Wanderwege im Ruhrgebiet führen über Kohle und durch bergbauhistorische Industriekultur. Wir testen eine vierstündige Route. Folgen Sie uns im Video, Startpunkt ist die Ruhr-Uni Bochum.
Erkunden Sie unsere Tour mit Fotos, unserer interaktiven Karte und im Video.
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►►► Die genauen Streckeninformationen und Anhaltspunkte an der Ruhr-Uni, bei Zechen und Flözen finden Sie auf unserer interaktiven Karte.
Mitten im Revier liegt die Kohle an der Straße. Man braucht nicht unter Tage einzufahren, um das schwarze Gold am Wegesrand schimmern zu sehen. Auf einer Wanderung rund um die Ruhr-Uni kann man solche Zeugen der Bergbauvergangenheit entdecken – und auch andere überraschende Begegnungen machen.
Start: Ruhr-Universität in Bochum
Ende: Haltestelle Hustadt
Länge der Rundwanderung: Etwa 10 Kilometer, Gesamtlänge Rundweg 15 Kilometer
Dauer: 4 Stunden (mit Pausen)
Von der Malocher-Stadt zum Wissens-Standort – für Bochum bot der Bau der Ruhr-Uni vor mehr als 50 Jahren eine große Chance auf Strukturwandel. Wo sich heute die schmucklosen, teils brutalistischen Beton-Bauten gen Himmel recken, prägten noch bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts Kleinzechen das Bild.
Auf deren Spuren sind wir unterwegs. Wir folgen dem Bergbaurundweg, den der Förderverein Bergbauhistorischer Stätten Ruhrrevier konzipiert und mit Schautafeln versehen hat. Das Schlägel-und-Eisen-Symbol dient als Wegweiser auf der insgesamt mehr als 15 Kilometer langen Strecke. Einkehrmöglichkeiten gibt es auf halber Strecke am Kemnader See und am Start oder Ziel im Restaurant des Studentenwerks im Botanischen Garten (Öffnungszeiten beachten).

Die Ruhr-Uni steht für den Strukturwandel von der Malocher-Stadt zum Wissens-Standort. © Legrand
Wir fahren mit der U35 bis zur Haltestelle Ruhr-Universität, das wird empfohlen, auf der Webseite des Fördervereins ist die Route ausführlich beschrieben. Als Ausgangspunkt für eine Bergbau-Wanderung erscheint der Ort zunächst sonderbar, junge Studierende kreuzen unseren Weg, als wir die breite Brücke Richtung Bibliothek überqueren. Doch als wir nach wenigen hundert Metern links abbiegen, öffnet sich der Blick und wir bekommen ein grandioses Panorama über das Ruhrtal geboten.

Das Ruhrtal, von der Uni aus gesehen. Unterhalb des Waldes liegt ein Teil des Weges, auf dem wir später unterwegs sein werden. © Legrand
Das erste Flöz
Das Auditorium Maximum zur linken, gehen wir rechts eine kleine Treppe hinunter. An der Medizinischen Fakultät vorbei führt der Rundweg weiter hinter einer Linksbiegung zum ersten Stopp der Tour. Unterhalb eines kleinen Hains liegt Felsen frei, teils überwuchert von Gestrüpp. Mehrere dunkle Scharten durchbrechen senkrecht das Gestein. Schwarzschimmernde Kohle. Genauer gesagt, drei Flöze, die beim Bau der westlichen Zufahrtsstraße zur Uni etwa 1970 freigelegt wurden. Eine Schautafel des Fördervereins weist auf die Lage und die Art der Kohle hin. Vorbeilaufende Uni-Mitarbeiter und Jogger würdigen die Stellen keines Blickes, wir freuen uns umso mehr, schon kurz nach dem Start auf echte Kohle gestoßen zu sein.

Wie im frühen Tagebau liegt hier ein Flöz direkt an der Oberfläche. © Bärwald
Weiter geht der Weg am Gründerzentrum herum Richtung Botanischer Garten, den wir nach kurzen Schlenkern erreichen, immer geleitet durch die kleinen schwarz-weißen Schlägel-und-Eisen-Symbole.

Das Schlägel-und-Eisen-Symbol weist auf den Rundweg hin. © Bärwald
Wer Zeit hat, kann sich hier lange aufhalten, die Blumenpracht bewundern oder dem wunderschönen Chinesischen Garten einen Besuch abstatten. Wir haben den Großteil der Strecke noch vor uns und laufen weiter abwärts Richtung Lottental. Hier überqueren wir eine Straße, gehen nach rechts, bevor der Weg links abbiegt, den Hang hinauf, vorbei an einem alten Bauernhof mit Hofverkauf. Hier sind wir schon mitten im Grünen. Wir gehen weiter hoch und sehen die Gebäude der Ruhr-Uni links von uns, majestätisch wie Kreuzfahrtschiffe ragen sie über das Tal.
Mittig der Straße führt unser Weg plötzlich nach rechts, auf einen Waldweg, bis wir nach etwa 200 Metern schließlich auf einen befestigten Pfad stoßen. Hier soll die Zeche Gekrönte Antonia gestanden haben, eine Schautafel oder ein sonstiges Schachtzeichen suchen wir vergebens. Auch der versprochene Ausblick ist durch Sträucher leider versperrt. Rechts vom Weg entdecken wir eine alte Kippstelle, von der aus Steine, die aus der Rohförderkohle abgeschieden wurden, aus Lkw auf ein Transportband geschüttet wurden. Das Band endete an einem Bohrloch, in das die Steine fielen, um unter Tage als Füllmaterial zu dienen.
Nach einer Weile erreichen wir die Haarholzer Straße, folgen ihr durch Stiepel-Frische und entdecken dort noch eine alte Straße mit kleinen, älter aussehenden Reihenhäusern. Der Straßenbelag ist links und rechts noch von kopfsteingepflasterten Rinnen begrenzt. „Sind das noch alte Zechenhäuser?“, fragen wir einen Bewohner eines Mehrfamilienhauses schräg gegenüber, der gerade seine Hecke gießt. Das wisse er nicht, sagt der ältere Mann, aber Tagesbrüche habe es hier wohl schon gegeben. „Hoffentlich nicht unter unserem Haus“, schiebt er noch hinterher.

Der Weg führt teilweise durch lichten Laubwald. © Bärwald
Pingen am Wegesrand
Wir biegen hinter der Siedlung links ins Mailand ab, vorbei an einer Schule, bevor der Weg uns rechts, an einer herrschaftlichen Villa vorbei, in einen lichten Laubwald führt. Vertiefungen am Wegesrand könnten Pingen sein, trichterförmige Überreste von tagebauartigen, primitiven Bergwerken, bei denen die Kohle in geringer Tiefe geschürft wurde. Durch Deckeneinsturz bildeten sich trichterförmige Kuhlen. Von Dortmund bis Mülheim, Witten, Bochum und Hattingen wurde beiderseits der Ruhr überall nach Kohle gegraben. Die Pingen haben sich aber nur in Wäldern erhalten.
Der Weg führt immer weiter hinunter Richtung See, nach einer Linkskurve weist uns eine Schautafel auf eine ebene, offensichtlich künstlich angelegte Fläche hin. Ein Kohlenplatz, vermutlich einst als Lagerstätte der ehemaligen Zeche Gibraltar genutzt.

Bootsausflug oder Einkehr - am Kemnader See lohnt sich eine Verschnaufpause. © Bärwald
Und schon liegt der See fast vor uns. Als wir aus dem Wald treten, müssen wir ein wenig schauen, dass wir nicht von Radfahrern oder Inlinern übersehen werden, zwei der drei Wege sind speziell für Radfahrer und Inliner. Der Fußgängerweg führt direkt am See vorbei.

Die alte gelbe Diesellok diente einst unter Tage der Zeche Vereinigte Gibraltar. © Bärwald
Das zweite Flöz
Um den nächsten Flözaufschluss sehen zu können, gehen wir links Richtung Zeche Gibraltar, das heißt, was davon noch übrig ist. Zwei große Sandsteingebäude, eins beherbergt ein Bootshaus, das andere Gastronomie. Nach Zechen-Schließung in den 20er-Jahren wurden die Gebäude später von der SA als Internierungslager und Quartier genutzt. Der Flözaufschluss befindet sich am Hang, hinter dem Fahrradweg.

Das Flöz Girondelle in der Nähe des Kemnader Sees. © Legrand
Wir entscheiden uns gegen ein Hinaufklettern und gehen weiter, bis wir auf eine gelbe Grubenlok stoßen, die als Denkmal am Rande unseres Rundweges steht. Knapp dahinter, etwas versteckt, liegt das Stollenmundloch der Zeche, das mit einem Gitter verschlossen ist. Als wir wieder zum See zurückgehen, wäre ich fast auf eine Ringelnatter getreten, die mitten im Weg liegt. Man erkennt diese ungiftige Schlange gut an zwei hellen Halbmonden am Kopf. Schnell schlängelt sie sich zurück ins Unterholz.
Wir gehen gut einen Kilometer am Seeufer entlang, bevor wir uns nach links wenden, über die Straße Blumenau Richtung Ruhrlandheim. Hier geht der Weg wieder aufwärts. Und wir haben wieder Glück: Eine bronzefarbene Blindschleiche sonnt sich am Wegesrand und nimmt erst sehr spät vor uns Reißaus.

Auch eine Blindschleiche begegnet uns. © Bärwald
Seilbahn zur Ruhr
Einige hundert Meter hinter dem Ruhrlandheim entdecken wir die nächsten Relikte der Bergbau-Vergangenheit: Auf einem großen Feld befinden sich in regelmäßigen Abständen kleine Strauchinseln. Dort liegen Reste von Fundamenten der 1921 errichteten, zwei Kilometer langen Seilbahn, zwischen der Zeche Klosterbusch und der Ruhr in Herbede. Sie war bis zur Stilllegung 1961 in Betrieb.

Die Fundamente der Seilbahn sind an den Grüninseln zu erkennen. © Bärwald
Von hier aus nehmen wir den Weg in den Wald, wo wir auf ein weiteres, größeres Fundament der Bahn stoßen. Von diesem Höhenweg aus haben wir einen wunderbaren Blick auf den Ostteil des Kemnader Sees, wo sogar noch die Zelte des Zeltfestivals stehen.

Die Maschinenhalle der Zeche Klosterbusch liegt im Dornröschenschlaf. © Bärwald
Wir folgen dem Weg weiter, bis wir auf eine Straße treffen, die uns zu den Zechenhäusern der alten Zeche Klosterbusch führt. In Hochzeiten arbeiteten hier 1300 Menschen, die täglich 1500 Tonnen Kohle förderten. Das Verwaltungsgebäude ist teils so von Efeu verschluckt, dass sich die Fassade nur noch erahnen lässt. Graffiti leuchten auf den Türen zur ehemaligen Maschinenhalle, die hohen, schmalen Fenster sind zum Teil eingeworfen oder blind. Die Natur erobert sich langsam, aber stetig das Areal zurück. Im Gegensatz zu den alten, halb verfallenen Gebäuden stehen die gepflegten Häuser auf der anderen Straßenseite. Hier lebten früher Zechenmitarbeiter in gehobener Position, heute werden sie von Familien und Ruhr-Uni-Mitarbeitern bewohnt.
Wir folgen der Straße weiter, bis halbrechts ein Weg in den Wald abgeht. Denn eine Station wollen wir uns nicht entgehen lassen, bevor wir die Wanderung beenden: Das ehemalige Sprengmittellager. Wer die Route abkürzen möchte, kann von hier aus in zehn Minuten durch den Botanischen Garten wieder die Uni und somit die U-Bahn erreichen.

Die Reste eines durch Explosion zerstörten Sprengmittellagers. © Legrand
Relikte einer Katastrophe
Wer weiterwandern will, lässt die Mauer der Zeche rechts liegen, bevor er einen ziemlich steilen Pfad bergaufwärts erklimmt. Wir biegen auf der Kuppe nach links. Ein kleiner Teich links vom Weg ist so von Algen bedeckt, dass seine Oberfläche aussieht wie eine grüne Tartanbahn. Unweit davon stoßen wir auf die nächste Schautafel, die an eine Vorfall vor mehr als 100 Jahren erinnert: In dem Lager kam es am 13. Januar 1914 zu einer furchtbaren Explosion, als vermutlich eine Kiste mit Sprengstoff von einem Pferdefuhrwerk fiel. Die Leichen der drei Fuhrleute fand man nicht, noch in 400 Metern Entfernung brachte die Druckwelle Scheiben zum Platzen.
Übrig geblieben ist vom Lager nur ein kleiner, etwa vier Kubikmeter großer Raum, der ziemlich versteckt in einer Kuhle hinter der Schautafel liegt. Ob die Kuhle von der Explosion stammt oder schon vorher angelegt wurde, ist nicht bekannt.
Wir gehen zurück zum Weg, der uns aus dem Wald hinaus und zur Fachhochschule führt, vorbei am Geothermie-Zentrum und dem Lennershof. Hier befanden sich bis 1961 die Schächte V und VI der Zeche Mansfeld.
Wir entscheiden uns, nach fast 15 Kilometern, die Wanderung hier zu beenden, obwohl noch interessante Landmarken vor uns liegen. Es ist fast 19 Uhr, als wir an der U-Bahn-Haltestelle Hustadt ankommen und zwei Stationen zurück zur Ruhr-Uni fahren.
Der Streckenverlauf unserer Wanderung
Vor mehr als zwanzig Jahren über ein Praktikum zum Journalismus gekommen und geblieben. Seit über zehn Jahren bei Lensing Media, die meiste Zeit davon als Redakteurin in der Nachrichten- und Onlineredaktion in Dortmund. In Haltern seit September 2019.
