
© Dieter Menne Dortmund
Beihilfe zur Tötung: Dortmunder Klinik-Chef Rudolf Mintrop steht ab Februar vor Gericht
Mordserie von Niels Högel
Im Prozess um die Mordserie des Ex-Krankenpflegers Niels Högel steht Rudolf Mintrop, noch Chef des Klinikums Dortmund, ab Februar vor Gericht. Ihn erwartet ein Jahr auf der Anklagebank.
Nach acht Jahren als Geschäftsführer des Klinikums Dortmund scheidet Rudolf Mintrop Ende des Jahres aus. Das erste Jahr im Ruhestand wird er zu großen Teilen allerdings nicht an erholsamen Orten verbringen, sondern im Oldenburger Landgericht – und zwar auf der Anklagebank. Es geht um die „Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen“. Die fürchterlichen Verbrechen des Serienmörders Niels Högel haben Mintrop eingeholt.
Als der „Todespfleger“ in Oldenburg mordete, war er sein Vorgesetzter.
Am 6. Juni 2019 verurteilte das Landgericht Oldenburg den ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel wegen Mordes in 85 Fällen zu einer lebenslangen Haftstrafe. Zudem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ist ausgeschlossen.
Die beispiellose Mordserie des Niels Högel
Högel mordete zwischen 2000 und 2005 zuerst in Oldenburg, dann in Delmenhorst. Seine Opfer waren zwischen 34 und 96 Jahre alt. Einige waren sterbenskrank, andere auf dem Weg der Genesung. Högel, so stellte das Gericht fest, verabreichte seinen Opfern Medikamente, die deren Kreislauf zusammenbrechen ließen.
Dann kam seine große Stunde. Högel fühlte sich als Meister der Reanimation und wollte es allen zeigen. „Niedere Beweggründe“ hat das Gericht dieses Motiv genannt.
Strichlisten und Warnungen ohne Folge?
Im Krankenhaus war offensichtlich bekannt, dass die Zahl der Reanimationen und der Sterbefälle in die Höhe schoss, wenn Högel Dienst tat. Sogar Strichlisten sollen geführt und Warnungen ausgesprochen worden sein. In Oldenburg tötete Högel 31 Menschen.
Was von alledem wusste oder ahnte Rudolf Mintrop? Waren die sich häufenden Verdachtsmomente so deutlich für ihn erkennbar, dass er hätte handeln müssen? Oder hat Mintrop wider besseren Wissens Högel sogar ein gutes Zeugnis ausgestellt, als dieser nach Delmenhorst wechselte?
Ging es um das Abwenden eines Image-Schadens?
Hätte er die Klinik Delmenhorst, wo Högel 54 Menschen tötete, warnen müssen? Hat er all das unterlassen, um einen Imageschaden und damit auch wirtschaftlichen Schaden vom Klinikum Oldenburg abzuwenden? Um diese Fragen wird es in dem Prozess gehen. Rudolf Mintrop hat bisher alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen.
Das Urteil gegen Högel ist rechtskräftig. Das hat der Bundesgerichtshof in letzter Instanz entschieden. Jetzt aber wird diese Mordserie neu aufgerollt. Angeklagt sind vier Mitarbeiter des Klinikums Delmenhorst und vier des Klinikums Oldenburg. Unter Letzteren ist Rudolf Mintrop. Er war, bevor er 2013 nach Dortmund wechselte, als Geschäftsführer für die Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst tätig.
„Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen“
Konkret verantworten muss sich Mintrop wegen „Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen in drei Fällen“. Mit ihm müssen sich auch ein ehemaliger ärztlicher Leiter der kardiologischen Intensivstation, ein Leiter des Bereichs Pflege der kardiologischen Intensivstation und eine ehemalige Pflegedirektorin wegen gleichlautender Vorwürfe dem Gericht stellen.
Das Verfahren zu den Vorgängen in Oldenburg war im September mit dem Verfahren zu den Tötungsdelikten im Klinikum Delmenhorst verbunden worden. Daher kommt es ab Februar nur zu einem einzigen großen Prozess vor dem Landgericht in Oldenburg, in dem es um insgesamt 63 Fälle geht – drei in Oldenburg, 60 in Delmenhorst.
42 Verhandlungstage sind bisher in Oldenburg angesetzt
Für die in Delmenhorst verübten Verbrechen müssen sich die zwei damalige Oberärzte, der Stationsleiter Pflege der Intensivstation und eine stellvertretende Stationsleiterin Pflege der Intensivstation verantworten. Diesen Angeklagten wird die (versuchte) Tötung von Patienten durch Unterlassen in bis zu fünf Fällen zur Last gelegt. Möglicherweise kommt auch bei ihnen lediglich eine Beihilfe-Tat in Betracht, teilte das Landgericht Oldenburg auf Anfrage unserer Redaktion mit.
Der Prozess beginnt am 17. Februar, einem Donnerstag. Bis zum 30. November 2022 hat das Gericht bislang 42 Verhandlungstage angesetzt. Rudolf Mintrop wird an allen Tagen auf der Anklagebank Platz nehmen müssen. Seine Anwesenheit ist Pflicht.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
