Blinddarmentzündung“, eine „Traumatische Läsion der Blinddarmserosa“ oder eine der anderen zahlreichen Krankheiten dieser Art gesucht werden soll.
„Wer nicht die korrekte Bezeichnung nach OPS- (Prozeduren) und ICD-Codierung (Diagnosen) und damit den genauen medizinischen Fachbegriff kennt, erhält oftmals falsche Ergebnisse“, so Rodig.
Start besser verschoben
Dem Eindruck seines Kollegen, der Atlas sei vielleicht „gut gemeint, aber schlecht gemacht“, schließt sich Ansgar Höing für das St. Antonius-Hospital an. So habe man auch für das Gronauer Krankenhaus festgestellt, dass einige Zahlen fehlten oder nicht korrekt seien. Solche Fehler beträfen offenbar alle Krankenhäuser, so Höing, auch wenn sich „Zahlen derzeit offenbar verändern.“
Unterm Strich findet Ludger Hellmann, Sprecher der Geschäftsführung, dass es besser gewesen wäre, den Atlas „mit höherem Reifegrad und validen Daten an den Start zu bringen.“
Sieben Einrichtungen im Kreis vertreten
- Der Kreis Borken ist im Bundes-Klinik-Atlas mit sieben Standorten vertreten, von denen mit Ahaus, Bocholt, Borken und Vreden vier zum Klinikum Westmünsterland gehören. Hinzu kommt mit einem ebenfalls breiten Angebot an medizinische Fachleistungen das St.-Antonius-Hospital Gronau. Die beiden kleineren Häuser, das Augusta-Hospital Anholt (Klinik für Neurologie) und das evangelische Lukas-Krankenhaus (Akutgeriatrie/Frührehabilitation sowie Psychiatrie und Psychotherapie) bieten ausgesuchte Leistungen an.
- Neben vielen Zahlen und Angeboten listet der Klinik-Atlas für die Häuser im Kreisgebiet auch den sogenannten Pflegequotienten auf. Dieser errechnet sich unter anderem aus der Zahl der Pflegekräfte und deren Belastung, die je nach Aufgabe und Krankheiten unterschiedlich hoch ist. Dabei gilt: je niedriger der Quotient ist, desto besser ist die Ausstattung mit Pflegekräften. Werte um die 50 gelten als bundesweiter Mittelwert. Laut Klinik-Atlas liegen die Werte bei den größeren Häusern im Kreis Borken zwischen 42 und 55.