„Bahn-Rambo“ Weselsky verhandelt erst gar nicht Absurde Forderungen, dabei gäbe es eine Lösung

Claus Weselsky und seine GDL verhandeln nicht, sie streiken lieber: Absurde Forderungen und dumm dazu
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Ulrich Breulmann

Das ist längst nicht mehr ein leichter Realitätsverlust, den man mit dem Kampf ums Überleben entschuldigen könnte. Was sich in diesen Wochen Gewerkschafts-Boss Claus Weselsky und seine Minigewerkschaft „Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer“ (GDL) leisten, hat mit einem fairen Tarifgerangel nichts mehr zu tun.

Es ist vielmehr ein Musterbeispiel für das komplette Ignorieren der Wirklichkeit und der daraus abgeleiteten Einschätzung des Machbaren.

Die Existenznot der Mini-Gewerkschaft GDL

Die GDL hat rund 40.000 Mitglieder, weniger als ein Viertel der Mitglieder dessen, was die Konkurrenzgewerkschaft EVG (185.000) hinter sich vereint. Dieser Unterschied bringt die GDL in existentielle Nöte, denn: Nach dem seit 2015 geltenden Tarifeinheitsgesetz gilt in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung. Und das ist bei den rund 300 diversen Unternehmen innerhalb der Bahn in den allermeisten Fällen die EVG und eben nicht die GDL.

Das ist wohl einer der Hauptgründe, warum Claus Weselsky und seine GDL in der aktuellen Tarifauseinandersetzung von vornherein auf Krawall gebürstet waren. Es war schon im Ansatz erkennbar, dass die GDL nicht ernsthaft verhandeln will. Deren Forderungen waren einfach vom ersten Moment an so abstrus hoch, dass eigentlich nur das Kopfschütteln als angemessene Reaktion übrig blieb.

Die Geld-Forderungen sind nicht das größte Problem

Damit meine ich jetzt nicht einmal die finanziellen Forderungen: 555 Euro im Monat mehr plus einen Inflationsausgleich von 3.000 Euro und das bei einer Laufzeit von einem Jahr.

Das ist durchaus happig angesichts einer inzwischen wieder auf 3,8 Prozent gesunkenen Inflationsrate, aber: Darüber ließe sich trotzdem reden, wenn man denn reden wollte. Die Bahn bot gleich in der ersten von vier zuvor abgesprochenen Verhandlungsrunden einen Erhöhung der Bezüge um 11 Prozent Prozent an, bei einer Laufzeit von 32 Monaten.

„Lächerlich“ nannte Weselsky das Bahn-Angebot. Da blieben am Ende ja nur 4 Prozent übrig. Dass eine Gewerkschaft das erste Angebot eines Arbeitgebers ablehnt, ist der normale Lauf der Dinge. Dass aber bereits nach der ersten Runde eine Gewerkschaft trotz eines vorliegenden Arbeitgeber-Angebots, das oberhalb der Inflation liegt, eine Urabstimmung über unbefristete Streiks einleitet, widerspricht allen Gepflogenheiten von üblichen Tarifrunden.

„Lächerlich“ ist nicht das Bahn-Angebot, „lächerlich“ ist die Reaktion von Weselsky, der sich ganz offensichtlich in seinem letzten Jahr vor seinem Wechsel in den Ruhestand noch einmal als „Bahn-Rambo“ beweisen will, der mit dem Kopf durch die Wand geht.

Dass zudem mit einem das ganze Land abdeckenden Warnstreik schon in dieser Phase der komplette Bahnverkehr für einen Tag ins Chaos gestürzt wurde, auch das war weder angemessen noch auch nur im geringsten Maße verhältnismäßig. Andere Gewerkschaften beginnen ihre Warnstreiks in der Regel mit zeitlich und/ oder räumlich eng begrenzten Streik-Nadelstichen. Die GDL packte gleich die ganz große Keule raus.

Der eigentliche Knackpunkt

Das Ganz toppte die GDL dann Ende vergangener Woche, als ihr Boss Weselsky bereits nach der zweiten Gesprächsrunde das Scheitern der Tarifverhandlungen erklärt. Zwei Gespräche, das war‘s?

Der Knackpunkt an der ganzen Sache ist nicht der übliche Streit ums Geld, sondern: Die GDL will eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit für im Schichtdienst Beschäftigte von derzeit 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Die Bahn sagt: Das geht gar nicht.

So sehr ich den Wunsch der Beschäftigten menschlich nachvollziehen kann, weniger zu arbeiten und genauso viel zu verdienen wie zuvor (wer möchte das nicht?), so sehr habe ich Verständnis für die Bahn.

Schon heute fehlen der Bahn nach eigenen Angaben 3.700 Lokführerinnen und Lokführer. Zugausfälle wegen fehlenden Personals sind mittlerweile nicht mehr die Ausnahme, sondern an der Tagesordnung. Nachwuchs ist nur extrem schwer zu gewinnen. Bei einer Arbeitszeitverkürzung wie von der GDL gefordert, müsste die Bahn viele weitere tausend – die Rede ist von 10.000 – Beschäftigte gewinnen.

Wo sollen die herkommen? Die gibt es derzeit einfach nicht und können auch so schnell gar nicht ausgebildet werden, wenn es sie denn gäbe. Die Gewerkschaft argumentiert: Gerade deshalb muss der Beruf attraktiver werden: durch kürzere Arbeitszeit und mehr Geld.

Solche Argumente mögen ja seit Jahrzehnten in der Betriebsanleitung für einen Arbeitskampf so stehen, die daraus abgeleiteten Forderungen sind gleichwohl illusorisch.

Die Bahn kann aktuell auf keinen einzigen Mann und keine einzige Frau in einer Lok verzichten. Der Ruf der Bahn ist schon jetzt angesichts von massenhaften Zugausfällen und notorischen Verspätungen katastrophal. Man kann eigentlich allen nur von einem Wechsel vom Auto auf die Bahn abraten, die ihre Nerven schonen und ohne Herzinfarkt ihr Ziel erreichen möchten.

Es gäbe eine Lösung, von der alle profitieren würden

In dieser Situation frage ich mich: Warum nutzt die GDL nicht die schlimme Lage der Bahn zum Wohl ihrer Mitglieder aus? Wie wäre es, wenn die GDL folgenden Vorschlag machen würde: Wir bieten eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit (gegen Bezahlung, versteht sich) von 38 auf 40 Stunden an. Das Ganze würde begrenzt auf 5 Jahre. So hätte die Bahn Zeit gewonnen, umfangreich Personal anzuwerben. Nach 5 Jahren würde die Arbeitszeit schrittweise wieder zurückgefahren.

Um auch den Lokführern so etwas schmackhaft zu machen, würde jede der so geleisteten Mehrarbeitsstunden auf einem „Lebens-Arbeitszeitkonto“ gutgeschrieben, über das jeder Lokführer und jede Lokführerin nach einer gewissen Zeitspanne – vielleicht frühestens nach drei Jahren – frei verfügen könnte.

Von einer solchen Lösung hätte alle etwas: Die Lokführerinnen und Lokführer mehr Geld und angesparte Freizeit, die Bahn eine direkte und ebenso langfristige Entschärfung ihres Personalproblems und die Bahn-Kunden weniger Zugausfälle und Verspätungen.

Dumm und stumpf mit dem Kopf durch die Wand

Stattdessen rennt die GDL, angeführt von ihrem „Rambo-Chef“, weiter mit den heute überhaupt nicht mehr passenden Rezepten von gestern stumpf und dumm mit dem Kopf gegen die Wand. Statt nach intelligenten Lösungen zu suchen, will die GDL rund 5,5 Millionen Menschen in Deutschland, die täglich die Bahn nutzen und damit auch den Lohn der Lokführer zahlen, mit weiteren Streiks bestrafen. Sympathien und Unterstützung in der Bevölkerung erkämpft man sich so nicht.

Übrigens: Die Konkurrenten von der EVG haben sich schon im Augst mit der Bahn auf einen neuen Tarifvertrag verständigt: 2.850 Euro Inflationsprämie, in zwei Schritten 410 Euro mehr im Monat, zwei Jahre Laufzeit. Eine Verkürzung der Arbeitszeit sieht der Vertrag nicht vor.

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