Das Motto der Ruhrfestspiele (die unter diesem Namen ihr 75. Bestehen feiern) lautet in diesem Jahr „Rage und Respekt“.
Ja, man darf wütend sein angesichts menschgemachter Katastrophen wie Krieg und Naturfrevel. Leitmotiv unseres Handels muss die Achtung vor der Schöpfung und dem Leben sein. Kein schlechtes Motto in Zeiten wie diesen.
Gegen Äxte und Flinten
Den Auftakt der Festspiele am Mittwoch bestritt die britische Theatertruppe Complicité unter ihrem Leiter Simon McBurney, dessen Regiearbeit „Drive Your Plow Over the Bones Of The Dead“ im Großen Haus gespielt wurde – auf Englisch mit deutschen Übertiteln.
Thematisch eine gute Wahl, kreist das Stück doch um eine Frau, die eine persönliche Fehde zum Schutz der Natur kämpft, gegen Raubbau am Wald, gegen Jagd und Wilderei. Janina (grandios: Kathryn Hunter) ist eine späte Ronja Räubertochter.
Roman der Nobbelpreisträgerin
Ein witzig-sarkastisches Schandmaul, das gegen Kerle mit Axt und Flinte wettert, Emanze kraft ihres widerborstigen Naturells.
Mc Burney hat einen Roman der polnischen Literatur-Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk für die Bühne adaptiert. Er heißt „Gesang der Fledermäuse“ und wird gern als „feministischer Öko-Krimi“ bezeichnet.
Natürliche Ordnung
Janina lebt an der tschechischen Grenze, wo die Männer sterben: Polizist, Politiker, der Betreiber einer Fuchsfarm. Bei den Leichen gibt es Spuren von Rehen. Janina glaubt, dass Tiere sich gerächt haben.
Alle Opfer waren Waidmänner, in ihren Augen Tiermörder, dazu Fleischesser, die Janina sowieso verachtet. Als Astrologin hat sie Horoskope erstellt, die den Kerlen einen gewaltsamen Tod prophezeien. Janina kann deren Ende nicht betrauern, es entsprach der natürlichen Ordnung

Haben die Rehe zurückgeschlagen? Da wispert ein gewisses Wer-hat‘s-getan-Prickeln mit. Aber: Bei zweieinhalb Stunden Spielzeit (eine Pause) verliert die Inszenierung eine Menge Spannung, weil sie, namentlich Kathryn Hunter, sehr viel Text abzuarbeiten hat.
320 Seiten hat Tokarczuks Roman, ein Großteil von Sujet und Handlung wird von Hunter ins Mikrofon gesprochen, was auf Erzähltheater hinausläuft. Szenisch aufgelockert ist der Redestrom zwar auch – Figuren gesellen sich dazu, auf der Hinterbühne wird getanzt –, aber ein statisches, etwas ermüdendes Momentum kann Mc Burneys Inszenierung nicht wirklich abstreifen.
Anne Webers Plädoyer
Straffung wäre möglich gewesen, die Biografie der Frau ohne Haar müssen wir nicht kennen. Was unterhält, ist Janinas trockener, zupackender Wortwitz oder die köstliche Szene mit dem Joint, wo drei Darsteller komödiantisch auftrumpfen.
Stark sind auch Licht, Dia-Projektion und Bühnenbild, die Ansichten nahe an 3DIllusionen kreieren.
Was Schriftstellerin Anne Weber vor der Aufführung zu sagen hatte, ließ aufhorchen. Ihr Vortrag kreist darum, wie wir „Einzelwesen“ uns in der Krise positionieren. Manche versammeln sich unter dem Banner der System-Nörgler, wettern gegen Kapitalismus und Politik, beklagen ihre Ohnmacht.
Das sei wenig hilfreich, so Anne Weber. Ihr Plädoyer: Stelle lieber Forderungen an Dich selbst! Schaue, was Du konkret tun kannst zum Wohle von Mensch und Mutter Erde.
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