Landwirte-Chef im Kreis Unna „Ich möchte gerechte Preise für unsere harte Arbeit“

„Ich möchte gerechte Preise für unsere harte Arbeit ohne Zuschüsse“
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Hans-Heinrich Wortmann, Chef der Landwirte im Kreis Unna, äußert sich im Interview zu den aktuellen Protesten der Bauern.

Was sagen Sie zu den Angriffen von Bauern auf ein Treffen der Grünen in Biberach am Aschermittwoch?

Das ist überhaupt nicht unser Stil und davon distanzieren wir uns auch sehr, sehr deutlich. Wir haben ja sehr friedlich demonstriert. Das fing kurz vor Weihnachten an und endete dann bisher in der Sternfahrt am 8. Januar dieses Jahres.

Das ist komplett friedlich abgelaufen. Wir haben sogar Zuspruch, sehr deutlichen Zuspruch aus der Bevölkerung bekommen. Am Straßenrand standen Menschen mit Daumen hoch. Es wurde zum Teil Kaffee verteilt. Es war also auch für mich als Veranstalter ein richtig tolles Ding. Von solchen Ausartungen wie jetzt hat sich der Bauernverband immer sofort distanziert.

Es ging zuletzt vor allem um die Subventionskürzung beim Agrardiesel. Was haben Sie selbst im Jahr künftig weniger in der Tasche?

Für unseren Betrieb zu Hause in Kamen-Methler sind es 6000 Euro. Es sind aber viele, viele Dinge, die in den letzten Jahren auf uns Landwirtinnen und Landwirte eingeprasselt sind. Also die Flut an Verordnungen, die Flut an Betriebskontrollen und so weiter, hat uns als Branche mürbe gemacht.

Und das hat letzten Endes denn dann auch das Fass zum Überlaufen gebracht, diese beiden Punkte. Also Diesel- und Kraftfahrzeugsteuer. Das Fass zum Überlaufen gebracht, weil auch die Landwirtschaft als Branche ja völlig vermisst, dass da praxisorientierte Lösungen angeboten wurden.

Nein, vom Schreibtisch wurden Verordnungen geschaffen, die überhaupt nicht zu realisieren sind. Wir als Branche, als Landwirtschaft arbeiten in der Natur und mit der Natur. Wir können nicht nach Datum ackern, also unsere Felder bestellen, so wie es ja vorgesehen ist. Und das führt zu diesem großen Frust im Moment.

Zum Thema

Vorsitzender des Kreisverbandes Ruhr-Lippe

  • Hans-Heinrich Wortmann (64), Landwirt in Kamen-Methler, ist seit neun Jahren Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ruhr-Lippe, das heißt zuständig für die Landwirte und Landwirtinnen im Kreis Unna, in Herne, Bochum, Dortmund und Hamm.
  • Der Kreisverband ist Untergliederung des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes als Landesverband des Deutschen Bauernverbandes.

Kritiker sagen, ein Großteil des Gewinns in der Landwirtschaft komme durch Zuschüsse. Um welche Quoten geht es da?

Den Begriff Subventionen mag ich als Landwirt überhaupt nicht gern hören. Viele andere Branchen bekommen auch Ausgleichszulagen, so möchte ich es bezeichnen. Und wir als Landwirtschaft stehen nicht nur im nationalen, sondern auch im internationalen Wettbewerb. Wir können nicht zu Preisen Lebensmittel erzeugen, wie es in den USA oder Brasilien oder in anderen Ländern durchgeführt wird. Leider wird in den allermeisten Betrieben etwa 40 bis 50 Prozent des Einkommens aus solchen Zahlungen generiert.

Zahlreiche Landwirte aus dem Kreis Unna am Montag, 15. Januar, bei der Demonstration in Berlin.
Zahlreiche Landwirte aus dem Kreis Unna reisten am Montag, 15. Januar, zur Demonstration nach Berlin. © Heinz-Dieter Kortenbruck

Eine Berufskollegin von Ihnen aus dem Kreis Höxter hat gesagt, die Proteste gingen am eigentlichen Problem wie einer fehlenden Wertschätzung für bäuerliche Arbeit vorbei.

Wir haben gerade in unserer Bundesrepublik eine extreme oder enorme Marktmacht der fünf Großen. Ich nenne einfach Edeka, Aldi, Lidl und mache es an einem praktischen Beispiel fest.

Wenn ich einen Fernseher kaufe, dann wird mir gesagt, was der kostet. Wenn ich ein Schwein verkaufe, dann wird mir gesagt, was ich zu bekommen habe. Die großen Konzerne bestimmen letzten Endes in Deutschland den Preis.

Wenn ich an die 50er-Jahre denke, wurden noch zwischen 50 und 60 Prozent des Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben. Mittlerweile gibt in Deutschland jeder einzelne Verbraucher im Schnitt nur noch 11 Prozent aus.

Vielleicht müssen wir als Gesellschaft auch mal darüber nachdenken, ob ich zwei Autos vor der Haustür haben muss. Ob ich dreimal in den Urlaub fahren muss? Ich will niemandem zu nahe treten, aber mir als Vertreter der Landwirtschaft fehlt es enorm an Wertschätzung für uns Landwirtinnen und Landwirten.

Warum geht es, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher nach Italien, nach Frankreich oder Spanien fahren? Dort sind die Lebensmittelpreise deutlich höher und es wird auch von unseren Bundesbürgern, die im Urlaub sind, viel Geld für die Ernährung ausgegeben. Aber hier im Lande, in Deutschland, funktioniert das leider nicht.

Unübersehbar lang war die Kette der Traktoren, die sich am 8. Januar über die B1 zwischen Unna und Werl erstreckt.
Unübersehbar lang war die Kette der Traktoren, die sich am 8. Januar über die B1 zwischen Unna und Werl erstreckt. © Marcel Drawe

Müsste sich der Bauernverband dann nicht eigentlich mit den Traktoren auch auf die Parkplätze der Supermärkte und Discounter stellen?

Ja, ich bin Ihnen dankbar für diese Frage. Müssten wir uns auf den Parkplatz stellen? Letzten Endes sind es die ja, die unsere Produkte vermarkten. Und wir können uns ja letzten Endes nicht ins eigene Fleisch, sage ich jetzt mal sinnbildlich, schneiden und diese Parkplätze sperren.

Aber Sie haben Recht, wir sind ein sehr gut organisierter Verband. Wir führen viele, viele Gespräche mit den Politikern, sei es in Düsseldorf, sei es in Berlin oder aber in Brüssel. Und unsere Hauptaufgabe ist es, Schlimmeres zu verhindern, um nicht noch mehr praxisfremde Auflagen an die Landwirtschaft heranzubringen.

Und wir als Branche fragen uns, wofür wir in Deutschland zum Beispiel das Kartellamt haben. Warum lässt das Kartellamt solche Marktstrukturen zu?

Hat man sich zu sehr gewöhnt an billige Lebensmittelpreise? Gibt es Wertschätzung überhaupt noch?

Wir haben ja auch gerade hier in Ruhrgebietsnähe viele Betriebe, die Direktvermarktung machen. Der politische Wille ist es ja auch, mehr Regionalität zu schaffen. Nur sagen mir die Kollegen: Ja, wir als Direktvermarkter, wir haben unseren Markt. Wir haben eine gewisse Klientel an Verbraucherinnen und Verbraucher, die das gern wollen, die diese Produkte gern kaufen und die auch gern mehr Geld dafür ausgeben.

Aber das ist leider nur ein kleiner Prozentsatz in unserer Bevölkerung. Und wir haben auch viele Menschen, denen es finanziell nicht so gut geht. Ich will jetzt nicht sagen, dass die nur Billigfleisch kaufen, um Gottes willen.

Wir als Landwirtschaft verlangen ja überhaupt nicht, dass jeder zum Beispiel jeden Tag Fleisch isst. Sondern wenn denn dann Fleisch gegessen wird, dann soll auch darüber nachgedacht werden, aha, da hat eine Familie, und wir sind zu 95 Prozent Familienbetriebe in Deutschland, 24 Stunden, 7 Tage die Woche sich um die Tiere, um die Früchte im Feld gekümmert.

Und ich glaube, das ist bei uns in Deutschland fast komplett abhandengekommen. Und das tut schon weh.

Wie lässt sich diese Schere schließen? Ein auskömmlicher Verdienst der Landwirte und zugleich eine Wertschätzung und ein angemessener Ladenpreis?

Da möchte ich wieder ein bisschen in die Vergangenheit blicken. Mein Vater, der leider schon sehr lange verstorben ist, hat immer gesagt: ,Ich möchte gerechte Preise für unsere harte Arbeit ohne Einkommensausgleich.‘ Weil diese Gängelung und Bevormundung seitens des Staates ist nicht wünschenswert.

Wir wollen einen freien Markt. Ich weiß aber sehr wohl, dass das leider durch viele, viele Verflechtungen in Deutschland nicht so ganz einfach ist zu durchbrechen.

Das vollständige Interview mit Hans-Heinrich Wortmann sehen Sie im Video auf unserem Internetportal.