Autofahrer, Schüler und Busfahrgäste müssen sich seit Montagmorgen wegen Bauernprotesten in vielen Orten Deutschlands auf starke Behinderungen einstellen. Die Landwirte planen unter anderem Konvois mit Traktoren und Kundgebungen, um gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung zu demonstrieren.
Allein in Sachsen hat die Vereinigung Land schafft Verbindung angekündigt, 95 Prozent aller Autobahnauffahrten blockieren zu wollen. Ähnliche Aktionen werden im gesamten Bundesgebiet erwartet. Straßen und Wege könnten damit unpassierbar werden und einige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden Probleme haben, zur Arbeit zu kommen. Das heißt aber nicht, dass sie ohne Weiteres im Homeoffice arbeiten oder sogar einfach so zu Hause bleiben dürfen, erklärt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin.
Was mache ich, wenn ich schon vorab weiß, dass ich es nicht zur Arbeit schaffe?
Die Bauernproteste und die Aktionen sind schon länger geplant und kommuniziert. Die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürften also etwas davon mitbekommen haben. Aber was bedeutet das? „Wer schon im Vorfeld von solch einer Situation weiß und sich Sorgen macht, es nicht zur Arbeit zu schaffen, sollte am besten mit dem Arbeitgeber sprechen“, sagt Bredereck.
Denn: In einigen Fällen können Arbeitnehmende dann im Homeoffice arbeiten, Urlaub nehmen, Überstunden abbauen oder das Verpasste nacharbeiten. „Das Ganze einvernehmlich zu regeln ist immer das sinnvollste, daher ist die Kommunikation mit dem Arbeitgeber in einem solchen Fall das Wichtigste“, sagt der Arbeitsrechter.
Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Homeoffice?
Während der Corona-Pandemie sind viele Unternehmen auf das Arbeiten im Homeoffice umgestiegen. So arbeiten aktuellen Zahlen zufolge rund 2,3 Millionen Deutsche ausschließlich von zu Hause. „Einen generellen Anspruch gibt es aber nicht – auch nicht wegen der Bauernproteste“, sagt Bredereck. In bestimmten Fällen haben Arbeitnehmende aufgrund des Arbeitsvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages einen Anspruch auf Homeoffice. Wer aber einfach selbst bestimmt, im Homeoffice zu arbeiten, muss arbeitsrechtliche Folgen befürchten.
Kann der Arbeitgeber den Lohn kürzen, wenn man wegen der Bauernproteste nicht zur Arbeit kommt?
„Arbeitnehmer haben grundsätzlich das sogenannte Wegerisiko“, erklärt Bredereck. Demnach sei es erst einmal egal, warum eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer nicht zur Arbeit komme. „Es gilt: ohne Arbeit kein Geld“, sagt der Arbeitsrechtler. Daher sei es im eigenen Interesse der Arbeitnehmenden, alles zu versuchen, um zur Arbeit zu kommen.
Müssen Arbeitnehmende mit einer Abmahnung oder sogar einer Kündigung rechnen, wenn sie nicht zur Arbeit kommen?
„Es kommt darauf an, ob ein Arbeitspflichtverstoß vorliegt“, erklärt Bredereck. Generell lasse sich demnach argumentieren, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer an sich nichts dafür kann, wenn die Straßen gesperrt sind und er oder sie nicht zur Arbeit kommen kann. „Tatsächlich ist es aber gerade im Fall der Bauernproteste so, dass diese lange angekündigt sind und Arbeitnehmer sich darauf hätten vorbereiten können“, gibt Bredereck zu Bedenken.
Aber: Eine Kündigung wegen Verspätung haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den meisten Fällen nicht zu befürchten, da dieser Abmahnungen vorausgehen müssen. Schwierig kann es allerdings werden, wenn Verspätungen schon häufig vorgekommen sind.
Wie sollten Arbeitnehmende sich auf die Bauernproteste vorbereiten?
Bereits jetzt sind von den Branchenverbänden unter anderem Proteste in Hamburg, Erfurt, Kiel, Mainz, München, Magdeburg und Schwerin angekündigt worden. Aber wie können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherstellen, dass sie auch zur Arbeit kommen, wenn vielerorts Proteste stattfinden? „Wenn die Straßen gesperrt sind, können Arbeitnehmer unter Umständen mit der Bahn zur Arbeit kommen“, meint Bredereck.
Das Ganze müsse dem Arbeitsrechtler zufolge aber in Relation bleiben. „Jemand, der vielleicht nicht so viel verdient, muss nicht mit einem Taxi für 200 Euro zur Arbeit fahren, weil er sonst Angst vor einer Abmahnung haben muss“, beruhigt Bredereck. Auch einen Umweg von fünf Stunden müsse demnach niemand in Kauf nehmen. „Kommunikation ist hier einfach sehr wichtig“, sagt Bredereck. „Wer sich mit seinem Arbeitgeber kurzschließt, braucht sich meistens auch keine Sorgen zu machen.“
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