Viel Regen und Politik „ohne Fachkenntnis“ Bauern ziehen Jahresbilanz und kündigen Protest an

Bauern wünschen sich weniger Regen und mehr Politik mit Fachkenntnis
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Wetter und Politik sind für die Landwirte in der Region die großen Belastungen des vergangenen Jahres gewesen. Gegen Kürzungspläne der Ampel-Regierung kündigen sie groß angelegten Protest an.

Der Vorsitzende der Landwirte in der Region

„2023 war für uns Landwirtinnen und Landwirte ein Jahr, das wir so schnell nicht vergessen“, sagt der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ruhr-Lippe, Hans-Heinrich Wortmann. Er ist der Sprecher der Landwirte unter anderem im Kreis Unna. Auf der einen Seite der Jahresbilanz stehe Regen in Hülle und Fülle und auf der anderen Seite eine Politik, der immer stärker das fachliche Fundament fehle und die besonders in 2023 die Landwirtschaft mit nicht praktikablen Vorhaben heimgesucht hätte.

Regenmengen erschweren Arbeit

Die massiven Niederschläge hätten die Arbeiten in diesem Jahr stark beeinträchtigt. „Zu Beginn des Jahres konnten wir mit den Winter- und Frühjahrsarbeiten nur stark verzögert starten, da die Felder nicht befahrbar waren“, erinnert sich Wortmann. Im Sommer habe dann vier Wochen Dauerregen das reife Getreide auf dem Halm auf die Ernte warten lassen, was dazu geführt hätte, dass die Backeigenschaften von Weizen und Roggen häufig so beeinträchtigt worden seien, dass das Getreide nicht mehr zum Backen, sondern nur noch als Tierfutter habe genutzt werden können. Im Herbst habe der nicht endende Regen dazu geführt, dass Kartoffeln, Zuckerrüben, Möhren und andere Gemüsearten nur schwer und verzögert hätten geerntet werden können; zum Teil gebe es auch derzeit noch Felder, die auf die Ernte warten würden. „Fast 1200 mm Niederschlag, das ist für unsere Region und unsere Böden extrem viel“, sagt der Vorsitzende. Die durchschnittliche Regenmenge liege hier bei 750 mm.

Auf einem Feld steht Wasser
Auf einem Feld steht Wasser: So sieht es an vielen Stellen auch im Kreis Unna aus, weil es im Jahr 2023 überdurchschnittlich viel geregnet hat. © wlv/Drees-Hagen

„Unberechenbare“ Agrarpolitik

Politische Vorhaben und Beschlüsse aber würden die Bauernfamilien um einiges mehr treffen als das Wetter. Mit der Natur und dem Wetter würden die Bauern seit ewigen Zeiten leben. Früher hätte ein Jahr wie dieses zu extremen Missernten und Hungersnöten geführt. „Heute sind wir froh, dass wir durch Züchtung, Technik und Pflanzenschutz die Ernte zumindest nicht komplett verlieren“, so der Landwirt.

Unberechenbar sei die Agrarpolitik geworden, denn wie in vielen anderen Bereichen auch, fehle dort der Fachverstand, so Wortmann. Vieles sei gut gemeint, aber ohne fachliches Wissen sei „gut gemeint“ häufig das Gegenteil von „gut gemacht“. So würde beispielsweise seit 2023 von den Landwirten gefordert, dass auf dem überwiegenden Teil ihrer Fläche am 15. November schon wieder eine neue Frucht wachsen müsse. Wortmann: „Wie sollen wir das denn machen, wenn wir aufgrund des regnerischen Wetters die Vorfrüchte wie Zuckerrüben oder Kartoffeln noch nicht ernten konnten?“ Den folgenden Weizen könne man logischerweise erst dann säen, wenn die vorhergehende Frucht geerntet sei.

Aktionswoche ab dem 8. Januar

Zwei Vorhaben der Bundesregierung hätten kurz vor Weihnachten „das Fass zum Überlaufen“ gebracht: die Streichung der Agrardieselkonditionen sowie die Rücknahme der Kfz-Steuerbefreiung. Die Schmerzgrenze sei mehr als erreicht, kritisiert Wortmann. „Es reicht. Genug ist genug“, sagt der Landwirtevorsitzende. Er kündigt eine bundesweite Aktionswoche der Landwirtschaft ab dem 8. Januar an, an der sich auch die Landwirtsfamilien der Region Ruhr-Lippe beteiligen werden.

„Selbstversorgung der Bevölkerung gefährdet“

„Wir Bauernfamilien können nicht zum Spielball der Politik gemacht werden“, sagt er. „Der Politik scheint es gleichgültig zu sein, wenn kleine und mittelbäuerliche Höfe hier nicht mehr überleben können und die Selbstversorgung unserer Bevölkerung gefährdet wird.“ Es sei weder nachvollziehbar noch akzeptabel, wenn auf landwirtschaftlichen Gunststandorten die Erzeugung gezielt reduziert und in andere Teile der Welt verlagert würde, wo auf vergleichsweise schlechteren Standorten unter höherem Ressourcenverbrauch und einem deutlichen Mehr an Emissionen gewirtschaftet würde. Es sei dringend an der Zeit, dass Praktiker mehr Gehör finden und ihre Expertise vermehrt in politische Entscheidungen einfließe, so Wortmann.