Bürgergeld braucht Sanktionen Leistungs-Kürzungen als Notwehr der Solidargemeinschaft

Bürgergeld braucht Sanktionen: Akt der Notwehr der Solidargemeinschaft
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Ulrich Breulmann

In diesen Tagen debattieren, besser gesagt streiten Bundestag, Bundesrat und die Spitzen der Parteien – mal wieder – über das Bürgergeld. Es soll zum 1. Januar Hartz IV ablösen.

Dabei gibt es diverse Knackpunkte, mir geht es nur um einen: die sogenannte „Vertrauenszeit“. Demnach soll ein Bürgergeld-Bezieher nur höchst eingeschränkt sanktioniert werden können, wenn er Auflagen des Jobcenters nicht beachtet.

Drei Punkte gegen Missverständnisse

Um nicht missverstanden zu werden, muss ich dreierlei vorausschicken:

1. Ich glaube nicht, dass die rund 3,7 Millionen Hartz-IV-Bezieher in Deutschland faule Sozialschmarotzer sind.

2. Ich bin davon überzeugt, dass der weitaus größte Teil dieser Menschen froh wäre, wenn er sein Leben anders finanzieren könnte.

3. Ich bin sicher, dass es weder komfortabel noch lustig ist, wenn man gezwungen ist, von Hartz IV oder dem künftigen Bürgergeld leben zu müssen. Deshalb ist auch eine Erhöhung der Regelsätze in meinen Augen absolut richtig.

Das vorausgeschickt frage ich mich ernsthaft, wie man auf die absurde Idee mit dieser sogenannten Vertrauenszeit kommen kann. In diesen sechs Monaten soll das Bürgergeld nur dann um zehn Prozent gekürzt werden können, wenn jemand mehrfach einen Termin beim Jobcenter nicht wahrnimmt.

Tritt er oder sie dagegen beispielsweise eine zumutbare Arbeitsstelle nicht an, gäbe es sechs Monate lange keine Sanktionen, so lautet der Gesetzesvorschlag von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Wo der einzelne überfordert ist, springt der Staat ein

An diesem Punkt fehlt mir ehrlicherweise das Verständnis. Egal ob Hartz IV oder Bürgergeld. Das eine wie das andere ist das Geld, das die arbeitenden Menschen in Deutschland von ihrem Lohn oder Gehalt abgezogen bekommen, damit in Not geratenen Menschen, die ihren Job verloren haben, geholfen wird. Das ist ein Akt der Solidarität oder – wie man das gerne auf Staatsebene nennt – der Subsidiarität. Wo der einzelne überfordert ist, springt der Staat ein.

Im Gegenzug heißt das aber auch: Der einzelne möge bitte alles ihm Mögliche tun, damit er nur so kurz wie nötig auf die Hilfe der Solidargemeinschaft angewiesen ist. Dazu gehört, dass er eine ihm vermittelte zumutbare Arbeitsstelle, einen Ausbildungsplatz oder auch eine Weiterbildungsmaßnahme annimmt.

Dazu gehört beispielsweise auch, dass er sich selbst um eine neue Arbeitsstelle bemüht und dass er sich an die mit dem Jobcenter abgesprochenen Maßnahmen zur Wiedereingliederung hält. Ich denke nicht, dass das zu viel verlangt ist.

Was bringen Regeln ohne Konsequenzen beim Überschreiten?

Das sind die Regeln und die werden, so sagen die Befürworter der Vertrauenszeit, auch durch die Vertrauenszeit nicht außer Kraft gesetzt. Was außer Kraft gesetzt werde, seien lediglich die Konsequenzen für den Fall, dass man die Regeln bricht. Fragt sich nur, was bringen dann Regeln? Was bringt ein Tempolimit, wenn jeder straflos so schnell fahren kann, wie er will?

Es ist gut, dass es bei uns das Prinzip der Subsidiarität gibt. Das kann aber nur funktionieren und wird auch nur dann auf Dauer von allen akzeptiert werden, wenn wirklich nur denen geholfen wird, die aus eigener Kraft überfordert sind.

Wenn dagegen jemand aus welchen Gründen auch immer eine ihm zugewiesene zumutbare Arbeitsstelle ablehnt und damit selbst verschuldet weiter vom Geld der anderen leben möchte, dann muss man ihm schon klarmachen: Die Solidarität der anderen mit ihm hat Grenzen. Eine Kürzung seiner Bezüge ist in meinen Augen daher keine Grausamkeit gegenüber einem Bedürftigen, sondern ein Akt der Notwehr der Solidargemeinschaft.

Bußgeldkataloge werden nie für die Gesetzestreuen geschrieben

Im Übrigen sollten wir uns nichts vormachen: Bußgeld-Kataloge und Strafgesetzbücher wurden noch nie für die Gesetzestreuen geschrieben. Auch beim Bürgergeld käme der absolute Großteil der Bezieher niemals in die Gefahr, sanktioniert zu werden – weil sich die allermeisten eben schon allein aus Einsicht und nicht erst aus Angst vor Strafe an die Regeln halten.

Es geht daher nur um diejenigen, die sich nicht sauber verhalten. Denen jetzt einen Freifahrtschein auszustellen und ihnen zu sagen: „Ein halbes Jahr lang könnt ihr tun und lassen, was ihr wollt, wir zahlen trotzdem“, ist aus meiner Sicht daher absolut falsch und für die Solidarität innerhalb der Gesellschaft schädlich dazu.

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