Bürokratie hindert gewillte Lehrer an der Arbeit Weniger Gehalt trotz langer Erfahrung

Bürokratie hindert gewillte Lehrer an der Arbeit
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Der Lehrer-Mangel ist in Nordrhein-Westfalen weiterhin ein präsentes Thema. Rund 8.000 Stellen sind im Bundesland unbesetzt, auch Dortmund und Unna sind betroffen. Das Schulministerium hat am Mittwoch ein Maßnahmenpaket dazu vorgestellt. Dabei stehen interessierten Lehrer bürokratische Hürden im Weg, wenn sie ins Landesschulwesen wechseln wollen.

„Wir nehmen jeden, der nicht schnell genug auf dem Baum ist“, hatte Matthias Landsberg, Schulleiter der Schillerschule und Sprecher der Unnaer Grundschulen dieser Redaktion gesagt. So groß sei der Bedarf an Lehrkräften. Eine Aussage, die bei einem Lehrer für Verwunderung sorgt.

Die Diskrepanz zwischen dem Bedarf der Schulen und dem, was das Land NRW ermögliche, sei groß, sagt er. Weil er Konsequenzen seines jetzigen Arbeitgebers befürchtet, möchte der Lehrer anonym bleiben.

Aktuell unterrichtet der Oberstudienrat für den Bund. Er ist verbeamtet. Weil sich bei seinem Dienstherren in Zukunft einige Dinge strukturell ändern, würde der Lehrer aber gerne wieder in das Landesschulwesen wechseln. Dort unterrichtete er bereits an Berufskollegs. Vor fünf Jahren kehrte er diesen den Rücken.

Dass es mehrere tausend unbesetzte Stellen für Lehrkräfte gibt, weiß der Lehrer natürlich. „Da dachte ich mir, die müssten mir im Prinzip den roten Teppich ausrollen, wenn ich zurückkomme“, sagt der Wirtschaftslehrer.

Lehrer erfüllt Formalia für Bewerbung nicht

Auf die Schulleiter trifft das grundsätzlich auch zu. Mehrere hätten ihm schon bescheinigt, sie würden ihn einstellen, sagt der frustrierte Lehrer. Doch es hakt an anderer Stelle. Die Bürokratie legt ihm Steine in den Weg.

Aktuell gehört der 47-Jährige der Besoldungsgruppe A14 des öffentlichen Dienstes an. Will er vom Bundes- in das Landesschulwesen zurück wechseln, müsse er sich per Online-Portal auf eine A14-Stelle bewerben.

Lehrer fast ohne Chancen

Das Problem: Solche Stellen schreibt das Land nur als interne Beförderungsstellen aus. Mit seiner mehr als 15-jährigen Berufserfahrung verfügt der Lehrer aber bereits über A14. Weil er zudem momentan nicht an einer Landesschule unterrichten und demnach nicht befördert werden könne, ist eine Bewerbung schon formal nicht möglich.

Theoretisch möglich ist dagegen das Bemühen um eine A15-Stelle. Das war der Vorschlag, die ihm die zuständige Dezernentin eines Regierungsbezirks gemacht habe. Die Schwierigkeit hier: Solche Positionen würden in der Regel schulintern „ausgeklüngelt“.

Lehrer müsste auf Gehalt verzichten

Externe Bewerber hätten demnach aufgrund ihrer geringeren Erfahrungen an der konkreten Schule kaum eine Chance. „Es ist nicht einfach, in ein bestehendes System hereinzukommen“, sagt der Lehrer. Eine solche Beförderung zum Studienrektor sei auch gar nicht sein vorrangiges Ziel.

Was bleibt, ist eine Anstellung als Studienrat. Dabei handelt es sich um die Besoldungsgruppe A13. Der Wirtschaftslehrer mit zweitem Staatsexamen würde trotz jahrelanger Berufserfahrung behandelt wie ein Neueinsteiger.

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„Sämtliche Versorgungsansprüche wären weg“, sagt er. Hinzu käme ein Netto-Gehaltsunterschied von 400 bis 500 Euro. Ohnehin zahle der Bund immer besser als das Land. „Es muss irgendeine Möglichkeit geben, diesen Status mitzunehmen. Ich weiß auch nicht weiter“, sagt der Lehrer.

Persönliche Gespräche mit den Dezernenten verschiedener Regierungsbezirke seien ergebnislos geblieben. Selbst, als er sich verstanden fühlte, habe eine bemühte Dezernentin doch wieder nur auf die im Weg stehende Bürokratie verwiesen. Das Schulministerium habe er schon im April angeschrieben – und keine Antwort erhalten. Auch das aktuelle Maßnahmenpaket adressiert die Problematik nicht.

Das Gebäude der Bezirksregierung in Arnsberg.
Das Gebäude der Bezirksregierung in Arnsberg. © Heiko Mühlbauer

„Ich habe eigentlich erwartet, dass man das Problem mal erkennt und eine Lösung findet“, sagt er. Im Regierungsbezirk Arnsberg ist das offenbar zumindest in Teilen der Fall. Den hat diese Redaktion mit dem Fall des Lehrers, der eine von vielen tausenden offenen Stellen besetzen könnte, konfrontiert.

Auf einer älteren Verabredung der Kultusministerkonferenz beruhe die Regelung, „Lehrkräfte grundsätzlich nur im Eingangsamt zu versetzen“, heißt es aus der Pressestelle des Regierungsbezirks. Daran halte dieser sich grundsätzlich auch.

Bezirksregierung Arnsberg macht Ausnahmen

Doch im Gegensatz zu anderen Bezirksregierungen macht der Regierungsbezirk Arnsberg, die unter anderem Dortmund und den gesamten Kreis Unna umfasst, in Einzelfällen eine Ausnahme und übernehme Lehrkräfte in die Besoldungsgruppe A14.

„Insbesondere dann, wenn sie über dringend benötigte Fächer verfügen“, sei so etwas möglich, heißt es aus der Arnsberger Pressestelle. Dazu zählen beispielswiese Lehrkräfte, die die sogenannten „MINT-Fächer“ unterrichten.

MINT-Fächer besonders gesucht

Gemeint sind Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Wer für diese Fächer ausgebildet wurde, hat „klare Vorteile“, heißt es von der Bezirksregierung.

Allerdings berücksichtigt diese nicht nur die Unterrichtsfächer. Ob das erworbene Lehramt in Nordrhein-Westfalen anerkannt ist, sei dabei etwa relevant – und auch, „ob aus der vorherigen Tätigkeit der Lehrkraft beim Land Erkenntnisse vorliegen, die einer Übernahme entgegenstehen“.

Ansprechpartner beim Regierungsbezirk Arnsberg

Lehrer, die an einem Wechsel in das Landesschulwesen interessiert sind, stellt die Bezirksregierung mit Sabine Bargheer (Tel. 02931 823336) eine Ansprechpartnerin zur Verfügung. Seiteneinsteiger können mit Imke Möckel (Tel. 02931 823139) Kontakt aufnehmen.

Der Wirtschaftslehrer, der gerne wieder ein einer Landesschule unterrichten würde, wird das wohl nicht tun. Inzwischen habe er die Hoffnung aufgegeben und werde wohl weiter für den Bund unterrichten, sagt er.