Es ist Montagmorgen (16.01.) gegen 7.50 Uhr, als bei der Polizei erste Notrufe eingehen. Zeugen melden einen fürchterlichen Vorfall: Eine 32-jährige Hertenerin ist auf dem Gehweg der Straße „Über den Knöchel“ in Herten von einem Mann mit einem Messer attackiert und durch mehrere Stiche schwer verletzt worden. Ihr fünfjähriger Sohn sitzt daneben, der Täter ist in Richtung Backumer Tal geflüchtet.
Dunkel, kalt, überall Blut
Noch vor dem Rettungsdienst trifft die Besatzung eines Streifenwagens am Tatort ein. Zwei vergleichsweise junge Beamte – beide 22 Jahre alt – und ein 29-jähriger Kollege sind mit einer unübersichtlichen Situation konfrontiert. Es ist dunkel, windig und kalt. Da sind die schwer verletzte Mutter und das blutverschmierte Kind. Aber wo ist der Täter? Noch in der Nähe? Immer noch bewaffnet? Besteht weiterhin Gefahr?
In dieser schwierigen Situation reagieren die Beamten geistesgegenwärtig, beherzt, mutig – und genau richtig. Als Ausrüstung auf dem Streifenwagen haben sie ein sogenanntes Tourniquet zur Verfügung. Dabei handelt es sich um einen Riemen mit einem drehbaren Knebel, mit dem sich starke Blutungen an Armen und Beinen durch Abbinden reduzieren oder stoppen lassen.
Auf diese Weise gelingt es den Beamten zu verhindern, dass die Frau auf offener Straße vor den Augen ihres Kindes verblutet. Vom Rettungsdienst bekommen sie später die Rückmeldung, dass die Mutter wahrscheinlich den Weg ins Krankenhaus nicht überlebt hätte, wenn die Polizisten nicht sofort Erste Hilfe geleistet hätten.

„Erste Hilfe wird in der Ausbildung von Polizeibeamten und auch später immer wieder behandelt“, erklärt Behördensprecherin Ramona Hörst. „Denn es passiert häufig, dass Polizeibeamte bei Unfällen oder an Tatorten als erste eintreffen und dann handeln müssen.“
Gespräche und psychologische Betreuung
Solch dramatische Einsätze wie dieser in Herten sind für Polizistinnen und Polizisten jedoch nicht alltäglich. Insbesondere junge Beamte müssen erst einmal lernen, mit dem Erlebten und den Eindrücken im Nachhinein umzugehen. In dieser Hinsicht habe sich bei der Polizei in den letzten Jahren viel getan, sagt Ramona Hörst. „Solche Vorfälle werden nicht einfach abgetan, sondern es wird genau geschaut, wie es den Beamten geht.“ Vom Kollegengespräch bis hin zu professioneller psychologischer Betreuung reiche die Bandbreite der Hilfsangebote.

Zustand der Mutter hat sich stabilisiert
Der Zustand der Frau, die schwere Stichverletzungen im Oberkörper erlitt und künstlich beatmet werden musste, hat sich inzwischen stabilisiert. Der fünfjährige Junge blieb körperlich unversehrt. Er wurde gut und sicher untergebracht. Der Ex-Mann der schwer verletzten Frau, der als dringend tatverdächtig gilt, flüchtete nach Tschechien, wo er am Mittwoch festgenommen wurde.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist in Abstimmung mit dem Polizeipräsidium Recklinghausen entstanden, das Einzelheiten zu den Beamten und zum Hergang genannt hat. Im Vorfeld wurde geprüft, dass die Polizisten den Einsatz psychisch so gut bewältigt haben, dass eine Berichterstattung möglich ist.
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