Gerhard Weigel zu Anliegerbeiträgen „... und wenn zu spät abgerechnet wird, ist Ebbe in der Kasse“

Gerhard Weigel warnt bei Anliegerbeiträgen: „Das ist ein Jokerspiel“
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Er hat schon manchen Streit ausgefochten, wenn es darum ging, dass die Stadt Beiträge für den Endausbau von Straßen und Gehwegen von den Anliegern forderte. Vor Gericht siegte Gerhard Weigel sogar mit einer Klage.

Vor gut 30 Jahren war der heute 79-Jährige persönlich gegen Anliegerbeiträge zu Felde gezogen, die den Anwohnern auf dem neu bebauten Mühlenberg in Rechnung gestellt worden waren.

„Das Gericht hat damals bestätigt, dass das Gebiet dafür zu groß war“, erinnert sich Weigel. Erst sieben oder acht Jahre, nachdem die Erschließung fertiggestellt war, verschickte die damalige Bauverwaltung die Beitragsbescheide.

Weigel: „Das ist ein Jokerspiel“

„Ich sollte auch für den neu entstandenen Teil mit bezahlen“, weiß Weigel noch. Damals hatte man pauschal 15 Prozent dieser Kosten auf alle Anlieger umlegen wollen. Es handelte sich damals um 350 D-Mark – nicht viel im Vergleich zu Beitragsquoten in vier- bis fünfstelliger Höhe, für die Grundstückseigentümer in der Vergangenheit schon von ihrer Kommune zur Kasse gebeten wurden.

Für einen Abschnitt der Straße Hohenheide ist laut Stadtverwaltung Fröndenberg schon bekannt, dass dort ein beitragspflichtiger Straßenneubau, der 1,5 Millionen Euro kosten würde, vonnöten ist.
Für einen Abschnitt der Straße Hohenheide ist laut Stadtverwaltung Fröndenberg schon bekannt, dass dort ein beitragspflichtiger Straßenneubau, der 1,5 Millionen Euro kosten würde, vonnöten ist. © Archiv/Marcus Land

Doch Gerhard Weigel, lange Jahre Vorsitzender der Siedlergemeinschaft Springstraße, ging es damals ums Prinzip. So wie heute auch noch. Wenn er hört, auf welche Weise künftig die Wiederherstellung maroder Straßen finanziert werden soll, ist der Fröndenberger skeptisch.

„Das ist ein Jokerspiel“, sagt Weigel dazu, „darauf können wir uns nicht verlassen.“ Grund für seine Skepsis ist das Verfahren, mit dem derzeit Anteile, die rechtlich auf dem Papier weiterhin die Anlieger tragen müssen, aus der Landeskasse getilgt werden sollen. Diese Regelung basiert auf einem Runderlass der Landesregierung.

Fördertopf für Anliegerbeiträge

Einen Fördertopf hat das zuständige Ministerium mit 65 Millionen Euro jährlich gefüllt. Damit seien die Anliegerbeiträge „faktisch“ abgeschafft, heißt es aus dem NRW-Kommunalministerium, allerdings noch nicht rechtlich. Die neue „Förderrichtline Straßenausbaubeiträge“ aus April 2022 wiederum tritt am 31. Dezember 2026 außer Kraft.

  • Die neue städtische Satzung über die Erhebung von Anliegerbeiträgen sieht folgende Quoten im Einzelnen vor:
  • Anliegerstraßen (Straßen, die überwiegend der Erschließung der angrenzenden oder der durch private Zuwegung mit ihnen verbundenen Grundstücke dienen):
    Fahrbahn: 70 %, Radweg inkl. Sicherheitsstreifen: 70 %, Parkstreifen: 70 %, Gehweg: 70 %, Beleuchtung und Oberflächenentwässerung: 70 %, unselbstständige Grünanlagen: 70 %.
  • Haupterschließungsstraßen (Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen dienen, soweit sie nicht Hauptverkehrsstraßen sind):
    Fahrbahn: 50 %, Radweg inkl. Sicherheitsstreifen: 50 %, Parkstreifen: 60 %, Gehweg: 60 %, Beleuchtung und Oberflächenentwässerung: 50 %, unselbstständige Grünanlagen: 60 %.
  • Hauptverkehrsstraßen (Straßen, die dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr oder dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen, insbesondere Bundes-, Landes- und Kreisstraßen mit Ausnahme der Strecken, die außerhalb von Baugebieten und von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen liege.):
    Fahrbahn: 20 %, Radweg inkl. Sicherheitsstreifen: 20 %, Parkstreifen: 60 %, Gehweg: 60 %, Beleuchtung und Oberflächenentwässerung: 50 %, unselbstständige Grünanlagen: 60 %.
  • Hauptgeschäftsstraßen (Straßen, in denen die Frontlänge der Grundstücke mit Ladengeschäften oder Gaststätten im Erdgeschoss überwiegt, soweit es sich nicht um Hauptverkehrsstraßen handelt):
    Fahrbahn: 50 %, Radweg inkl. Sicherheitsstreifen: 50 %, Parkstreifen: 70 %, Gehweg: 70 %, Beleuchtung und Oberflächenentwässerung: 50 %, unselbstständige Grünanlagen: 50 %.
  • Hauptwirtschaftsweg: 60 %, Anliegerwirtschaftsweg: 70 %.

„Wenn dann einer zu spät kommt oder es wird zu spät abgerechnet, ist Ebbe in der Kasse“, malt Gerhard Weigel eine Drohkulisse an die Wand. Zumal die Beiträge der Anlieger auf Antrag der Kommune nur dann erstattet werden, wenn weitere Voraussetzungen erfüllt sind.

Die Stadt Fröndenberg ist gerade dabei, ein notwendiges Konzept für die Sanierung der Gemeindestraßen aufzustellen. Eine neue Satzung, die die Anliegerbeiträge regelt, hat der Rat kürzlich beschlossen. Es fehlt noch an einer Bestandsaufnahme der Straßenzustände und an der Priorisierung der Baumaßnahmen.

Wann kommt das Landesgesetz?

Am Beispiel der dringend sanierungsbedürftigen Springstraße macht Gerhard Weigel deutlich, dass Kommunen bei einem Totalneubau von Gemeindestraßen immer in die Zwickmühle geraten.

Stehe ein grundlegender Neuaufbau der abschüssigen Springstraße an, müsse man die Frage stellen: „Will ich eine Autobahn haben oder sie vielleicht künftig lieber schmaler bauen, auch Bäume setzen, um Regenwasser zurückzuhalten?“, fragt Weigel. Jede zusätzliche bauliche Maßnahme mache das Projekt aber auch teurer. „Man kann das Ganze nicht gerecht machen“, räumt Gerhard Weigel ein.

Für ihn steht jedenfalls außer Frage, dass die Anlieger – wie es in anderen Bundesländern bereits der Fall ist – in Zukunft auch rechtlich von Beiträgen am Straßenneubau komplett freigestellt werden müssen. Dann müssten Straßenneubauten künftig aus dem Steuersäckel bezahlt werden – auf Landesebene wird tatsächlich daran gearbeitet. Nicht absehbar ist, welches Ergebnis dabei herauskommt – und wann das Ergebnis da ist.