Arbeitsweise der Polizei ist reif fürs Museum Tippen, ausdrucken, zur Post und abtippen

Grenzüberschreitende Polizeiarbeit aus dem Museum: tippen, ausdrucken, zur Post und abtippen
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Ulrich Breulmann

Eine neue Geschichte aus dem Absurditäten-Kabinett des Föderalismus. Es geht um die Polizei.

Ein Polizist erzählte, wie haarsträubend umständlich polizeiliche Arbeit bisweilen sei. Sein Beispiel: Die A30 verläuft von Bentheim bis Osnabrück auf der Grenze von NRW und Niedersachsen. Bei einem Unfall auf niedersächsischem Gebiet könne es sein, dass die Polizei aus NRW die Stelle besser erreichen könne und zuerst vor Ort sei.

Dann nähmen die NRW-Polizisten den Unfall auf, tippten alle Infos in ihren Computer. Dann müssten sie die Formulare ausdrucken und per Post nach Niedersachsen schicken. Dort müsse ein Polizist alles neu in das niedersächsische Computersystem eintippen.

Briefpost? Erneut eintippen? Kann nicht sein, dachte ich, und fragte die Innenministerien aller 16 Länder: Wie sieht es aus mit der länderübergreifenden Zusammenarbeit der Polizei? Die Antworten frustrieren. Einige Ministerien sprechen Klartext, andere schwurbeln.

Das NRW-Innenministerium etwa schreibt zunächst: „Die Polizei tauscht eine Vielzahl von Informationen digital mit anderen Bundesländern aus, ohne dass auf den Postversand zurückgegriffen werden muss.“ Und was ist mit den anderen Informationen?

Später heißt es: „Grundsätzlich ist anzumerken, dass aufgrund der föderalen Struktur auch die Ausstattung der Polizei mit IT-Systemen Sache der jeweiligen Länder ist. Insofern werden für gleiche Zwecke aus verschiedensten Gründen unterschiedliche IT-Systeme, insbesondere auch unterschiedlicher Hersteller, genutzt.“

Ab damit zur „Nacherfassung“

Andere Länder sind deutlicher. Niedersachsen: „Aufgrund der jeweils geschlossenen Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Vorgangsbearbeitungssysteme der Länder ist es in derartigen Fällen notwendig, die Vorgänge separat an die zuständige Dienststelle des anderen Bundeslandes zur Nacherfassung im jeweils landesinternen Vorgangsbearbeitungssystem zu übermitteln.“ Kurz gesagt: verschicken, abtippen.

Baden-Württemberg: „Die unterschiedlichen Vorgangsbearbeitungssysteme erlauben derzeit noch keine medienbruchfreie Zusammenarbeit.“ Sachsen-Anhalt: „Die Übergabe kann nicht auf direktem elektronischem Weg erfolgen, sondern muss zum Teil durch manuelle Erfassung übertragen werden.“

Fazit: Jedes Land hat eigene IT-Systeme, eigene Software. Ein digitaler Austausch ist oft unmöglich, weil Schnittstellen fehlen. Also wird ausgedruckt, verschickt und neu eingetippt. Ein Unding.

Neues Konzept seit vier Jahren überfällig

Im Prinzip haben das – das sagen alle Ministerien – Bund und Länder lange erkannt. 2016 vereinbarten sie eine Harmonisierung der polizeilichen Informationstechnik. 2019 wurde dazu das Programm „P20“ beschlossen, weil es 2020 starten sollte. Das aber ist bis heute nicht passiert.

Ende Oktober antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken, dass mit „ersten Umsetzungsergebnissen ab 2025“ zu rechnen sei. Das klingt, als werde föderalistische Kleingeisterei Polizisten noch viele Jahre zu völlig unnötigen Arbeiten zwingen. Ein Armutszeugnis.

Was wäre, wenn es so beim Fußball wäre...

Ein Schnitt. Blicken wir kurz auf den Fußball. Stellen Sie sich vor, jeder Verein entscheidet selbst, ob das Tor 2,44 Meter hoch ist oder nur 1,50 oder 2 Meter. Bei den einen läge der „Elfmeter-Punkt“ nicht elf Meter vom Tor, sondern 8 oder 15 Meter. Und Abseits-Regeln hätte jeder Verein seine eigenen.

Ein Spiel zwischen zwei Vereinen wäre nahezu unmöglich oder maximal kompliziert. Deshalb gibt es beim Fußball Regeln für alle. Das macht Fußball nicht zum Einheitsbrei. Jedes Team behält genug Spielraum, entscheidet selbst, ob es mit Dreier- oder Viererkette spielt, ob es einen Stürmer aufs Feld schickt oder fünf.

So müsste auch der Föderalismus funktionieren. Jedes Bundesland darf seinen eigenen Charakter behalten, etwa selbst entscheiden, wie stark es Kultur oder Sport fördert, wo es neue Industrieflächen ausweist und wo Naturschutzgebiete. Es gibt vieles, was jedes Land sinnvollerweise selbst entscheiden soll. Aber die Spielregeln sollten für alle gleich sein. Wie beim Fußball.

Neuer Reformanlauf dringend nötig

Unser föderales System ist dringend reformbedürftig. Zwei Reformanläufe gab es bereits und 2006 auch einige Änderungen im Grundgesetz. Die aber reichen nicht. An vielen Stellen zeigt sich heute wieder, welch groteske Folgen unser Föderalismus hat.

Im Sommer sprach ich mit dem damaligen Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Er sagte, er halte eine neue Reforminitiative für „eine gute Idee“ und: „Das kann aber nur gelingen, wenn das im politischen Raum breit getragen wird.“ Schließlich brauche man im Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit. „Wenn es da eine Bereitschaft bei den seriösen Parteien gäbe, sich auf so etwas einzulassen, würde ich das sehr begrüßen.“

Inzwischen ist Buschmann nicht mehr Justizminister. Sie wissen, warum. Wer auch immer ihm nachfolgt: Der oder die Neue sollte das Thema energisch anpacken. Die Föderalismus-Blockade muss ein Ende haben.