
© Jörn Hartwich
Arzt aus Essen soll Covid-19-Patienten mit Überdosis aktiv getötet haben
Landgericht Essen
Ein ehemaliger Arzt der Uniklinik Essen steht vor Gericht. Er soll einem Covid-19-Patienten aus den Niederlanden eine Überdosis Kaliumchlorid injiziert haben. Die Anklage lautet auf Totschlag.
Dieser Fall sorgt für Emotionen: Ende vergangenen Jahres soll ein Arzt der Uniklinik Essen einem Covid-19-Patienten eine Überdosis Kaliumchlorid injiziert haben, obwohl es noch Hoffnung gegeben habe. Die angebliche Folge: ein sofortiger Herzstillstand. Seit Dienstag steht der Mediziner (54) in Essen vor Gericht. Die Anklage lautet auf Totschlag. Er bestreitet.
„Er will erreichen, dass er rehabilitiert und seine Reputation wieder hergestellt wird“, erklärte Verteidiger Harald Wostry zum Prozessauftakt.
Ehefrau reiste aus Holland an
Es war der 13. November 2020. Nach der Morgenvisite soll die Ehefrau des Patienten benachrichtigt worden sein, um sich von ihrem Mann zu verabschieden. Sie reiste aus Holland an und soll schließlich auch eingewilligt haben, alle lebenserhaltenden Geräte abzuschalten – auch die Lungenmaschine, die die Funktion der Lunge vollständig übernommen haben soll.
Ihr Mann war rund zehn Tage vorher vom niederländischen Venlo nach Essen verlegt worden. Laut Anklage ist der Ehefrau suggeriert worden, dass die Situation aussichtslos ist. Auch eine palliative Sterbebegleitung soll besprochen worden sein.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Arzt ihrem Mann daraufhin eine große Menge Kaliumchlorid injiziert hat – was er zurückweist.
Erst die Geräte, dann Medikamente
„Die Beweisaufnahme wird ergeben, dass ursächlich für das Versterben des Patienten das zulässige Abschalten der Geräte war“, heißt es in der von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung. Erst danach seien dem Patienten Medikamente verabreicht worden, um den Sterbevorgang abzumildern. Ob sie aber überhaupt noch eine Wirkung entfalten konnten, sei unklar. Von einer Überdosierung könne auf jeden Fall keine Rede sein.
Der Arzt war Anfang 2020 gemeinsam mit weiteren Ärzten von Heidelberg an die Uniklinik Essen gewechselt. Dort war er zuletzt auf der Intensivstation eingesetzt, auf der vor allem Covid-19-Patienten behandelt wurden.
Weitere ungeklärte Todesfälle
Ein Pfleger hatte damals Alarm geschlagen. Er soll dabei gewesen sein, als der niederländische Patient gestorben ist.
Die genauen Abläufe sollen im Laufe des Prozesses erörtert werden. Mit einem Urteil ist voraussichtlich erst im November zu rechnen.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mediziner außerdem vor, auch beim Tod von zwei weiteren Covid-19-Patienten aktiv Sterbehilfe geleistet zu haben. Diese Fälle werden im aktuellen Prozess aber nicht mit verhandelt. Hier wollen die Richter erst weitere Gutachten einholen.