Karim (Sami Slimane, m.) steht in Athena der Polizei gegenüber. Er ist der Anführer der jungen Leute.

Karim (Sami Slimane, m.) steht in Athena der Polizei gegenüber. Er ist der Anführer der jungen Leute. © Kourtrjameuf Kourtrajme

„Athena“: Visuell starker Film über einen Aufstand in Paris

rnNeu im Kino

„Athena“ von Roman Gavras erzählt von Gewalt und Krawall in den Pariser Vorstädten. Visuell ist das imposant - erzählerisch manchmal ein wenig zu skizzenhaft.

von Kai-Uwe Brinkmann

Dortmund

, 26.09.2022, 17:17 Uhr / Lesedauer: 1 min

Dramen wie „Hass“ (1995) und „Les Misérables“ (2019) beschrieben das aufgeheizte Klima in den Pariser Banlieues, doch Romain Gavras dreht die Spirale der Gewalt zwischen Polizei und wütender Jugend noch weiter. Sein Film „Athena“ (neu bei Netflix) malt in düsteren Farben das Szenario eines Bürgerkriegs.

Das Wohnviertel Athena wird zur belagerten Festung. Junge Leute bauen Barrikaden und liefern der Polizei eine Schlacht. Auslöser ist der Tod eines Jungen aus dem Viertel. Es gibt ein Video, wo Männer in Polizeiuniform ihn totprügeln.

Eine tickende Zeitbombe

Die Polizei verspricht Aufklärung, in Athena brechen alle Dämme. Junge Burschen stürmen eine Polizeiwache, legen Feuer, stehlen Waffen und fahren triumphal zurück in ihr Quartier. Dass die Trabantenstädte sozialen Sprengstoff bergen, setzt der Film als bekannt voraus. Ursachenforschung ist nicht sein Thema, er zeigt, wie der Mord eine tickende Zeitbombe zündet.

Die Eröffnung ist ein visueller Knaller. In einer zehnminütigen Plansequenz ohne Schnitt irrlichtert die Kamera durch das Chaos der geplünderten Wache. Sie heftet sich an die Jungs aus Athena, folgt dem Fluchtwagen, den sie in voller Fahrt umkreist. Imposant.

Wuchtige Bildsprache

Dramaturgisch wird Adrenalin gepumpt. Die Inszenierung hechelt durch Wohnblocks in Aufruhr, da ist eine Rauch- und Knallkulisse wie im Kriegsfilm, und wir stecken mittendrin.

Optik und Atmosphäre sind stark, doch die Handlung um die Brüder des toten Jungen schwächelt. Karim (Sami Slimane) führt den Aufstand an, Abdel (Dali Benssalah) will Karim bremsen. Psychologisch ist das skizzenhaft und spürbar auf Tragödie getrimmt, die auch im Weihepathos der Musik anklingt. Die Bildsprache aber ist eine Wucht.

Schlagworte: