Bei der Wahl entscheidet die Antwort auf eine einzige Frage In welchem Land will ich leben?

Die richtige Partei zu wählen, ist total einfach: Antwort auf eine einzige Frage entscheidet
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Ulrich Breulmann

Sonntag haben wir die Wahl. Die Entscheidung, wem Sie Ihre Stimme geben, kann und will ich Ihnen nicht abnehmen. Aber es wäre eine gute Idee, sich auf dem Weg zur Wahlurne über eine einzige Frage Gedanken zu machen: In welchem Land möchte ich leben?

Nur darum geht es doch: Wie soll das Land aussehen, das ich mir für mich, meine Kinder, Enkel und deren Kinder wünsche? Aus dieser Kernfrage ergeben sich alle weiteren Fragen, anhand derer ich Parteien beurteilen kann.

Mir scheint, dass viele diese zentrale Frage aus den Augen verloren haben. Stattdessen erleben wir eine extreme Verengung auf ein einziges Thema: Wer ist der härteste Hund, wenn es darum geht, unsere Grenzen vor Migranten zu schützen? Wer schafft es, die meisten Menschen nicht-deutscher Herkunft so schnell wie möglich aus dem Land zu werfen?

Diese Verengung ist menschenverachtend. Sie unterstellt nicht nur, beim Großteil der hier lebenden Menschen fremder Herkunft handle es sich bestenfalls um Schmarotzer, schlimmstenfalls um Verbrecher.

Sie ignoriert auch die Realitäten: Die Zahl der Asylsuchenden ist 2024 gegenüber 2023 um 100.000 Menschen auf 251.000 gesunken. Sie erklärt zudem zur Nebensache, dass unser Land in einer alternden Gesellschaft Zuwanderung braucht, um unseren Wohlstand zu sichern.

Statt zu diskutieren, wie wir in menschenwürdiger und rechtlich akzeptabler Form illegale Zuwanderung begrenzen, notwendige Zuwanderung aber fördern, schaffen wir – gewollt oder ungewollt – ein Klima der Ausländerfeindlichkeit. Das ist schäbig und schadet nicht nur unserer Wirtschaft. Soll ein solches Land unsere Heimat sein?

„Macho-Macher-Methode und der Sofortismus“

Daran schließt die Frage an: Welcher Politik-Stil soll unser Land prägen? Die ebenso brutale wie rücksichtslose Macho-Macher-Methode des Donald Trump – die ZEIT-Autorin Mariam Lau nennt das „Sofortismus“ – hat den ein oder anderen bei uns zuletzt schwer beeindruckt: „Es reicht. Das wird gemacht. Gesetze? Verträge? EU? Egal. Keine Kompromisse. Basta!“

Wollen wir so ein Land sein? In Deutschland kann – anders als in den USA – kein Kanzler im Alleingang per Dekret Gesetze außer Kraft setzen, internationale Organisationen verlassen, Strafzölle verhängen, Besitzansprüche auf andere Länder anmelden. Wünschen wir so etwas auch bei uns?

Oder ist uns doch ein Land lieber mit zuweilen komplizierten Entscheidungswegen, einer viel zu oft lähmenden Bürokratie, einem zeitraubenden Rechtsweg, aber eben auch mit der Gewissheit, dass wir sicher sind vor den sprunghaften Einfällen eines Egomanen?

In welchem Land wollen wir leben? Ja, wir müssen viele Probleme lösen: Wie kriegen wir die Wirtschaft wieder flott? Wie sichern wir die Renten bei immer weniger jungen, aber immer mehr alten Menschen? Wie versorgen wir die rasant steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen, wenn doch schon jetzt eklatanter Mangel an Pflegekräften herrscht?

Was unternehmen wir, um den aberwitzigen Investitionsstau nicht nur bei Bahn und Straße aufzulösen? Wie schultern wir die steigenden Anforderungen an die Verteidigung? Wie schaffen wir Wohnungen für alle?

Was tun wir gegen den Klimawandel, wie bewältigen wir die längst spürbaren Folgen? Wie stellen wir sicher, dass die, die nach uns kommen, noch gesunde Luft atmen, durch grüne Wälder spazieren und in sauberen Seen baden können? Wie verhindern wir, dass unser Land wahlweise austrocknet oder in Fluten versinkt?

„Drei Zumutungen kommen auf uns zu“

Wie auch immer die Antworten ausfallen, sicher ist: Um all diese Probleme anzugehen, werden eine Menge Zumutungen auf jeden von uns zukommen. Drei Gewissheiten:

1. Die Zeiten, in denen unser Wohlstand immer nur steigt und zugleich unsere Arbeitszeit immer weiter sinkt, ist vorbei.

2. Die Zeiten, in denen wir mit „made in germany“ alle anderen locker in die Tasche steckten, sind Geschichte.

3. Die Zeiten, in denen Frieden eine Selbstverständlichkeit war, liegen hinter uns. Wer anderes verspricht, lügt.

„Der härteste Kampf von allen - um die Demokratie“

Und als wäre das alles nicht genug, müssen wir auch noch um unsere Demokratie kämpfen. Das ist vielleicht der härteste Kampf von allen, denn demokratische Grundprinzipien vertragen sich nicht mit Basta-Politik.

Demokratie erfordert die Bereitschaft zu fairer Diskussion, Respekt gegenüber Andersdenkenden, den vorurteilsfreien Austausch von Argumenten und am Ende vor allem die Fähigkeit zum Kompromiss, denn: Eine demokratische Gesellschaft funktioniert nicht, wenn jeder ohne Rücksicht auf Verluste auf seiner Position beharrt.

Demokratie ist komplizierter und anstrengender als jedes autoritäre System. Ja. Aber sie ist ihren Preis wert. Deshalb sollten wir alle am Sonntag, sofern wir es nicht schon getan haben, zur Wahl gehen. Auf dem Weg zum Wahllokal können wir dann überlegen: Welcher Partei traue ich am ehesten zu, für das Land zu kämpfen, in dem ich leben möchte?