
Christoph Polarczyk (l.) von der gleichnamigen Fahrschule in Waltrop in der "Fahrprüfung" mit Joachim Schmidt, Redaktionsleiter im Ostvest. © Stefan Korte
Regeln im Straßenverkehr: Fahrlehrer Christoph Polarczyk testet unsere Redaktion
Im Video: Nochmals in die Führerscheinprüfung
Der ADAC hat kürzlich das Autofahrerwissen der Deutschen abgefragt - mit niederschmetterndem Ergebnis. Unsere Redaktion machte die Probe aufs Exempel. Und fragte nach beim Waltroper Fahrlehrer Christoph Polarczyk.
Hand aufs Herz: Wie fit sind Sie noch in den Straßenverkehrsregeln, die bei der Führerschein-Prüfung abgefragt wurden? Der aktuelle Autofahrerwissens-Test des ADAC (Allgemeiner Deutscher Automobilclub) jedenfalls zeigt ein deutliches Bild: Unter 3547 repräsentativ ausgewählten Pkw-Fahrerinnen und -Fahrern ab 17 Jahren aus ganz Deutschland hatten nur zwei Prozent mindestens 17 von 20 der Fragen richtig beantwortet.
Redaktion für Oer-Erkenschwick, Datteln, Waltrop im Test
Ein Ergebnis der Studie: Überdurchschnittlich gut schnitten Männer, Menschen mit höherer Bildung und Führerscheinneulinge ab. Die Ostvest-Redaktion, in der die Dattelner Morgenpost, die Waltroper Zeitung und die Stimberg Zeitung in Oer-Erkenschwick entstehen, wollte es wissen und schickte die Jüngste im Team, Redakteurin Rebekka Wölky (25), und den Ältesten, Redaktionsleiter Joachim Schmidt (61), noch mal in die Fahrprüfung.
Christoph Polarczyk (53), Inhaber der gleichnamigen Fahrschule in Waltrop, nahm also die beiden Zeitungsleute mit auf eine Runde im Fahrschul-Wagen. Ergebnis: Joachim Schmidt fiel durch – mit sechs km/h über ein Stopp-Schild zu rollen, ließ der Fahrlehrer nicht durchgehen; schließlich gilt es, das Fahrzeug zum völligen Stillstand zu bringen. Aber Polarczyk befand auch, dass sein Fahrschüler ein „effizienter Autofahrer“ sei.
Und die Jüngste in der Redaktion? Rebekka Wölky fiel „halb durch“. Sie geriet bei der Tour im Fahrschulwagen an eine Stelle, an der sie Vorfahrt gewähren musste, denn sie kam zwar von rechts, aber aus einem verkehrsberuhigten Bereich. Doch der von links kommende Autofahrer blieb stehen und Rebekka Wölky fuhr. Selbst, wenn das im Straßenverkehrs-Alltag manchmal so gehandhabt wird: In der Prüfung wäre es Auslegungssache des Prüfers gewesen, ob sie es gedurft hätte oder nicht. Also: Im Zweifelsfall lieber warten, wenn man sich unsicher ist, empfiehlt Polarczyk. Allerdings: Mit ihrem Abschneiden bei der „Führerschein-Prüfung Reloaded“ standen Rebekka Wölky und Joachim Schmidt nicht allein da. Kollege Fabian Hollenhorst hatte sich vor gut einem Jahr, als seine eigene Führerscheinprüfung zehn Jahre her war, noch einmal ins Auto der Dattelner Fahrschule Timo Longen gesetzt und die Probe aufs Exempel gemacht. Fazit: Auch durchgefallen; „Anlieger frei“-Schild im Beisenkamp missachtet.
Aber zurück zu Christoph Polarczyk, zurück zum ADAC-Autofahrer-Test. Was hält der 53-Jährige, der seit 29 Jahren Fahrlehrer ist, von der Wissens-Abfrage und von den Ergebnissen? Erst einmal Grundlegendes: Wer die Straßenverkehrs-Regeln in- und auswendig kennt, sei noch lange kein guter Autofahrer, sagt Polarczyk. Und noch etwas Grundlegendes: Es gebe nach seiner Ansicht viel zu viele Regeln im Straßenverkehr. Und einige, die wenig mit dem Autofahrer-Alltag zu tun haben.
„Wissen Sie zum Beispiel, mit wie viel Abstand Sie vor dem Andreaskreuz halten müssen?“, fragt er die Reporterin. „Und warum das Andreaskreuz Andreaskreuz heißt?“ Zugegeben, Letzteres ist keine offizielle Theorie-Prüfungs-Frage: Das Andreaskreuz, das vor Bahnübergängen steht, ist nach dem biblischen Apostel Andreas benannt, der an einem solchen Kreuz als Märtyrer gestorben sein soll. Und was den Abstand betrifft: „Es gibt drei verschiedene“, erklärt Polarczyk: innerhalb geschlossener Ortschaften fünf Meter, außerhalb 50, und wenn das eigene Fahrzeug das Schild verdecken würde, gelten innerorts zehn Meter.
Wenn es nach ihm ginge, gäbe es so wenig Regeln wie möglich – und die müssten in Europa einheitlicher werden, findet der Waltroper, in dessen Fahrschule sich sechs Fahrlehrer um die Fahrschüler kümmern und pro Jahr auf bis zu 400 Führerscheinprüfungen vorbereiten.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Regeln seien schon wichtig, sagt Polarczyk. Geschwindigkeit und Abstand einzuhalten, das sind für ihn die bedeutendsten – denn werden sie nicht beachtet, wird es oft gefährlich. „Das ist der beste Schutzengel: Abstand halten und aufs Tempo achten“, bringt es der Fahrlehrer auf den Punkt.
Er hat für sich schon früh noch eine weitere Messlatte angelegt – jenseits von Regeln und Paragrafen: „Fahrgastfreundliches Fahren“, nennt der 53-Jährige das. Früher, da sei er gern auch mal ein wenig flott gefahren, erzählt Christoph Polarczyk. Und er schmunzelt, als er dies erzählt: „Dann hab ich festgestellt, dass das bei den Frauen gar nicht so gut ankommt, wie ich dachte.“ Da habe es „klick“ gemacht und er habe sich gedacht: „Setz doch deine Fähigkeiten beim Autofahren lieber so ein, dass sich die Mitfahrer wohlfühlen.“ Entsprechendes versucht er heute auch, seinen Fahrschülern zu vermitteln.
Mit fünf Prüfungen 17 Führerscheinklassen „abhaken“
Der Fahrzeug-Pool der Fahrschule Polarczyk, ist übrigens beträchtlich: Zwölf Autos, darunter vier Teslas (der fünfte ist bestellt) sowie ein Elektro-Golf, gibt es, außerdem acht Motorräder, drei Anhänger und einen Lkw. 17 verschiedene Führerscheinklassen könne man machen, „und wenn man es geschickt anstellt, reichen dafür fünf praktische Prüfungen“, weiß Polarczyk.
Er engagiert sich auch auf Verbandsebene, ist einer der stellvertretenden Vorsitzenden des Fahrlehrer-Verbandes Westfalen. „Ich versuche mein Bestes“, sagt Polarczyk. Zum Beispiel, wenn es darum geht, die vielen digitalen und Internet-Optionen verstärkt im Fahrschul-Business zum Einsatz zu bringen. „Nur ein Beispiel“, sagt er: Mit Google Streetview, also der Möglichkeit, Straßen in einer 360-Grad-Ansicht online zu betrachten, könne man doch heute beinahe jede Kreuzung der Welt „anfliegen“ – und so zum Beispiel eine besonders schwierige Straßensituation gemütlich und in Ruhe am heimischen oder Fahrschul-Bildschirm anschauen.
Geboren in Recklinghausen, aufgewachsen in Oer-Erkenschwick, studierte in Münster (Publizistik und Kommunikationswissenschaft), sammelte Berufserfahrungen in Fulda und an den Unis in Paderborn und Wuppertal, bis die Sehnsucht nach dem Ruhrgebiet zu groß wurde. Und nun: Redakteurin für Waltrop, Datteln und Oer-Erkenschwick – mit viel Freude an Menschen, Nachrichten sowie kleinen und großartigen Geschichten.