Das Baby überlebt, die Mutter fällt ins Koma und verstirbt: Der dramatische Tod einer Krankenschwester (45) kurz nach einer komplizierten Hausgeburt in Bochum beschäftigt seit Montag (7.8.) das Bochumer Landgericht. Laut Anklage ist eine Hebamme (60) für den Tod der Mutter verantwortlich, weil sie viel zu spät zugelassen haben soll, dass ein Notarzt hinzugerufen wird. Der Vorwurf: fahrlässige Tötung.
„Sie war traumatisiert“
Das dramatische Geschehen passierte in der Nacht auf den 10. September 2020. Es war bereits die zweite Geburt der später verstorbenen Frau aus Bochum, einer Kinderkrankenschwester. Auch bei der ersten Entbindung im Dezember 2017 hatte es Komplikationen gegeben. Damals waren in der Geburtsklinik starke Blutungen bei ihr aufgetreten.
Diesmal wollte sie ihr Kind unbedingt zu Hause zur Welt bringen. Obwohl ihr laut Anklage dringend davon abgeraten wurde. „Sie war traumatisiert, hat die Schuld für die Komplikationen in der schulmedizinischen Behandlung gesehen“, erinnerte sich die Ehefrau (55) der Verstorbenen, eine Ärztin, als Zeugin. „Für meine Frau stand fest: Sie möchte nur eine Hausgeburt. Die Vorstellung, alleine und mit Maske im Gesicht, es war ja mitten in der Corona-Pandemie, in der Klinik zu sein, war für sie ein absolutes No-Go.“
Frauenärztin lehnte ab
Sie selbst, so die Ehefrau weiter, habe dem Vorhaben „Hausgeburt“ eher kritisch, letztlich aber mehr oder weniger machtlos gegenübergestanden. Die später Verstorbene habe auf ihrem Standpunkt beharrt.
„Die Frau versuchte Hebammen zu bewegen, an ihrer Wohnanschrift eine Hausgeburt zu begleiten. Das hatte nicht nur die behandelnde Frauenärztin abgelehnt, sondern auch eine zunächst befragte Hebamme“, heißt es in der Anklageschrift. Die jetzt angeklagte Hebamme dagegen „erklärte sich bereit“, so Staatsanwalt Jens Cieslak.

Keine rechtzeitige Hilfe
Weil die Bochumerin bereits 45 Jahre alt war, war die bevorstehende Geburt laut Staatsanwaltschaft eine Risiko-Geburt. Die Anklage wirft der Hebamme vor, erst mehr als eine Stunde nach Auftreten starker Blutungen bei der Mutter zugestimmt zu haben, dass die bei der Hausgeburt mit anwesende Ehefrau einen Notruf absetzen durfte. Zu diesem Zeitpunkt soll die später Verstorbene, die in einem aufblasbaren Swimmingpool das Kind zur Welt gebracht hatte, bereits zwei Liter Blut verloren haben.
Die Blutungen waren letztlich so stark, dass die Frau in einen Schock verfiel. Einen Tag später verstarb sie auf der Intensivstation im Bochumer St. Josef Hospital an Multiorganversagen. Staatsanwalt Jens Cieslak wirft der Hebamme in der Anklage vor: „Hätte sie ordnungsgemäß vorgesorgt und bei Eintreten der Blutungen rechtzeitig ärztliche Hilfe eingeholt, wäre das Leben der Mutter um eine messbare Spanne verlängert oder aber gar erhalten worden.“

„Das ist doch nicht dein Ernst“
Die Ehefrau der Verstorbenen, selbst Ärztin und neben einer weiteren Ärztin bei der Hausgeburt dabei, erhob schwere Vorwürfe gegen die Angeklagte. „Ich habe schon ganz früh und dann zwischendurch immer wieder gefragt, ob wir nicht doch einen Notarzt rufen sollen“, erinnerte sich die Witwe.
Das hätten ihre Frau (die Mutter), die Hebamme und die andere Ärztin aber verneint. Die Hebamme sogar besonders „schnippisch“, so die Zeugin. Auch auf ihr Ansinnen, der immer schwächer werdenden Mutter einen Zugang für eine Infusion zu legen, habe die Hebamme nur kopfschüttelnd reagiert und gerufen: „Das ist doch jetzt nicht dein Ernst.“
„Ich war so wütend“
„Ich war so wütend, hätte wirklich gerne den Notarzt gerufen, aber da waren immer drei andere, die gesagt haben ‚Nö‘.“ Dabei sei ihre Partnerin bereits blass gewesen, habe nicht mehr stehen können, sei später sogar ins Koma gefallen geworden.
Selbst da habe die Hebamme nichts unternommen, sogar noch darauf verwiesen, dass sie angeblich soeben einen Blutdruck von 100 zu 60m gemessen habe. „Ich hatte Sekunden davor am anderen Arm schon keinen Blutdruck mehr messen können“, so die Witwe.
Angeklagte schweigt
Erst als bei der später Verstorbenen „Schnappatmung“ eingesetzt habe, habe sie – die Zeugin – gegen alle vorherigen Widerstände das Ruder an sich gerissen und einen Notruf abgesetzt.
Die Hebamme hat sich zum Prozessauftakt auf ihr Schweigerecht berufen. Für die Verhandlung sind noch fünf weitere Verhandlungstage bis zum 1. September anberaumt. Im Falle einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung drohen der Hebamme bis zu fünf Jahre Haft.
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