Ben (19) gibt einem Neuseeländer Chance auf ein neues Leben Ausgangspunkt war Facebook-Aufruf

Ben (19) hat einem Neuseeländer das Leben gerettet
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Auf die Idee gebracht hatte ihn der Aufruf einer Freundin über Facebook. Die suchte auf der Plattform nach einer passenden Knochenmarkspende für ein Kind aus ihrer Familie. Dieses war an Leukämie erkrankt. Nach kurzer Beschäftigung mit dem Thema meldete sich Ben Seegelken online bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) an. Alle 27 Sekunden erhalte irgendwo auf der Welt ein Mensch die Diagnose Blutkrebs, heißt es auf der Homepage der Vereinigung. Knochenmark- oder Stammzellen-Spenden seien für viele Patienten überlebenswichtig. Manchmal kommt es zu Tragödien, wie der um den kleinen Max aus Gladbeck.

Zurück zu Ben: Der meldete sich im Februar in der Datei an. Schon Ende Mai bekam er dann eine E-Mail mit der Benachrichtigung, dass mit der Spende, die er inzwischen abgegeben hatte, einem 30-jährigen Mann in Neuseeland geholfen werden konnte. „Der Aufwand, den ich hatte, war viel geringer als der Nutzen, jemandem tatsächlich helfen zu können“, erzählt er.

DNA-Probe einsenden

Doch wie kam es so schnell dazu? Nach seiner Anmeldung bei der DKMS bekam er einen Brief mit einem Wattestäbchen zugeschickt. Mit seiner DNA-Probe schickte er es zurück an ein Labor. Knapp drei Wochen später folgte ein Anruf. „Ich dachte erst, dass es sich um einen Werbeanruf handelt und bin nicht drangegangen“, erzählt der angehende Medizinstudent, der 2022 am Hittorf-Gymnasium Abitur gemacht hat. Auf den Anruf folgte eine Mail, in der die DKMS Ben Seegelken mitteilte, dass in Neuseeland ein Mann gefunden wurde, für den er als Spender infrage komme.

Mit einem Stäbchen können freiwillige Spender eine DNA-Probe bei der DKMS abgeben. Dann wird weltweit geschaut, ob es einen passenden Empfänger gibt.
Mit einem Stäbchen können freiwillige Spender eine DNA-Probe bei der DKMS abgeben. Dann wird weltweit geschaut, ob es einen passenden Empfänger gibt. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Ben musste nicht lange nachdenken und stimmte der Stammzellenspende zu. In seinem Fall war kein (minimalinvasiver) operativer Eingriff nötig, wie bei anderen Knochenmarkspenden. Gesunde Stammzellen, die sich normalerweise im Knochenmark eines Jeden befinden, können dem erkrankten Empfänger oder der Empfängerin dabei helfen, selbst wieder reife, gesunde Blutzellen nachzubilden. Bei einer Leukämie mutieren die Blutzellen, bevor sie ihr eigentliches Reifestadium erreichen.

Damit die fremden Stammzellen vom Körper nicht abgestoßen werden, muss bei Spender und Empfänger eine fast hundertprozentige Übereinstimmung der Zellstruktur vorliegen. Anhand dieser Struktur erkennen die Immunzellen, welche Zellen zum eigenen Körper gehören und welche nicht und entscheiden über Annehmen und Abstoßen. Ben und der Empfänger seiner Spende seien genetisch gesehen fast Zwillinge, ohne dass bei ihnen eine tatsächliche Verwandtschaft vorliege. Das passiere extrem selten, erzählt Ben.

Immunsystem des Empfängers muss geschwächt werden

„Hat man sich endgültig zu einer Spende entschieden, muss es schnell gehen und man muss dabei bleiben“, erklärt er. Das liegt daran, dass das Immunsystem des Empfängers für das Einsetzen der Stammzellen mit einer starken Strahlenbehandlung geschwächt wird. Zu diesem Zeitpunkt kann dem Empfänger schon eine Lungenentzündung zum Verhängnis werden.

Bei einer Stammzellenspende muss das Immunsystem des Empfängers im Vorhinein geschwächt werden, damit die körperfremden Zellen nicht abgestoßen werden.
Bei einer Stammzellenspende muss das Immunsystem des Empfängers im Vorhinein geschwächt werden, damit die körperfremden Zellen nicht abgestoßen werden. © picture-alliance/ dpa

Vier Tage vor der Behandlung musste Ben sich ein Medikament namens Granocyte in eine Bauchfalte spritzen, das die Produktion der Stammzellen anregt. Dann ging es für ihn in die Atos-Klinik nach Köln, wo ihm zwei Zugänge in die Arme gelegt wurden. „Durch einen wird Blut entnommen. In einer Zentrifuge wird das Blut dann von den Stammzellen getrennt. Die bilden eine orange Menge. Durch den zweiten Zugang bekommt man das Blut wieder zugeführt.“

Im Vorhinein sei er im Telefonat mit der DKMS sehr gut informiert worden und auch während der Blutabnahme seien alle Beteiligten sehr nett und fürsorglich gewesen, berichtet Ben. Dreieinhalb Stunden habe er an den Zugängen verbracht. Die Spende müsse dann innerhalb von 72 Stunden den Empfänger erreichen. „Ich gehe mal davon aus, dass sie mit dem Flugzeug nach Neuseeland gebracht wurde“, sagt er. Zweimal in einem Leben dürfe man Knochenmark spenden, erzählt er. Einmal im Zuge einer Blutabnahme, einmal in Form eines minimalinvasiven Eingriffs an der Hüfte.

„Nach der Stammzellenspende ist man zwei Jahre lang für den Empfänger reserviert. Es kann sein, dass nochmal eine Blutplättchenspende benötigt wird. Stammzellen werden nicht mehr gebraucht, da werden schon beim ersten Mal genügend entnommen.“

Kontakt zum Empfänger erst nach zwei Jahren

Nach den zwei Jahren sei dann klar, ob die Behandlung endgültig Erfolg gehabt habe. „In den zwei Jahren erhält man nur die Information über Nationalität, Alter und Geschlecht des Empfängers“, sagt Ben. Danach könne man dann Kontakt zueinander aufnehmen. In Neuseeland würde es das Gesetz allerdings verbieten, im Zuge einer Spende, Name und Adresse weiterzugeben. Anonymisiert könne man allerdings Briefkontakt haben.

„Ich würde nur in den Kontakt gehen, wenn der Empfänger das möchte“, sagt Ben. „Sonst hat das ein bisschen den Anschein, als würde man ein Dankeschön einfordern.“ Darum würde es dem 19-Jährigen nicht gehen. „Ich kann mir nur bedingt vorstellen, wie es ist, eine solche Diagnose zu bekommen“, sagt er. „Da geht es mir prinzipiell darum zu helfen.“

Für das Kind aus der Familie seiner ehemaligen Schulfreundin sei mittlerweile ebenfalls ein Spender gefunden worden. Diese habe sich auch darüber gefreut, dass ihr Aufruf dazu geführt hatte, dass einem Menschen an einem ganz anderen Fleck auf der Erde geholfen wurde. „Es werden immer händeringend Spender gesucht“, erklärt Ben. Ab 50 Jahren komme man allerdings nicht mehr infrage.

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