Ob sich Personen ausländischer Herkunft rechtmäßig hierzulande aufhalten, bewegt viele Menschen in Deutschland. Nicht weniger klein ist das Interesse daran, wie ein Bleiberecht oder eine Ausreisepflicht festgestellt und womöglich eine Abschiebung in die Praxis umgesetzt werden.
Die Ausländerbehörde des Kreises Unna (ohne die Stadt Lünen) ist für rund 10.000 Ausländer zuständig, die grundsätzlich kein dauerndes Bleiberecht haben wie etwa EU-Bürger. Die Zahl der Asylbewerber war unterdessen zuletzt im Kreis Unna insgesamt nicht mehr angestiegen.
Der Kreis Unna stellt nun nach zwei Anfragen aus dem Kreistag das seit gut einem Jahr formal auf neue Füße gestellte Vorgehen dar. So will die CDU-Fraktion wissen, wie die Kreisverwaltung bei der Abschiebung ausreisepflichtiger Personen verfährt und Bündnis 90/Die Grünen, wie das im März 2023 verabschiedete Konsenspapier „Bleibeperspektive und Abschiebepraxis von geflohenen Menschen im Kreis Unna“ in der Wirklichkeit umgesetzt wird.
Welche Bedeutung hat das Konsenspapier?
Das Konsenspapier ist vom Kreis Unna, Mitgliedern der Ausländerrechtlichen Beratungskommission des Kreises sowie des Flüchtlingsrats im Kreis Unna und weiteren ehrenamtlich engagierten Menschen in der Flüchtlingshilfe am 2. März 2023 nach längeren Beratungen einvernehmlich beschlossen worden.
Es gilt der „Stärkung von Bleibeperspektiven im Sinne einer gelebten Willkommenskultur“, wie es heißt, und zeigt die Rahmenbedingungen von Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts in Deutschland auf.
„Wir wollen Willkommenskultur leben“, wird darin bekräftigt: „Aus dem Ausland neu zugewanderte Menschen heißen wir im Kreis Unna willkommen, denn sie bereichern das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Leben.“
Was besagen Gesetze über einen rechtmäßigen Aufenthalt?
Das Konsenspapier soll eine einheitliche Verfahrensweise im Kreis Unna gewährleisten. Grundlage dafür ist neben anderen Gesetzen beispielsweise das Aufenthaltsgesetz, das der Kreis Unna auszuführen hat, wobei er an Weisungen von Bund und Land gebunden ist.
Besonders wichtig ist Paragraf 25b des Aufenthaltsgesetzes, der ein Bleiberecht bei „nachhaltiger Integration“ festschreibt. Hier geht es um die derzeit auch bei der Debatte über eine erleichterte Einbürgerung viel diskutierten Bedingungen wie das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, den selbstständig gesicherten Lebensunterhalt und eine Mindestaufenthaltsdauer in Deutschland.
Zugewanderte Menschen haben auf dieser Grundlage einen Anspruch auf und die Verwaltung damit eine Pflicht zur Beratung zu individuellen Bleibeperspektiven.
Wie werden zugewanderte Menschen beraten?
Die Ausländerrechtliche Beratungskommission (ABH) berät grundsätzlich alle neu zugewanderten Menschen, unabhängig von deren Aufenthaltsstatus, über integrationsfördernde Angebote und Beratungsstellen.
Ergänzend dafür soll es in Kürze einen digitalen Flyer über alle haupt- und ehrenamtlichen Unterstützungsangebote am jeweiligen Wohnort der betreffenden Person geben. „Dieser Flyer wird in alle relevanten Sprachen übersetzt und stetig aktualisiert“, kündigt der Kreis Unna an.
Ausreisepflichtige Menschen werden durch die ABH über Perspektiven zur Erlangung eines gesicherten rechtmäßigen Aufenthalts aufgeklärt und über freie bzw. wohlfahrtlich getragene Beratungs- und Unterstützungsangebote informiert.
Das Gesprächskonzept soll vor allem auf Bleiberechtsregelungen eingehen und die erforderlichen bzw. zu erfüllenden Voraussetzungen veranschaulichen.
„Hierbei wird der Kreis Unna die rechtlichen Ermessensspielräume ausschöpfen zugunsten der zugewanderten Menschen“, betont die Kreisverwaltung
Erwerb des Aufenthaltsrechts
- Eine Aufenthaltsgewährung in Deutschland kann durch Erfüllung verschiedener Voraussetzungen nach dem Aufenthaltsgesetz erworben werden. Zwei wichtige Vorschriften darunter sind die Folgenden:
- Gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige (Paragraf 25a): Aufenthaltsdauer: 3 Jahre (ununterbrochen); Alter: 14 – 27 Jahre; Schulbesuch (3 Jahre) oder Schul-/Berufsabschluss; positive Integrationsprognose; Lebensunterhaltssicherung oder Absolvierung einer Ausbildung;
- Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration (Paragraf 25b): Aufenthaltsdauer: 4 oder 6 Jahre; überwiegende Lebensunterhaltssicherung oder Erwartung dieser; Test „Leben in Deutschland“; Sprachkenntnisse: Niveau A2 mündlich; Nachweis des Schulbesuchs der Kinder.
- In beiden Fällen vorliegen müssen: Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung; keine Ausweisungsinteressen (Straftaten); geklärte Identität und Nationalpass.
Was passiert bei fehlender Bleibeperspektive?
Fehlen für ein Bleiberecht Voraussetzungen, die aber noch erfüllt werden können, weist der Kreis die Ausländer darauf hin, was die – vor allem negativen – Folgen bei Nichterfüllung sind, „sodass die Betroffenen die Dringlichkeit eines sofortigen Handelns ihrerseits verinnerlichen“, wie es in dem Konsenspapier heißt.
Wird eine Ausreisepflicht festgestellt, werde ein rechtlich erforderliches Ausreiseinformationsschreiben inklusive Belehrungen ausgehändigt. Ein Novum stellt laut Kreis künftig die Möglichkeit dar, ausreisepflichtige Personen an etwaige unterstützende Akteure weiterzuvermitteln, etwa an das Ehrenamt.
Diese Möglichkeiten dienten dem Zweck, dass eine freiwillige Ausreise bei einer vollziehbaren Ausreisepflicht und fehlenden Bleibeperspektiven erreicht wird, „sodass eine Beendigung des Aufenthalts durch eine Abschiebung nicht notwendig wird“, verdeutlicht der Kreis.
Die Ausländerbehörde informiert im Rahmen der Erkenntnislage Betroffene auch über Möglichkeiten der Wiedereinreise nach einer freiwilligen Ausreise.

Wann kommt es doch zur Abschiebung?
„Eine Beendigung des Aufenthalts durch eine Abschiebung ist das letzte Mittel“, stellt die Kreisverwaltung klar. Trotz aller Bemühungen, ein Bleiberecht zu erwirken, werde es aber weiterhin zu Abschiebungen kommen.
Die Ausländerbehörde des Kreises Unna führe eine Abschiebung „unter größtmöglicher Beachtung humanitärer Aspekte durch“. Von Zwangsmitteln werde „nur so wenig und so zielgerichtet wie möglich Gebrauch gemacht.“
Das Konsenspapier war auch unter dem Eindruck einer viel kritisierten nächtlichen Abschiebung eines Ehepaars mit sechsjähriger Tochter, die in Schwerte lebte, nach Bangladesch im Februar 2022 entstanden.
Seit Verabschiedung des Papiers im März 2023 seien „keine Abschiebungen, in denen Minderjährige betroffenen waren, in der Nacht (zwischen 22 und 6 Uhr) durchgeführt“ worden, versichert der Kreis Unna nun.
Welche Hindernisse für eine Abschiebung gibt es?
Die Ausländerbehörde des Kreises Unna will vor allem sicherstellen, dass nicht nur nächtliche Abschiebungen von Minderjährigen samt Angehörigen vermieden werden, sondern darüber hinaus keine Familien durch Abschiebungen trennen.
Auch sollen Menschen nicht aus sozialen oder medizinischen Einrichtungen heraus abgeschoben werden; auch ärztlich attestierte Reiseunfähigkeit erkenne man als ein Abschiebehindernis an.
Bei akuten medizinischen Notfällen der ausreisepflichtigen Person werde die Abschiebung zunächst unterbrochen.