Bundespolizist schlägt Obdachlosen Darum waren alle Bodycams ausgeschaltet

Bundespolizist schlägt Obdachlosen: „Alle Bodycams aus!“
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Ein Bundespolizist (45) aus Hattingen muss nach Schlägen gegen einen Obdachlosen am Bochumer Hauptbahnhof eine Geldbuße in Höhe von 1200 Euro bezahlen. Im Gegenzug wurde sein Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt am Bochumer Amtsgericht vorläufig eingestellt.

„Halt‘s Maul, Digga“

Es war am 4. Dezember 2021, als der Obdachlose am Südeingang des Bochumer Hauptbahnhofs durch ständige Pöbeleien aufgefallen war und deswegen letztlich einen Platzverweis erteilt bekommen hatte.

Der angeklagte Bundespolizist begleitete den wohnungslosen Mann damals zur Polizeiwache am Bahnhof. Auf dem Weg dorthin kam es laut Anklage zu weiteren massiven Beleidigungen, obszönen Pöbeleien und Provokationen durch den Obdachlosen. „Spar dir deine Machtgeilheit!“, soll er dem Polizisten unter anderem zugerufen haben. Außerdem „Halt’s Maul, Digger!“. Dazu muss man wissen: Wochen zuvor hatte derselbe Polizist gegen den Obdachlosen eine Anzeige wegen „Erschleichens von Leistungen“ geschrieben, weil der sein Smartphones auf der Bahnhofstoilette aufgeladen hatte.

„Habe nichts zu verbergen“

Bei Betreten der Wache ordnete der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft gegenüber Kollegen an, die Bodycams auszuschalten. Im Rucksack des Obdachlosen wurden eine Zwille mit Metallgeschossen und ein Messer gefunden. Wenig später kam es zu einem tätlichen Gerangel an einer Sitzbank. Der Obdachlose rief: „Er schlägt mich.“

Der Polizist räumte zwei sogenannte polizeiliche „Blendschläge“ ein, die er so rechtfertigte: „Ich bin von einem Angriff ausgegangen, so dass ich Handeln musste. Ich habe in diesem Fall nichts zu verbergen.“ Geschlagen habe er mit dem Handballen. Nur einer der Schläge habe das Gesicht des Obdachlosen „gestreift“. Verletzungen habe er bei dem Mann nicht erkennen können.

Entscheidung revidiert

Auf die Frage des Gerichts, warum er damals anordnen ließ, die Bodycams auszuschalten, antwortete der Bundespolizist: „Es gab eine Dienstanweisung, dass Bodycams bei Betreten der Wache auszuschalten sind. Da ging es nicht darum, etwas zu vertuschen.“

Nur wenig später, so der Polizist habe er seine Entscheidung revidiert und trotz Dienstanweisung angeordnet, dass die Bodycam wieder eingeschaltet wird: „Dabei ging es mir dann primär um die prozessuale Beweissicherung. Das war mit wichtiger.“

Zeuge ist unauffindbar

Fakt ist: Ein Kollege des Angeklagten hatte den Einsatz mit seiner Bodycam danach gefilmt. Wie Verteidiger Christoph Pindur erklärt, sei es Standard bei Bodycams, dass ab dem Einschalten „auch die letzten 30 Sekunden davor gesichert werden“. Eine Bodycam sei nämlich im Hintergrund praktisch immer „on air“.

Ob und wo der Obdachlose getroffen wurde, ist offenbar auf dem gesicherten Video trotzdem nicht genau zu erkennen. Weiteres Problem im Bereich der Aufklärung: Der Obdachlose stand und steht als Zeuge nicht zur Verfügung, er gilt zurzeit als unauffindbar.

In den Innendienst versetzt

Nach einer Zwischenberatung verständigten sich Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht auf eine Verfahrenseinstellung gegen Geldbuße.

Der Bundespolizist, der nach eigenen Angaben seit dem Vorfall in den Innendienst versetzt worden ist, wollte unbedingt einen Schlussstrich. Dass damals zügig auch gegen ihn Ermittlungen aufgenommen worden waren, hatte den 45-Jährigen überrascht: „Als ich am nächsten Tag zum Spätdienst kam, hatte man mir den Vorgang schon abgenommen.“

Der 45-Jährige gilt durch die Verfahrenseinstellung nach wie vor als „unbestraft“.

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