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Atomunfall: Wie sich der Kreis Recklinghausen auf eine Katastrophe vorbereitet
Krieg in der Ukraine
Die Kreisverwaltung hat große Bestände an Jodtabletten eingelagert. An welchem Ort, das bleibt geheim. Klarheit besteht darüber, wie im Ernstfall die Verteilung erfolgen soll.
Bei einem Atomunfall in der Ukraine sei wegen der großen Entfernung nicht damit zu rechnen, dass eine Einnahme von Jodtabletten erforderlich werden könnte. Das ist die Einschätzung des NRW-Innenministeriums in einem aktuellen Schreiben an die Kreise und kreisfreien Städte im Land. Der Katastrophenschutz des Kreises Recklinghausen ist gleichwohl darauf vorbereitet, bei Bedarf Jodtabletten an die Bevölkerung zu verteilen.
Bereits vor Jahren hat die Kreisverwaltung große Bestände eingelagert. Damals hatten die Katastrophenschützer im Kreishaus allerdings eher den Pannenreaktor Tihange 2 in Belgien im Blick. Der soll nun im Februar 2023 stillgelegt werden. Im Jahr 2017 lagerten 1,6 Millionen Jodtabletten zentral in der Krankenhaus-Apotheke des Recklinghäuser Prosper-Hospitals. Dieser Standort sei nicht mehr aktuell, erklärt Kreis-Sprecherin Svenja Küchmeister auf Anfrage. Wo das Medikament jetzt bevorratet wird, daraus macht die Kreisverwaltung ein Geheimnis - um keine Einbrecher anzulocken, wie die Behördenvertreterin betont.
Jodtabletten in vielen Apotheken ausverkauft
Denn seit den Angriffen der russischen Truppen in den Bereichen von Kernkraftwerken in der Ukraine steigt die Nachfrage nach Kaliumjodid rapide an. Viele Apotheken auch im Kreis Recklinghausen melden bei diesen Präparaten: „Ausverkauft!“ Das NRW-Innenministerium spricht von einer erheblichen Verunsicherung der Bevölkerung, versucht aber mit der Feststellung zu beruhigen, „dass wir in Nordrhein-Westfalen über ein mehr als hinreichendes Kontingent an Jodtabletten verfügen“.
Allerdings sollten diese nur eingenommen werden, „wenn die Katastrophenschutzbehörde dazu ausdrücklich auffordert“. Sie vorsorglich jetzt schon einzunehmen, was offensichtlich viele Menschen bereits tun, birgt nach Angaben des Kreisgesundheitsamtes erhebliche gesundheitliche Risiken. Erwachsene über 45 Jahren sollten grundsätzlich keine hoch dosierten Jodpillen schlucken, heißt es. Denn diese erhöhten das Risiko für schwerwiegende Schilddrüsenerkrankungen. Jodtabletten wirken außerdem nicht gegen andere radioaktive Stoffe außer Jod, die vom Körper aufgenommen werden.

Diese Ordner der Kreisverwaltung enthalten Vorgaben, wie der Katastrophenschutz bei einem Nuklearunfall vorzugehen hat. © Michael Wallkötter
Verteilung der Jodpillen gilt als große Herausforderung
Spannend ist die Frage, wie das Jodpräparat im Ernstfall an den Bürger gebracht wird. „Dafür haben wir konkrete Pläne in der Schublade“, sagt Svenja Küchmeister. Geplant sei, sie an dezentralen Stellen im Kreisgebiet zu verteilen. Weitere Details nennt die Sprecherin nicht.
2017 hatten die Katastrophenschützer des Kreises dieses Szenario im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Tihange in Belgien allerdings schon einmal durchgespielt. Die Rede war damals von einer großen Herausforderung: Um die geplanten 150 Ausgabestellen zu besetzen, seien mehr als 1000 Helfer erforderlich, die alarmiert werden müssten. In der Regel, so hieß es, würden das Mitarbeiter aus den Kommunalverwaltungen sein.
70 Messstellen im Kreisgebiet erfassen die Radioaktivität
Das NRW-Innenministerium hebt hervor, dass alle Katastrophenschutzbehörden im Land darauf vorbereitet seien, im Falle einer Freisetzung von Radioaktivität das Notwendige zu veranlassen. Dazu gehören neben Warnung und Information der Bevölkerung über Medien und die Warn-App „Nina“ sowie der Ausgabe von Jodtabletten vor allem auch die Messung der Radioaktivität. Im Kreis Recklinghausen gibt es insgesamt 70 Messstellen, an denen die Werte erfasst werden.
Geboren 1960 in Haltern am See, aufgewachsen in Marl und jetzt wohnhaft in Dorsten: Ein Mensch, der tief verwurzelt ist im Kreis Recklinghausen und dort auch seit mehreren Jahrzehnten seine journalistische Heimat gefunden hat. Schwerpunkte sind die Kommunal- und Regionalpolitik sowie Wirtschafts- und Verbraucherthemen.