Horst Dinter hat es sich in seiner Wohnung schön gemacht. Aus dem hellen Flur mit den weißen Bodenfliesen steuert der 74-jährige Kamener direkt ins Wohnzimmer mit großen Fenstern, die viel Licht einlassen. Urgemütlich ist es. Hier die bequeme Couch mit der Leseecke, dort schön ausgesuchte Deko und leuchtende Blütenpracht auf der Fensterbank.
Eine Vorzeige-Wohnung an der Blumenstraße. Ausgerechnet in dem Quartier, das als Kamens Problemviertel gilt. Aber nicht hier. Nicht in diesem Haus mit der Hausnummer 1. Zwölf Wohnungen gibt es und allesamt sind gut in Schuss. Dinter weiß das. Schließlich wohnt er nicht nur hier, sondern ist auch Hausmeister. „Ich bin hier Mädchen für alles“, sagt er lachend. Der Senior ist längst nicht im Ruhestand wie andere in seinem Alter. Als Kümmerer kennt er hier jeden Quadratzentimeter.

Schön und unschön liegen an der Blumenstraße nah beieinander. Dinter steht am Fenster seines Wohnzimmers und blickt auf die gegenüberliegende Seite der Straße. „Ja, das ist der nette Ausblick“, sagt er. Der ironische Unterton ist nicht zu überhören. Denn größer könnte der Kontrast nicht sein.
Vor dem Nachbarhaus an der Blumenstraße 8, jenem von der Stadt Kamen geräumten und als unbewohnbar erklärten Haus, türmt sich der Müll. Zwischen mehreren Abfallcontainern, die auf der Straße stehen, liegt Unrat aller Art. Essensreste, die aus aufgerissenen Müllbeuteln sickern, aufgeweichte Verpackungen, Bioabfall, Windeln und unappetitlicher Hygienekram. Ein gefundenes Fressen nicht nur für Ratten, sondern auch für alle, die sich in ihrem Bild von einem vernachlässigten Viertel bestätigt sehen. Dinter: „Wenn Wind ist, fliegt das alles hier herüber.“

Dinter kennt ein Rezept gegen vernachlässigte Häuser
Dinter wendet den Blick ab und lässt ihn durch die gepflegte Wohnung schweifen. Das Bad ist neu, die Rollladen sind elektrisch. Seit 18 Jahren wohnt Dinter hier zur Miete und hat einige Arbeit hineingesteckt. „Ich könnte hier deswegen gar nicht ausziehen“, sagt er. Und er kann sich erinnern, dass es schon damals Vorbehalte gegen die Blumenstraße gab. „Eine Nachbarin wurde von ihren Kolleginnen gewarnt, bevor sie hier einzog. Jetzt wohnt sie schon seit 15 Jahren hier“, sagt Dinter.
Die Probleme in den Nachbarhäusern müssten nicht sein. Das ist seine Überzeugung. „Es müsste dort jemand klar benannt werden, der sich um das Haus kümmert. Man gibt jemandem einen Hunni in die Hand, dann funktioniert das auch.“ Mit seiner Initiative Flower Street hatte sich Dinter einige Jahre bemüht, den Ruf der Blumenstraße aufzupolieren und den Zusammenhalt in der Nachbarschaft zu stärken. Am Ende vergeblich, weil das Interesse in den anderen Häusern gering war.
Interesse mit dem Begriff Flower Street geweckt
Jetzt sind zwei Wohnungen auch in seinem Haus frei. Nicht aber, weil es die Mieter in dem Viertel nicht ausgehalten haben, sondern altersbedingt. Ansonsten, so Dinter, stimme die Mischung im Hause – „hier gibt es Familien mit einigen Kindern, aber auch ältere Menschen“.
Dinter wird sich weiter kümmern um das Haus und hat die Hoffnung, dass sich die Situation nach den Räumungen in der Nachbarschaft irgendwann verbessert. Die Stadt nimmt das Quartier stärker ins Visier und hat auch schon Pläne, wie sie eine Aufwertung angehen könnte. Dinter lacht, wenn er erzählt, wie er einmal das Interesse für eine freie Mietwohnung weckte, weil er den Namen Blumenstraße vermied. „Ich sagte, wir wohnen an der Flower Street.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien bereits am 15. Januar 2024.